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"Die Lust am Denken"
Von André Schulz
Fotos: Benjamin Bartels, André Schulz
Dr. Emanuel Lasker
Wer in einer immer komplexer werdenden Welt mit vielen Informations- und
Unterhaltungsangeboten als Sport auf sein Angebote aufmerksam machen möchte, braucht leuchtende
Aushängeschilder. Für das deutsche Schach, sogar für das Schach insgesamt, könnte diese Rolle die
Lasker-Gesellschaft übernehmen, die seit ihrer Gründung vor vier Jahren bereits
eine Menge für die deutsche - und nicht nur diese - Schach-Kultur bewegt hat.
Die
Galionsfigur der Lasker-Gesellschaft ist ihr Namensgeber, der Mathematiker,
Philosoph und langjährige Schachweltmeister Dr. Emanuel Lasker. Heute wäre
Lasker ein absoluter Superstar, eine Art Über-Kasparov. Ebenso erfolgreich wie
dieser im Schach, aber zusätzlich noch mit einem fundierten akademischen
Hintergrund ausgerüstet. Und genau das war er zu seiner Zeit auch. Seine Schwägerin, Gattin seines
ältesten Bruders Berthold, war die Dichterin Else Lasker-Schüler, der
Expressionist Max Oppenheimer malte Portraits von ihn, Lasker spielte Schach mit
Max Planck und zählte Albert Einstein zu seinen Freunden.
Als die
Nationalsozialisten Deutschland gleichschalteten, störte der jüdische
Schachweltmeister das gewünschte Bild und sie ließen seinen Namen aus den Schachwerken
streichen. In den zertrümmerten Ruinen Nachkriegsdeutschlands gab es
dann dringendere Probleme als eines Schachweltmeisters zu gedenken und später, als
man wieder Muße hatte, sich zu erinnern, war sein Abbild schon ziemlich verblasst. Und
zwischen ihm und heute liegt auch noch der Riegel, den die Nazis über den Juden
gehängt hatten, und der den Zugang bis jetzt erschwert.
Vielleicht hat manch einer auch schon daran gedacht, aber Paul Werner Wagner war dann derjenige, der sich für die Gründung einer Lasker-Gesellschaft einsetzte, und diese 2001 zusammen mit Freunden und Gleichgesinnten im Rahme einer parallel organisierten Lasker-Konferenz realisierte.
Paul Werner Wagner ins einem Element
Schnell gesellten sich viele Schachfreunde hinzu, die Schach nicht nur als sportlichen Wettkampf, sondern vor allem auch als Teil menschlicher Kultur verstehen und denen dabei die Schachgeschichte, mit Lasker als wichtigem Bestandteil, am Herzen liegt. Berühmte Großmeister wie Viktor Kortschnoj, Yuri Averbach, Lothar Schmid, Wolfgang Unzicker oder Wolfgang Uhlmann waren von Anfang an dabei.
Yury Averbach
Wolfgang Unzicker dankte für die Ehrung zum 80sten Geburtstag
Anatoly Karpov ist kürzlich bei getreten. Ebenso der Schachhistoriker Isaak Linder, der 1935 gegen Lasker in Moskau im Simultan gespielt hat und dem Lasker anschließend zur guten Partie gratuliert hat (Jeder, der ihm die Hand schütteln darf, ist nur ein Handschlag von Emanuel Lasker entfernt!) . Außerdem viele Wissenschaftler, Schachistoriker, die Chess Collectors um den Sammler Dr. Thomas Thomsen, Journalisten, Schachfreunde.
Averbach, Linder, Kortschnoj an dem Tisch, an dem 1910 die Weltmeisterschaft
Lasker gegen Schlechter gespielt wurde.
Issak Linder überbrachte die Grüße des Russischen Verbandes
Mit dem Beitritt des Geschäftsführers der Berliner Werbeagentur Dorland Stefan Hansen zum Präsidium der Lasker-Gesellschaft eröffneten sich nun neue Möglichkeiten, denn Dorland bzw. Stefan Hansen konnte Räumlichkeiten in dem seinem weiträumigen Sitz seiner Agentur zu Nutzung bereit stellen, wodurch die Idee einer Lasker-Ausstellung, aus vielleicht einmal ein Schachmuseums erwachsen könnte, aus den Träumen in die Wirklichkeit versetzt werden konnte.
Nach langer und harter Arbeit war es dann am letzten Donnerstag soweit. Im Rahmen eines Lasker-Wochenende wurde die Ausstellung unter dem Titel "Die Lust am Denken", einem Zitat aus Laskers Handschriften, im Dorland-Gebäude in Berlin Kreuzberg eröffnet (Besuch der Ausstellung nur nach telefonischer terminvereinbarung mit Susanna Poldauf: 030 22 488858).
Die Lasker-Gesellschaft versteht diese Ausstellung als ersten Schritt eines Vorhabens, in dessen Verlauf in Berlin ein deutsches, vielleicht sogar europäisches Schachzentrum entstehen soll. Für dieses stünden die großen Sammlungen an Büchern - von Lothar Schmid - und Spielen - von Dr. Thomas Thomsen - zum Erwerb bereit, doch wäre dies ohne öffentliche Gelder nicht realisierbar. Nun hofft man, mit dieser ersten Ausstellung - weitere sollen folgen - der Öffentlichkeit, genau genommen: der öffentlichen Hand, das Kulturgut Schach in angemessener Weise zu präsentieren und für das Kulturgut Schach zu werben. Eine Werbeagentur ist eigentlich der beste Platz dafür.
Dr. Thomas Thomsen (re.) erläutert Matthias Wüllenweber seine
Ausstellungsstücke
Die Person Emanuel Laskers bietet beste Voraussetzungen, die manchmal divergierenden Kräfte im Schach zu einigen, denn es gibt für viele, vielerlei Gründe, warum man sich mit Lasker identifizieren und ihn zu seinem Idol erheben kann. Geboren wurde er als Sohn des Kantors Adolf Lasker und seiner Ehefrau Rosalie Israelssohn in dem pommerschen Örtchen Berlinchen, das heute Barlinek heißt. Damals gehörte Pommern zu Deutschland, heute zu Polen und damit haben beide Nationen Grund, Lasker zu feiern. In Barlinek wird von dieser Möglichkeit auch eifrig Gebrauch gemacht und Polen entsandte 2001 zur Lasker-Konferenz seinen Botschafter. Lasker war außerdem einer von vielen deutschen Juden, die so nachhaltig an dem dynamischen Aufschwung und der Kultur des jungen deutschen Staates beteiligt waren, dass man die Ursache der folgenden Feindseligkeit mit seinen grausamen Konsequenzen rational nie begreifen wird. Auf seinem Lebensweg machte er in vielen Städten Station - u.a. Berlin, London, Moskau und New York. Die russische Delegation mit Yuri Averbach und Isaak Lindner, regelmäßiger Gast auf allen Veranstaltungen der Lasker-Gesellschaft, betont immer wieder den bedeutenden Einfluss, den der deutsche Weltmeister mit seinen Turnierteilnahmen und seinem Aufenthalt in Moskau auf die Entwicklung des Schachs in Russland hatte.
Für die Zusammenstellung der Lasker-Ausstellung ist Susanna Poldauf verantwortlich, die sich als Kuratorin auch um die Beschaffung der Exponate gekümmert hat.
Susanna Poldauf
Rainer Wosin (ChessBase) bewundert die Ausstellungsgegenstände
Alte und neue Bücher
Modell des geplanten Wiederaufbaus des Laskerhauses in Tyhrow
Das Laskerhaus
Die Familie Lasker in Berlinchen, heute Barlinek
Gedenkmünzen
Schachkunstwerk mit einer handschriftliche Äußerung von Albert Einstein über
seinen Freund Lasker
Dabei hat schon diese Ausstellung einige neue Erkenntnisse gebracht, denn es wurden bisher unbekannte Korrespondenzen Lasker gesichtet, aus denen hervor geht ,dass der einzige deutsche Schachweltmeister Deutschland nicht erst mit der Machtergreifung der Nazis verlassen hatte, sondern schon vorher wegen der Weltwirtschaftskrise, die ihm in Deutschland die materielle Lebensgrundlage entzogen hatte. Bereits 1929 war Lasker nicht mehr in Deutschland.
Die Ausstellung zeigt eine Reihe von Gegenständen, die direkt in Verbindung mit Lasker stehen: von ihm geschriebene Bücher über Schach, Bridge oder sogar Skat. das von ihm erdachte Lasca-Spiel oder Handschriften aus seiner Korrespondenz. Ein Nebenthema der Ausstellung ist "Schach in Krieg und Gefangenschaft". Hierzu war u.a. ein Spiel zu sehen, an dem sich eine bewegte, teils tragische Geschichte knüpft, die der Ehrengast Edzard Reuter in bewegenden Worten erläuterte.
Ehrengast Edzard Reuter mit Gastgeber Stefan Hansen
Petra Kortschnoj
Petra Kortschnoj, die 1946 in Wien von den
Russen als vermeintliche Anhängerin eines Leipziger katholischen
Studentenführers verschleppt wurde und 10 Jahre in sibirischen Lagern
verbrachte, hatte Zeugnisse ihrer Gefangenschaft - ein Buch als Preis für ein
gewonnenes Schachturnier und eine Urkunde, im sibirischen Workuta ausgestellt -
zur Verfügung gestellt.
Johannes Fischer, Autor und Übersetzer, u.a. für "Karl"
Die Gäste der Eröffnung wurden gleich von der besonderen Atmosphäre der Ausstellung gefangen genommen, durch viele liebevoll gestaltete Details erzeugt. Dabei stand ein Schreibtisch im Mittelpunkt, der als "interaktives Element" (Poldauf) Laskers Schreibtisch darstellte.
Blick über den nachempfundenen Schreibtisch Laskers
Figuren aus dem besitz von Dr. Thomas Thomsen
Alte Bücher
Auf diesem herrschte eine furchtbare Unordnung um eine alte Schreibmaschine herum, in die noch ein Blatt Papier mit zahlreichen korrigierten Tippfehlern - gleich ist der Autor dadurch jedem sympathisch, der selber schreibt - eingespannt war. Überall lagen alte Bücher zu allen möglichen Themen herum. Neben der Schreibmaschine wartete eine dicke Zigarre darauf, angezündet und verbrannt zu werden, was gottlob nicht geschah, aber wahrscheinlich sogar erlaubt gewesen wäre. An einer gegenüber liegenden weißen Wand hatte man die Handschrift aus einem von Laskers Briefen in riesiger Schrift auf die Wand übertragen.
So wurde die Ausstellung von den Gästen entsprechend begeistert aufgenommen.
Stefan Hansen dankte in seiner Ansprache allen, die bei der Realisierung
geholfen hatten, darunter den Mitarbeitern seines Hauses, die wegen der
Inanspruchnahme durch das Projekt bald schon "dachten, sie seien in einem
Schachklub und nicht in einer Werbeagentur angestellt".
Andreas Kaulich sorgte für alles mögliche, u.a für stabile Internetleistung
Die fleißigen Dorland -Mitarbeiter, Andreas Kaulich, Stefanie Krause und viele
anderes, hielten sich bei der Eröffnung im Hintergrund und freuten sich, dass
alles wie geplant funktionierte
Ein besondere Dank ging an Susanna Poldauf, die mit immensem Engagement der
Ausstellung ein faszinierendes Gesicht gab und in ihrer Rede vor allem der
Hoffnung Ausdruck gab, "die Vitrinen mögen bitte nicht zusammen krachen".
Gedankt wurde den Geldgebern: neben dem Dorland waren dies u.a. ChessBase und
Raj Tischbiereks Excelsior-Verlag. Paul Werner Wagner würdigte die Person
Laskers und erzählte, wie alles begann.
Dr. Matthias Kribben sprach als Vertreter des Berliner Schachverbandes und
Isaak Lindner verlas ein Grußwort des Russischen Schachverbandes, der, wie
bereits erwähnt zu Lasker eine besondere Beziehung hatte. Schließlich sprach
Ehrengast Edzard Reuter über die Rolle des Schachs als bleibendes Gedankengut
in einer Welt, in der Globalisierung und neoliberaler Kapitalismus nur vorüber
gehende Eposiden sein werden. Und er erzählte, wie eines der
Ausstellungsstücke, ein kleines Spiel, seinen Weg hierher fand.
Foto unten: Wilhelm Leuschner
Das kleine trotz hübscher Holzfiguren kaum besonders wertvolle Schachspiel
hätte auch schon gleich in den dunklen Jahren bis 1945 abhanden kommen können,
besonders da einer seiner Besitzer, Wilhelm Leuschner, 1944 infolge des
Attentats vom 20. Juli hingerichtet wurde. Stattdessen wurde es innerhalb der
Familie von den Erben Leuschners bewahrt und von Generation zu Generation
weiter gereicht. Irgendwann verschwand es wohl in einer Umzugskiste und damit
zunächst aus den Augen. Schließlich fand eine Urenkelin Leuschners das Spiel
beim Aufräumen auf ihrem Dachboden. Und als sie die als Brett verwendbare
Holzkiste öffnete fand sie darin neben den Figuren die Namen von Ernst Reuter
und Wilhelm Leuschner und rief den Sohn von Ernst Reuter, Edzard Reuter, an.
Unmittelbar nachdem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, begannen sie anders Denkende - Politiker, Künstler, Intellektuelle - zu
verhaften und in Lager einzusperren. Die beiden verhafteten Arbeiterführer und
Sozialdemokraten
Reuter und
Leuschner trafen sich im
KZ Lichtenburg. Leuschner war schon vorher mehrfach von den Nazis verhaftet
und misshandelt worden. Im KZ wurde ihnen zugestanden, Schach zu spielen. Zum
Nachweis wurden ihre Namen auf dem Brett vermerkt. Beide kamen
1934 frei.
Reuter ging mit seiner Familie, darunter sein Sohn, der sechsjährige Edzard,
ins Exil in die Türkei während. Leuschner blieb in Deutschland. Als Inhaber
einer Aluminiumfabrik mit einigen kriegswichtigen Patenten bekam Kontakt zum
Widerstandkreis um Stauffenberg. 1944 wurde Leuschner nach dem missglückten
Attentat auf Hitler am 29. September in Berlin Plötzensee hingerichtet. Reuter
kehrte 1946 nach Deutschland zurück und nahm seine politische Arbeit auf. Er
wurde Oberbürgermeister von West-Berlin und war die Symbolfigur des
Durchhaltewillens der Berliner Bürger in der Zeit der Blockade. Berühmt ist
seine Rede vor der Ruine des Reichstags , in der er die Westmächte auffordert,
an Berlin festzuhalten: ("Ihr
Völker der Welt.., schaut auf diese Stadt..."). Als er 1953 64-jährig
überraschend an den Folgen einer Grippeinfektion stirbt, stellen die Berliner
spontan Kerzen in ihre Fenster. Eine Million Menschen geben ihm das letzte
Geleit.
Ernst Reuter war dem Schach sehr zugetan und in der für ihn schweren Zeit im KZ
Lichtenburg hat das Schach für ihn eine ganz besondere Rolle gespielt. Sein
Sohn Edzard, von 1987 bis 1995, Vorstandvorsitzender der Daimler Benz AG, hat
selber nur in frühester Jugend Schach gespielt, aber immer eine Beziehung zur
Jugendliebe gehabt ("Wie das so ist: Die erste Liebe vergisst man nie, aber man
hat sie nicht mehr."). Über seinen Freund Dr. Thomas
Thomsen war er aber zur Lasker-Gesellschaft gekommen und wusste auch von den
Plänen Paul Werner Wagner für eine Ausstellung "Schach in Krieg und
Gefangenschaft".
Als Edzard Reuter den Anruf von Leuschners Enkelin entgegen nahm und von dem
Fund erfuhr, war er sofort elektrisiert. Da man keinen sofortigen Termin für
die Übergabe fand, vertagte man sich auf später. In seiner Aufregung notierte
Edzard Reuter weder Namen noch Adresse oder Telefonnummer. Nachdem einige Zeit
vergangen war, traf er einen Bekannten, der in der Nähe des Ortes wohnte, wo
die Leuschner-Enkelin wohnte und erzählte ihm die Geschichte. Dieser hatte
sofort eine Idee, um wen es sich handeln könnte und tatsächlich konnte er
innerhalb weniger Tage den Kontakt wieder herstellen.
So kam dieses Schachspiel, um das sich viel deutsche Geschichte rankt, mit
Hilfe vieler Zufälle in den Besitz von Edzard Reuter und über ihn in zur
Lasker-Gesellschaft und die Lasker-Ausstellung. Doch ein Zufall fehlt noch.
Als sich Edzard Reuter und Stefan Hansen trafen, um einige Details zu
besprechen, und Hansen die Geschichte des Spiels erfuhr, holte er eine
Visitenkarte hervor und forderte Reuter auf, sich die Adresse anzuschauen. Die
Lasker-Ausstellung befindet sich nämlich im Haus der Dorland-Werbeagentur. Und
dieses, ein altes Senatsdepot, befindet sich im ... Leuschnerdamm.
Dorland-Haus am Leuschnerdamm
Zum Ausklang des offiziellen Teils der Eröffnung der Lasker-Ausstellung wurde in dem Teil der Ausstellung, der von ChessBase mit einer kleinen Computerschachretrospektive bestückt wurde, ein Schachkampf über das Internet gespielt.
Der Computerteil der Ausstellung
Matthias Wüllenweber (ChessBase) testet die Internetanbindung
Dazu nahm in Berlin der Freiburger Kabarettist Matthias Deutschmann Platz, in New York zu gleichen Zeit die vierfache Weltmeisterin Zsuzsa Polgar, die älteste der berühmten Polgar-Schwestern. So wurden auf zeitgemäße Weise zwei Orte miteinander verbunden, die Lebensstationen Lasker waren: In Berlin hatte er lange Zeit verbracht, New York war Schauplatz großer Turnierserfolge und dort starb er am Ende seines Lebensweges.
Zsuzsa Polgar
Matthias Deutschamnn war in seiner Jugend ein sehr starker Spieler, gehörte zum
deutschen Jugendkader und spielte für Zähringen in der Bundesliga.
Dann machte er Karriere als Kabarettist, ohne dabei jedoch die Verbindung zum Schach je zu
verlieren. Als das Schachprogramm Fritz sprechen lernte, tat es das mit der
Stimme Deutschmanns und mit dessen bissigem Spott. Es kommt vor, dass sich
Menschen im Supermarkt erstaunt umdrehen, wenn sie hinter sich Deutschmanns prägnante
Stimme hören, und ihn fragen, ob er möglicherweise etwas mit einem
Schachprogramm zu tun habe.
Als er gefragt wurde, ob er als prominenter Gast und Internet geschulter
Mausspieler - "Rasumovski" ist auf dem Fritzserver ein gefürchteter
Bulletspieler - nicht vielleicht gegen Zusuzsa Polgar in einer Schnellpartie
antreten wolle, hätte er eigentlich absagen müssen. Tags darauf hatte er einen
Auftritt im Bonner Pantheon und ein hektischer Umweg, noch dazu mit seiner
ständigen Requiste, einem Cello, im Gepäck, über Berlin, passte nicht in den
Terminplan. Andererseits: "Gegen Zsuzsa Polgar ...? Und sie hat tatsächlich
schon zugesagt?"
Nachdem er sich bereit erklärt hatte, befiel ihn in den folgenden Tagen
eine gewisse Nervosität: Hier der ausgebuchte Kabarettist und
nur noch Hobbyschachspieler, da die vierfache Weltmeisterin, die nach einer
Mutterschaftspause bei der Schacholympiade in Calvia ein grandioses Comeback
gefeiert hatte.
André Schulz, Matthias Deutschmann
Noch Minuten vor der Partie studierte er auf einem Notebook alle möglichen Eröffnungen und Varianten, untersuchte noch ein paar Spitzfindigkeiten im Aljechin-Chatard-Angriff - falls das aufs Brett kommt - und schaute sich noch dies und das an.
Vorbereitung am Notebook: Edzard Reuter will wissen, ob man mit Computerschach
die Jugendlichen erreicht. Rechts. Matthias Wüllenweber
Industriemanager und Kabarettist: Edzard Reuter und Matthias Deutschmann
Und dann war es soweit. Gespielt wurde mit 15 Minuten Bedenkzeit. Deutschmann hatte Weiß und machte das, wofür er auf der Bühne, aber auch auf dem Schachbrett bekannt ist: die Dinge mit großer Schärfe und Bissigkeit anzupacken.
Er wählte das Blackmar-Diemer-Gambit und brach bald alle Brücken hinter sich
ab. Die Weltmeisterin in New York hatte mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen
und musste sich umsichtig gegen Deutschmann verteidigen, wobei sie sich aber
noch die Zeit nahm, Deutschmann darauf hinzuweisen, dass sie ihre Schülern
lehrt, möglichst rasch zu rochieren.
Deutschmanns König war in der Mitte geblieben, Polgars allerdings auch. Fast
jeder der knapp 200 Gäste war in den Computerteil der Ausstellung gekommen, um
sich das Spektakel anzusehen, das mit Helmut Pfleger einen wie immer launigen
Kommentator hatte.
Juliane Mieke von der Hochschule für Film und Fernsehen, Potsdam, die gerade einen
Schachfilm gedreht hat.
Horst Metzing (Deutscher Schachbund) und Helmut Pfleger
Ganz am Ende lief Deutschmann schließlich der Angriff und auch die Zeit weg und er verlor die überaus spannende Partie. Zsusza Polgar hat sie kommentiert und meinte, dass Deutschmann immer viel Kompensation für seinen Bauern hatte und es permanent schaffte, Polgars König zu beunruhigen.
Dr. Helmut Pfleger
Schon während der Partie wies Helmut Pfleger auf eine mögliche verpasste Chance hin mit dem Vorstoß g4-g5 den Angriff weiter zu führen. Also nahm Matthias Deutschmann einen kurzen Imbiss, schnappte sich das dann nächst beste Schachbrett - ein Schachtisch, übrigens kein geringeres Möbel als der Originaltisch, an dem 1910 der Weltmeisterschaftskampf zwischen Emanuel Lasker und Carl Schlechter gespielt wurde - und analysierte zusammen mit einigen andern Schachenthusiasten die vielleicht verpassten Angriffsmöglichkeiten.
Matthias Deutschmann gegen Zsuzsa Polgar mit Anmerkungen von Zsusza Polgar...
Matthias Deutschmann gegen Zsuzsa Polgar mit ausführlichen Analysen von Matthias Deutschmann...
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