Ennio Morricone gestorben

von André Schulz
06.07.2020 – Eigentlich wollte Ennio Morricone Schachprofi werden. Doch dann merkte er, dass sein musikalisches Talent viel größer war als sein Schachtalent. Er wurde Komponist und schuf großartige Filmmusiken. Seiner Liebe zum Schach blieb er treu. Heute Nacht starb er im Alter von 91 Jahren in Rom. | Foto: Kommune Turin

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Zum Tod von Ennio Morricone

 

“Ich glaube, Schach ist das beste Spiel, weil es eben nicht nur ein Spiel ist. Alles steht auf dem Spiel: die Regeln der Moral, des Lebens, es geht um Vorsicht und die Entschlossenheit, ohne Blutvergießen zu kämpfen, den Willen zu gewinnen und zwar korrekt – mit Talent anstelle von reinem Glück."

Diese schöne Charakterisierung des Schachspiels gab Ennio Morricone in einem Interview, das er 2019 für The Paris Review gab. Johannes Fischer hat es dort entdeckt und für seine Serie über "zufällige Zitate" in seinem Kultur-und Schachblog "Schöner Schein" ins Deutsche übersetzt. Morricone führte weiter aus:

"Wenn man diese kleinen hölzernen Figuren in den Händen hält, dann werden sie mächtig, denn sie absorbieren die Energie, die man bereit ist, auf sie zu übertragen. Schach ist lebendig und voller Kampf. Es ist der gewalttätigste Sport, den man sich vorstellen kann, man kann es mit Boxen vergleichen, allerdings ist es sehr viel ritterlicher und raffinierter."

Mit elf Jahre lernte Ennio Morricone (geb. 1926) das Schachspiel. Im Alter von 18 Jahren gab Morricone seine Bemühungen, Schachprofi zu werden, jedoch auf. Er studierte am Konservatorium von Santa Cecilia Chormusik und Trompete und schloss 1946 mit einem Diplom ab. Danach arbeitete er als Theaterkomponist und bei einem Radiosender. Es folgte eine weitere Ausbildung am Konservatorium, die Morricone 1953 mit einem Diplom im Komponieren erfolgreich abschloss.

Ennio Morricone, Franco Evangelisti und Egisto Macchi beim Schach  (1959)

1961 komponierte Morricone seine erste Filmmusik. 1964 wurde er vom Regisseur Sergio Leone angesprochen, mit dem Morricone zusammen in die gleiche Schulklasse gegangen war. Morricone komponierte die Musik für Sergio Leones Western "Für eine Hand voll Dollar."

Mit seinen Melodien zu Sergio Leones Western wirkte Morricone stilbildend und wurde weltberühmt. Über die vielen Jahre seines Schaffens hat er die Musik für 500 Filme komponiert. Einige seiner Melodien, so zum Beispiel aus den Filmen  "Für eine Handvoll Dollar", "Zwei glorreiche Halunken" oder "Spiel mir das Lied vom Tod" sind längst absolute Klassiker der Filmmusik.

Morricone wurde mehrfach für den Oscar nominiert und erhielt seinen ersten Oscar 2007 für sein Lebenswerk, überreicht von Clint Eastwood, der in einigen der von Morricone musikalisch begleiteten Filme die Hauptrolle spielte. 

Morricones Meisterwerke

Quentin Tarantino erweckte in den letzten Jahren das Genre des Westerns zu neuem Leben und ließ sich natürlich für seinen Film "The Hateful Eight" von Ennio Morricone die Filmmusik komponieren.

"Als ich die Musik für The Hateful Eight von Tarantino komponiert und das Drehbuch gelesen habe, sah ich die Spannung, die sich im Stillen zwischen den Figuren aufbaut, und das hat mich an die Gefühle erinnert, die man im Laufe einer Schachpartie entwickelt. Doch im Gegensatz zu den Filmen von Tarantino gibt es in diesem Sport kein Blutvergießen und keine körperlichen Verletzungen. Dennoch ist nichts am Schach entrückt. Ganz im Gegenteil, das Spiel wird von einer sprunghaften und stillen Spannung beherrscht. Manche sagen sogar, dass Schach lautlose Musik ist, und für mich ist Schach spielen ein bisschen wie komponieren,” erinnerte sich Ennio Morricone im Interview mit The Paris Review.
 

Für die Musik zu "The Hatefull Eight" erhielt Ennio Morricone 2016 seinen zweiten Oscar. Neben dieser Würdigung wurde der Komponist im Laufe der Jahre mit unzähligen weiteren Auszeichnungen gewürdigt.

Während seiner langen Karriere als Komponist und Dirigent hat Ennio Morricone seine Liebe zum Schach stets gepflegt. Morricone verfolgte das nationale und internationale Turniergeschehen mit Hilfe von Schachzeitungen, ließ sich gerne zu Simultanvorstellungen einladen und spielte gelegentlich Turniere mit. Sogar Schachtraining nahm er, unter anderem von IM Stefano Tatai. Morricone erreichte eine Spielstärke von ca. 1800. "Wenn ich konsequenter trainiert hätte, wäre ich bestimmt besser als Kasparov geworden," meinte er einmal augenzwinkernd in einem Interview.

Besonders stolz war Morricone auf ein Remis, das er einmal bei einem Simultan von Boris Spassky erzielen konnte. Zwei seiner Partien, gegen GM Sergio Mariotti und gegen GM Judit Polgar sind erhalten.

 

Die Partie gegen Judit Polgar wurde 2004 gespielt, als die weltbeste Frau anlässlich des EU-Beitritts von Ungarn als Botschafterin ihres Landes in Rom weilte. Judit Polgar ist begeisterte Liebhaberin der Moricone-Musik freute sich über das Zusammentreffen mit Starkomponisten.

Judit Polgar und Ennio Morricone

 

Regelmäßig besuchte Morricone als prominenter Schachliebhaber und Ehrengast auch Turniere des italienischen Verbandes.

Prominenter Kiebitz

Morricone im Interview mit Adolivio Capece, links: Michele Cordara, Presidente de Società Scacchistica Torinese

Ennio Morricone spielt gegen Mario Fabbri, Meisterspieler aus Turin

Ennio Morricon starb in der Nach zum 6. Juli 2020 in einem Krankenhaus in Rom an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs, den er sich einige Tage zuvor bei einem Sturz zugezogen hatte.

Johannes Fischer über Ennio Morricone...

Interview bei The Paris Review (2019)...

Interview bei Dago Spia...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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