Elmars Zemgalis 9.9.1923-8.12.2014

von John Donaldson
11.12.2014 – Elmars Zemgalis gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den zahlreichen nun in Deutschland lebenden Vertriebenen aus dem Osten Europas. Wie mancher andere war er ein starker Schachspieler und errang herausragende Erfolge. Anfang der 1950er Jahre ging er in die USA, erhielt dort eine Wertungszahl von 2624, hörte aber bald mit dem Schach auf. Nun starb er im Alter von 91 Jahren. Ein Nachruf von John Donaldson ...

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Elmars Zemgalis

Elmars Zemgalis wurde am 9. September 1923, in Riga in Lettland geboren. Schach spielen lernte im Alter von elf Jahren und der erste Durchbruch kam, als er auf eine Ausgabe von Capablancas Grundzüge der Schachstrategie stieß. Der Kubaner sollte einen maßgeblichen Einfluss auf Elmars' Spielverständnis ausüben und in den kommenden Jahren verwiesen etliche Kommentatoren darauf, dass Zemgalis wie ein "kleiner Capablanca" spielte. Der erste Turniererfolg für Elmar kam, als er vier Jahre in Folge (1936-40) die Meisterschaft von Rigas angesehener Ersten Hochschule gewinnen konnte.

Das lettische Schach konnte in den späten 1930ern auf eine starke Tradition zurückblicken. Aaron Nimzowitsch (1886-1935) wurde in Riga geboren und entwickelte sich dort zu einem Weltklassespieler und Denker. Hermanis Matisons (1894-1932) war ein hervorragender Endspielkomponist und Gewinner der Amateurweltmeisterschaft 1924 vor Euwe und Colle. Bei der Schacholympiade in Prag 1931 spielte er für Lettland am ersten Brett und schlug Aljechin und Rubinstein. Vladimirs Petrovs (1908-45) war der führende Spieler Lettlands, als Elmars seine Karriere begann und sein hervorragendes Abschneiden in Kemeri 1937, als er zusammen mit Flohr und Reshevsky geteilter Erster wurde und noch vor Aljechin, Keres und Fine landete, war noch gut im Gedächtnis. Als Teenager bot sich Elmars mehrfach die Gelegenheit Schnellschach mit Petrovs zu spielen, der einige Jahre später in einem sowjetischen Straflager in Vorkuta zu Grunde ging.



In der unruhigen Zeit des Zweiten Weltkriegs ging das Schachleben in Lettland weiter. Zemgalis gewann die lettischen Gewerkschaftsmeisterschaften 1942 und 1943 (geteilter Erster mit A. Krumins) und siegte außerdem bei der Stadtmeisterschaft von Jelgava. Sein größter Erfolg war es, Paul Keres in einer Schaupartie, die nach der Stadtmeisterschaft von Riga im Mai 1944 abgehalten wurde, an den Rand einer Niederlage zu bringen. Diese Partie zeigt, dass Zemgalis damals bereits ein sehr starker Meister war. Keres,P - Zemgalis,E ½-½

Die Rückkehr der Sowjets nach Lettland in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 ließ Elmars wie viele seiner Landsleute nach Westen fliehen. So bekannte lettische Schachpersönlichkeiten wie Lucius Endzelins (geteilter Zweiter in der Fernschachweltmeisterschaft 1956-59) und Karlis Ozols (Australischer Meister) landeten 1946 als Vertriebene zusammen mit Elmars in Deutschland.

Schicksalsgenossen als Vertriebene waren u.a. der große ukrainische Spieler Fedor Bohatirchuk und Ortvin Sarapu aus Estland, der später mehrfacher Meister Neuseelands werden sollte.

Der in Polen geborene Vertriebene Sigmund Wotkowski war Verfasser eines sehr interessanten Artikels, der unter dem Titel "Schach unter den Vertriebenen in Deutschland" in der englischen Zeitschrift Chess (Februar 1949, Seiten 106-7, 128) erschien:

Schach unter den Vertriebenen in Deutschland

Unter den etwa 750.000 Vertriebenen in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands gibt es zahlreiche Schachspieler. Beinahe jedes Flüchtlingslager hat eine "Schachabteilung", und sowohl die eigenen als auch deutsche Schachmeister spielen Turniere und geben Simultanveranstaltungen.


Von allen "Nationalen Schachverbänden" ist der lettische der stärkste und der am besten organisierte. Jedes Jahr organisiert er die "Lettische Meisterschaft der westlichen Besatzungszone". Die erste, in Hanau im Februar 1947 gespielte Meisterschaft, wurde von Endzelins gewonnen, der sein Land in den Jahren vor dem Krieg in zahlreichen Mannschaftswettbewerben vertrat. Zemgalis, ein begabter junger Meister wurde Zweiter, gefolgt von Ozols, einem der Teilnehmer des Internationalen Turniers 1947. Die deutschen Gäste Sämisch und Nürnberg kamen über einen dritten und vierten Rang nicht hinaus. Nach dem Turnier trug das lettische Team einen Wettkampf an zehn Brettern gegen die Vertreter Hessens aus und gewann 6-4; am Spitzenbrett gewann Zemgalis gegen Niephaus, einen bekannten deutschen Meister. Endzelins verlor später einen Dreier-Stichkampf hinter Zemgalis und Ozols, aber durch seinen Sieg in der diesjährigen lettischen Meisterschaft im Lager von Fischbeck wurde Endzelins erneut Meister der lettischen Vertriebenen.


Ende 1947 organisierten die lettischen Schachspieler ein "internationales" Turnier in Hanau. Weder Bogolyubov noch ein anderer der teilnehmenden deutschen Meister wie Dr. Troeger oder Hönlinger konnten hier gewinnen. Wieder erwies sich Endzelins als stärkster, gefolgt von Zemgalis. Die lettischen Meister waren auch in anderen Turnieren erfolgreich, in denen sie auf deutsche Meister trafen. Zemgalis, zum Beispiel, wurde in beiden "internationalen" Turnieren in Augsburg (hinter Unzicker) und in Regensburg 1946 Zweiter. Vor kurzem gewann er ein Meisterturnier in Esslingen. Endzelins erzielte beim internationalen Turnier in Kassel (April 1947) ein gutes Ergebnis. Zirnis, Dreibergs, Rankis, Krumins sind weitere lettische Meister, die eine Erwähnung verdienen; der Erstgenannte gewann die offene Badische Meisterschaft 1947.

Die Litauer verfügen ebenfalls über einen guten Schach-"Verband", aber ihre Spieler sind nicht so stark wie die Letten. Ihr Champion ist Tautvaisas, der sein Land, genau wie Endzelins, in vielen FIDE Mannschaftswettbewerben vertreten hat. Im Mai dieses Jahres setzte sich Tautvaisas an die Spitze des internationalen Turniers in Oldenburg. Der zweitbeste litauische Schachspieler, Arlauskis, ist emigriert und soll in seiner neuen Heimat Australien bereits einige Erfolge verzeichnen können.

Der ukrainische Schach-"Verband" ist ebenfalls gut, aber die Ukrainer legen mehr Wert auf Mannschaftswettbewerbe als auf Einzelturniere. Ihr bester Schachspieler ist Prof. Fedor P. Bohatirchuk, ein gut bekannter Spieler, der an zahlreichen internationalen Wettbewerben teilgenommen hat und beim Internationalen Turnier in Moskau 1925 zu den Preisträgern zählte und der 1929 zusammen mit Romanovsky geteilter Erster der Sowjetischen Meisterschaft wurde. In Deutschland wurde F.P. Bohatirchuk Erster beim internationalen Turnier in Regensburg 1946 und war beim internationalen Turnier in Kirchheim-Teck (im Februar letzten Jahres) in Kassel (April 1947) und in Stuttgart (September 1947) erfolgreich. Die Schachmeister unter den Vertriebenen halten ihn für den stärksten Spieler ihrer Gruppe. Der andere ukrainische Meister, Selezniev, ist bereits sechzig Jahre alt, aber er nimmt nicht ohne Erfolg an deutschen "internationalen" Turnieren teil. Sein Name war in den frühen Zwanzigern gut bekannt, als er an internationalen Turnieren in Europa teilgenommen hat.

Der in Polen geborene Wotkowski erregte mit seinem Sieg in einem 1947 gespielten Wettkampf über sechs Partien (Endergebnis 3,5:2,5) gegen Dr. Roedl, einen bekannten deutschen Schachmeister, Aufmerksamkeit. Zuvor hatte er mit Unzicker, dem momentanen Deutschen Meister, beim internationalen Turnier in Regensburg 1946 den dritten Rang geteilt. Danach feierte er Erfolge bei Turnieren in Kirchheim-Teck (Weihnachten 1947), wo er jede Partie gewann (Deutschlands Vertreter Machate wurde nur Dritter), in Heidelberg (Ostern 1948) und erst kürzlich in Esslingen, wo er Zweiter wurde (hinter Zemgalis aber vor Tautvaisas und Zirnis). Bei der Stuttgarter Meisterschaft 1948 wurde er zusammen mit Machate geteilter Erster. Wotkowski ist in Deutschland durch seine Leistungen im Blindschach gut bekannt. Seit 1946 hat er in der amerikanischen Besatzungszone 67 Blindvorstellungen gegeben. Von den 571 dabei gespielten Partien gewann er 408, verlor 90 und machte 73 remis.

In Deutschland leben noch weitere ausländische Schachmeister, die aber nicht mehr alle aktive Schachspieler sind; unter ihnen sind der ehemalige Este Paul Schmidt, der sich auf sein Chemiestudium konzentriert, aber schon in Hastings und Beverwijk gespielt hat.

1946 hielten die Flüchtlinge ihre erste Vertriebenen-Meisterschaft in Marburg ab. Sie wurde von Prof. F.P Bohatirchuk gewonnen. Die zweite wurde 1947 im Flüchtlingslager in Schleisheim, nahe München, organisiert. Bohatirchuk, Endzelins, Zemgalis und Wotkowski nahmen nicht daran teil, und Tautvaisas und Seleznev wurden geteilter Erster, gefolgt von Ozols.



 

Auch Deutschland hatte seine Stars. Bogoljubow hatte dort viele Jahre gelebt. Fritz Sämisch, der Schöpfer von Angriffssystemen gegen den Königsinder und den Nimzoinder war noch aktiv, genau wie Herbert und Georg Kieninger, denen ein paar Jahre später der Titel des Internationalen Meister verliehen werden sollte. Der aufstrebende Jungstar war Wolfgang Unzicker, der bald einer der besten Spieler Europas wurde.

Bogoljubov und Zemgalis

Zemgalis blühte in diesem Umfeld auf. Während seines Aufenthalts in Deutschland von 1946 bis 1951 nahm er an zwölf Meisterturnieren teil, von denen er sieben gewann, drei Mal Zweiter und zwei Mal Dritter wurde! 1946 ließ er die Schachwelt das erste Mal aufhorchen, als er in Augsburg und Regensburg jeweils den zweiten Platz belegte; aber das Turnier, das ihn zu einer festen Größe auf der Landkarte des Schachs werden ließ, war Oldenburg 1949. Dort trat er gegen ein Feld an, in dem so bekannte Namen wie Bogoljubow, Rossolimo, O'Kelly, Unzicker und Sämisch vertreten waren, und wurde zusammen mit Bogo ungeschlagen und mit einem Ergebnis von 12-5 geteilter Erster. Das war offensichtlich ein Großmeisterresultat!

Die FIDE begann erst im folgenden Jahr mit der offiziellen Vergabe von Titeln, aber elf der achtzehn Spieler in Oldenburg wurde später der GM- oder IM-Titel verliehen; mit Ausnahme von Sarapu erhielten alle ihre Titel bis 1956. Zu dieser Zeit verlieh die FIDE nur sehr wenige Titel. Die FIDE verlangt von den Spielern mindestens zwei GM-Normen mit einer Gesamtzahl von 24 Partien. In Oldenburg absolvierte Elmars 17 Partien und seine Ergebnisse in Augsburg 1946 (1. Unzicker 14/16; 2. Zemgalis 13; 3-4. Sämisch und Tautvaisas 10.5) und Hanau 1947 (1. Endzelins 11/15; 2. Zemgalis 10; 3. Bogoljubow 9.5) machen beide den Eindruck guter bekräftigender Leistungen. Wie Elmars bei der Vergabe des GM- und vor allem des IM-Titels übersehen werden konnte, ist schwer zu begreifen.

1953 verlieh der amerikanische Schachverband Elmars eine vorläufige Ratingzahl von 2624 (die vierthöchste im Land), die vor allem auf seinem Ergebnis in Oldenburg beruhte.

 

Das vom 18. Juni bis zum 2. Juli ausgetragene Turnier in Oldenburg war der größte Erfolg in Elmars' Laufbahn. Die folgenden Berichte der englischen Schachzeitschriften BCM und Chess liefern ein paar Hintergrundinformationen über die Veranstaltung.

Das Oldenburger Turnier




Obwohl es beim "Zieleinlauf" um die Trophäe des ersten wirklich internationalen Turniers, das in Deutschland nach dem Krieg stattfand, knapp von Heidelberg geschlagen wurde, war Oldenburg für sich selbst genommen eine wirklich bedeutende Veranstaltung. Der Ortsverein hatte bereits etliche der alljährlichen Schachfestivals organisiert, aber keines dieser Größe. Hervorzuheben sind die großen finanziellen Verpflichtungen, die eingegangen und die rundherum befriedigende Art, in der sie abgewickelt wurden; wir hegen den Verdacht, dass der Vorsitzende, Herr Willy Scheel, nicht nur wundervolles Organisationstalent bewies, sondern auch noch tief in die eigene Tasche gegriffen hat. Wir glauben, dass er zufrieden war: wir gratulieren ihm herzlich, und nicht nur dafür, dass er eine wirklich denkwürdige Veranstaltung aus der Taufe gehoben und durchgeführt hat - sondern auch zu seiner Verlobung, die bei der Abschlussfeier bekannt gegeben wurde.

(Zu viele Turnierveranstalter auf dem Kontinent bauen auf unerfüllbare Hoffnungen und versprechen Preise, die sie nur unter größten Mühen zusammen bekommen könnten. Einen anschaulichen Fall lieferte das Turnier in Bad Gastein, das der Schweizer Meister Grob abgebrochen hat, als sich herausstellte, dass die versprochenen Preise nicht vorhanden sein würden. Eine solche unsichere Atmosphäre macht das Leben des professionellen Schachmeisters - das ohnehin bereits nicht leicht ist - nervenzerfetzend. Tartakover könnte viel über dieses Thema sagen - und dabei so manches französische Wort verwenden, das nicht im Wörterbuch steht! Die britischen Organisatoren bieten wenig, aber wir freuen uns sagen zu können, dass sie in dem Ruf stehen, ihre Versprechen zu halten).

Die Veranstaltung begann mit einer Vorführung in "Lebendigem Schach", die eine große Menge an Menschen anzog, und uns die Augen öffnete, wie wertvoll "Lebendiges Schach" ist, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen - nichts ist besser geeignet, um hunderte von Menschen auf einen Schlag für das Spiel zu interessieren.



Bogoljubow begann mit einer Reihe von Siegen, aber es bleibt festzuhalten, dass ihm das Los seine schwächeren Gegner zu Beginn des Turnieres beschert hatte - was nicht immer gut sein muss, da einem dadurch die "Schärfe" genommen werden kann. Rossolimo kam gegen Kuppe vom rechten Pfad ab und murmelte etwas von üblem Mundgeruch. Heinicke, der einen schlechten Start erwischte, als er vollkommen unnötig gegen Heemsoth nach Zeit verlor, nachdem er im entscheidendem Moment vergaß, seine Uhr zu drücken, setzte sich durch einen mühsamen Sieg gegen Bogoljubow wieder in Szene. Manche der wichtigsten Partien gehörten nicht zu den besten; beispielsweise beschwindelte Rossolimo Boguljubow ziemlich, als der nur noch wenig Zeit hatte, und beschwindelte sich dann zur Abwechslung dann in der letzten Runde selber, als er versuchte, Heinicke zum schnellen Spiel zu verleiten. Ihm schien der erste Platz bereits sicher gewesen zu sein, aber Enevoldsen hatte ihm einen Tag zuvor in einem Turm+Bauernendspiel mit zwei Minusbauern einen halben Punkt entführt, so dass er nur einen halben Punkt aus den letzten beiden Runden erzielen konnte.

Zemgalis, Heemsoth

In der letzten Runde wurde außergewöhnliches Schach geboten. Sie begann mit mit folgendem Tabellenstand:

Rossolimo 11½, Bogoljubow und Zemgalis 11, Heinicke und Sarapu 10½.

Sarapu kam gegen Kieninger über ein Remis nicht hinaus; Rossolimo überzog, wie wir gesehen haben; Zemgalis vernichtete den niedrig eingeschätzten Kuppe methodisch und damit musste Bogoljubow Heemsoth schlagen, um sich selbst auf den ersten Platz zu befördern.

Spielbeginn war 8 Uhr morgens. Nach etwa vierzig Zügen hatte Bogoljubow ein theoretisch remises Endspiel mit Turm, f+h-Bauern gegen Turm erreicht. Und er machte weiter und weiter und zog seinen König und seinen Turm umher und umher, während er auf einen Fehler seines Gegners wartete. Als er gegen 7 Uhr abends seinen 120. Zug ausführte war die Stellung (laut Wade) noch immer Remis. Aber dann patzte Heemsoth aus schierer Müdigkeit und es war vorbei. Merkwürdig genug hatte Bogoljubow zuvor den keineswegs gering zu schätzenden Kieninger in einem genau gleichen Endspiel besiegt. Diese "Buchremisen" müssen gefunden werden!

Jeden Tag wurde ein Bulletin gedruckt, das die aktuellen Ergebnisse und eine Auswahl von Partien des Vortages enthielt; auf einer Seite wurden diese Partien mit geistreichen Bemerkungen versehen. In der UdSSR halten wir so etwas für etwas ganz Normales, aber dass solch ein unternehmendes Unterfangen nur wenige Kilometer hinter der holländischen Grenze als Geschäft betrieben werden kann, machte als Zeichen des schachlichen Fortschritts im Westen tiefen Eindruck auf uns.



Es ist bemerkenswert, dass die Deutschen und die Gäste genau die gleiche Anzahl von Punkten erzielte, 76½. Die größte Überraschung des Turniers war der estnische Flüchtling Sarapu, der während des Krieges einige Zeit in Dänemark verbracht hatte und ein alter Bekannter von Keres ist. Sein Stil ähnelt dem von Keres, und ist eher voll brillantem Erfindungsreichtum als schwerfällig effizient; er rettete erst und gewann dann eine äußerst kritische Partie gegen Bogoljubow; er schlug Wood, nachdem er bereits eine Figur weniger hatte. Unmittelbar nach dem Turnier emigrierte er nach Australien (und Tautvaisas wird in die USA gehen).

Sarapu, Zemgalis, Tautvaisas

Zemgalis beeindruckte als außerordentlich solider Spieler. Angeblich ist dies das sechste Meisterturnier in Folge, das er ohne Niederlage absolvierte. Merkwürdig genug musste er gegen Walther, einen der am schwächsten eingeschätzten Spieler, die größten Ängste ausstehen.

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Zemgalis-Rellstab

 

 

Zemgalis-Baumanis

 

 

 


Oldenburg bildete den Höhepunkt einer Karriere, die nicht sehr lange dauerte. Bereits im Jahre 1950 konzentrierte sich Elmars auf sein Studium. 1952 immigrierten er und seine Frau Cacilia auf höchst ungewöhnliche Weise in die Vereinigten Staaten. Royal Brougham, seines Zeichens Sportjournalist beim Seattle Post Intelligencer, hatte eine Art "Arche Noah"-Projekt ins Leben gerufen, das Sportlern, die der Krieg entwurzelt hatte, eine neue Heimat im Staat Washington geben sollte. Brougham, der in Seattle auch heute noch verehrt wird, besaß eine wirklich umfassende Sicht dessen, was einen Sportler auszeichnet, und nahm einen Schachmeister in die Gruppe auf.

Elmars' Ankunft in Seattle im Mai 1952 wurde mit allgemeinem Enthusiasmus begrüßt. Rasch wurde ein Schaukampf im Auditorium des P-I organisiert, der etliche hundert Zuschauer anlockte. Obwohl sich Seattle weit abseits vom Zentrum des Schachgeschehens in den USA befand, besaß es einen Spieler von nationalem Renommee. Olaf Ulvestad wurde 1912 in Seattle geboren und hatte sich in den späten 1930ern einen Namen in der Schachszene des Landes gemacht. Nach seiner Rückkehr vom Armeedienst während des Zweiten Weltkriegs wurde er in das amerikanische Team berufen, das gegen die Sowjets spielen sollte. Die USA verloren 7,5-12,5, aber Ulvestad und Arthur Dake, der genau wie er aus dem Nordwesten der USA stammte, hielten ihre beiden Wettkämpfe gegen David Bronstein bzw. Andor Lilienthal jeweils 1-1 unentschieden. Dies veranlasste einen Witzbold zu der Feststellung, dass die USA zwar gegen die Sowjets verloren, die Staaten Washington und Oregon jedoch Unentschieden gespielt hätten!

Der Wettkampf Ulvestad-Zemgalis bot sich an und am Wochenende zum 4. Juli 1952 saßen sich die beiden Spieler gegenüber. Der Washington Chess Letter stellte in seinem Bericht über das Ereignis fest, dass Ulvestad unter einem Mangel an Spielpraxis auf Meisterebene litt, aber das Gleiche lässt sich auch über Zemgalis sagen, der seit seinem Triumph in Oldenburg 1949 nicht mehr regelmäßig gespielt hatte. Dessen ungeachtet war das Niveau der Partien recht gut und beide Spieler zeigten viele interessante Ideen. Das Endergebnis von 3-1 vermittelt einen unzureichenden Eindruck von E.Zs. Überlegenheit. Er war nie in Schwierigkeiten und hätte sein Ergebnis mit einem Sieg in der letzten Partie leicht verbessern können.

Heutzutage sind die Schwierigkeiten eines professionellen Schachspielers gut bekannt, aber in den 50ern waren sie noch größer. Selbst Spieler wie Sammy Reshevsky, der zur Weltspitze gehörte, mussten Brotberufen nachgehen. Bald nach seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten arbeitete Elmars tagsüber, während er zugleich ein Abendstudium der Mathematik absolvierte. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass dies guten Turnierergebnissen kaum zuträglich war. Das US Open von 1953 in Milwaukee war eine Katastrophe, die sich angekündigt hatte. Obwohl er kurz zuvor seinen Job verloren hatte und in der Mitte des Turniers krank wurde, befand sich Zemgalis mit 7 aus 10 dennoch unter den Spitzenreitern, bevor er am Ende zusammenbrach.

Dies war Elmars erstes und letztes Turnier in den USA, dass er außerhalb des Nordwestens spielte. Nach Milwaukee beschränkte er sich darauf, in regionale Wettkämpfen gegen die besten Spieler aus Washington, Oregon und British Columbia anzutreten. Obwohl er wenig spielte und kaum studierte, gewann er beinahe fast jede Partie, die er in 1950ern in Washington spielte. In der 1960ern spielte er noch unregelmäßiger, nachdem er sich im relativ jungen Alter von 43 Jahren nach dem US Open 1966 vom Schach zurückzog. Im Grunde genommen hörte Elmars nach seiner Übersiedlung in die Vereinigten Staaten auf, ernsthaft Schach zu spielen.

Elmars Beiträge an Caissa beschränkten sich nicht nur aufs Spielen allein. In den 1950ern war er der Partieredakteur für den "Washington Chess Letter". Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er war er für die Zeitschrift "Sacha Pasaule" für die Rubrik zuständig, die sich der Lettischen Eröffnung widmete. Zur Zeit arbeitet er als ehrenamtlicher Redakteur des "Latvian Correspondence Chess & Latvian Gambit Magazine".

Von Beruf ist Elmars Mathematikprofessor im Ruhestand am Highline Community College in Seattle und hat etliche Lehrbücher über Algebra, Analysis und verwandte mathematische Themen geschrieben. Er ist seit über 50 Jahren mit seiner Frau Cacilia verheiratet, was ganz sicher als der beste Zug betrachtet werden muss, den er je gemacht hat! Cacilia war stets eine große Förderin von Elmars Schachkarriere und ihr ist für die Archivarbeit zu danken, die ein Großteil des Materials bewahrt hat, das in diesem Werk enthalten ist.

 

 

Eine kurze Unterhaltung mit Elmars Zemgalis (2002)



Elmars Zemgalis und John Donaldson 1992


Wann und wo haben Sie in Deutschland gelebt? Es wird gesagt, dass Sie sich ab 1950 auf Ihr Studium konzentriert haben; was haben Sie generell in diesen Jahren in Deutschland getan?

Als ich noch in Lettland lebte, habe ich einen Abschluss am Institut für Lehrerausbildung in Jelgava gemacht, und später habe ich dann Medizin an der Universität von Riga studiert. In Deutschland habe ich von 1945 bis zu Beginn des Jahres 1952 gelebt. Nach langem Suchen habe ich schließlich mit der Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes meine Mutter gefunden und bin Anfang 1946 zu ihr in das Vertriebenenlager in Neunburg vorm Wald in Bayern gegangen. Bald darauf wurde ich in der gleichen Stadt zum Lagerverwalter des Vertriebenenlagers gewählt, in der ich später meine Frau Cacilia treffen sollte. Bis zur Währungsreform im Juni 1948 war ich auch an der juristischen Fakultät der Universität von Erlangen eingeschrieben und studierte internationales Recht. Wie jedem anderen damals fehlten mir die Mittel, und deshalb musste ich mein Studium aufgeben und bin nach Esslingen in Baden-Württemberg gezogen, um die Stelle eines Arbeitsvermittlers im Hauptquartier der Internationalen Flüchtlingsorganisation (IRO) in Stuttgart/Nellingen anzutreten, das 1951 nach Ludwigsburg verlegt wurde. Dort lebten Cacilia und ich bis wir Anfang 1952 in die Vereinigten Staaten gezogen sind.

Elmars Zemgalis und seine Frau Cacilia


Sie waren offensichtlich stark genug, um ein erfolgreicher Berufsspieler zu werden. Wie haben Sie damals über diese Frage gedacht?

Die Frage, ob ich Berufsschachspieler werden sollte, ist mir nie in den Sinn gekommen. Die finanziellen Schwierigkeiten, die Aljechin, Bogo, Sämisch usw. durchmachten, standen mir nur zu deutlich vor Augen.

Wie war das Verhältnis zwischen den deutschen Spielern und den Spielern aus den baltischen Staaten?

Ich kann die deutschen Schachveranstalter und Spieler nur loben. Zum Beispiel hat der Württembergische Schachverband seine Regeln geändert, um mir den Titel des Verbandsmeisters verleihen zu können, obwohl ich kein deutscher Staatsbürger war. Mein Abschiedsturnier in Stuttgart 1951 wurde vom Stuttgarter Bürgermeister gesponsort. Es scheint, als seien die baltischen Schachspieler von ihren deutschen Gastgebern mit Respekt behandelt worden.

Welche Gründe hatten Sie, damals in Deutschland nicht öfter zu spielen, war es ein Mangel an Zeit oder ein Mangel an Gelegenheit?

Meine Vollzeitarbeit für die IRO und mein Studium an der Universität von Erlangen nahmen viel Zeit in Anspruch. So musste ich beispielsweise Sonderurlaub beantragen, um am Turnier in Oldenburg teilnehmen zu können. Allerdings konnte ich den Kontakt zu den Schachvereinen in Stuttgart, Esslingen und Ludwigsburg aufrecht erhalten.

 

Alle Texte: John Donaldson in: Zwei Meister aus Seattle, als CD bei ChessBase erschienen


 


William John Donaldson, geb. 1958, ist Internationaler Meister (Elo 2400, mit zwei GM-Normen) und lebt in San Francisco. Von 1986 bis 1996 war bei Kapitän der US-Mannschaft bei sechs Schacholympiaden. Donaldson ist im US-Schachverband und als Publizist aktiv und hat als Schachhistoriker mehrer Biografien über verschiedene Schachmeister geschrieben.

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