Endspielrätsel: Hat Kasparov eine gute Chance verpasst?

von Karsten Müller
11.03.2021 – Karsten Müller geht wieder auf Spurensuche im Endspiel. Dieses Mal beschäftigt er sich mit der 27. Partie des 1. Weltmeisterschaftkampfs zwischen Titelverteidiger Anatoly Karpov und Herausforderer Garry Kasparov, die allgemein als Musterbeispiel für Karpovs herausragende technische Fähigkeiten gilt. Aber wie gut haben Karpov und Kasparov das Endspiel in dieser Partie wirklich gespielt?

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Die 27. Partie des 1. Weltmeisterschaftkampfs 1984/1985 zwischen Titelverteidiger Anatoly Karpov und Herausforderer Garry Kasparov ist legendär. Der Wettkampf begann am 10. September 1984 und endete am 13. Februar 1985, Sieger sollte sein, wer zuerst sechs Partien gewann, Remis zählten nicht. Aber nach nur neun Partien lag Karpov bereits mit 4-0 in Führung und der Wettkampf schien entscheiden zu sein. Doch dann folgte eine Serie von 17, teilweise sehr kurzen und langweiligen Remispartien, bis Karpov in der 27. Partie schließlich ein weiterer Sieg gelang und er mit 5-0 in Führung ging.

Aber in den dann noch folgenden 21 Partien konnte Karpov keine einzige Partie mehr gewinnen und nach insgesamt 48 Partien wurde der Wettkampf beim Stand von 5-3 für Karpov schließlich ohne Sieger abgebrochen.

Der zweite WM-Kampf zwischen Karpov und Kasparov begann ein halbes Jahr später, am 3. September 1985. Kasparov gewann nach 24 Partien mit 13-11 und war neuer Weltmeister.

Allerdings ist die 27. Partie des 1. Wettkampfs zwischen diesen beiden großen Rivalen nicht nur legendär, weil es Karpovs letzter Sieg im 1. WM-Kampf war, sondern auch, weil Karpov in dieser Partie sein großes technisches Können zu demonstrieren schien. Nachdem er Kasparov in der Eröffnung überrascht hatte, stand eine scheinbar ausgeglichene Stellung auf dem Brett, in der Karpov nach starkem Spiel bald einen Bauern gewann. Besonders sein paradox wirkender 17. Zug (17.Tfc1), mit dem er seinen Turm scheinbar sinnlos auf die c-Linie hinter den weißen Bauern auf c3 stellte, sorgte für Aufsehen.

Karpovs Technik ist legendär und tatsächlich schien er die Partie nach dem Gewinn des Bauern souverän zum Sieg zu führen. Aber wie Jan Timman in seinem schönen Buch The Longest Game berichtet, einer aufschlussreichen und packend geschriebenen Betrachtung der fünf Weltmeisterschaftskämpfe zwischen Karpov und Kasparov, war Kasparov nicht der Meinung, dass Karpov die technische Phase  besonders stark behandelt hätte.

So hat sich Karsten Müller das Endspiel in dieser Partie noch einmal gründlich angeschaut und lädt die ChessBase-Leser ein, mit ihm auf Spurensuche zu gehen. Hat Karpov – wie bislang allgemein angenommen – das Endspiel in dieser historischen Partie wirklich gut gespielt, oder hat Kasparov recht, wenn er behauptet, dass dieses Endspiel eine ganze Reihe von Fehlern enthält?

 

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Karsten Müller gilt als einer der größten Endspielexperten weltweit. Dazu hat sein zusammen mit Frank Lamprecht verfasstes Buch „Grundlagen der Schachendspiele“ ebenso beigetragen wie seine Kolumnen auf der Webseite ChessCafe sowie im ChessBase Magazin. M.s ChessBase-DVDs im Fritztrainer-Format über Endspiele sind Bestseller. Der promovierte Mathematiker lebt in Hamburg, wo er auch für den HSK viele Jahre in der Bundesliga auf Punktejagd ging.

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