Eröffnungsübersichten in CBM 133

von ChessBase
17.12.2009 – Als Magnus Carlsen gleich in der ersten Runde des Turniers in Nanjing Peter Leko, der als Eröffnungsfuchs gilt, auf überzeugende Art überspielte, horchte die Schachwelt auf; denn der Norweger tat es mit Schottisch, eine Eröffnung, die in modernen Zeiten vor allem mit dem Namen Garry Kasparov verbunden ist, und der ist nun bekanntlich der Trainer von Carlsen. Igor Stohl hat die Partie zum Anlass genommen, um die zur Anwendung gebrachte Variante genauestens zu analysieren. Hier ist der komplette Artikel, einer von insgesamt 12 auf der DVD von CBM 133. Stohl: Schottisch mit 10.f4

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Revival eines weiteren Bauernopfers im Schotten mit 10.f4!?

Von Igor Stohl

 

Nach langen Jahren der Vernachlässigung wurde Schottisch, vor allem dank Garry Kasparov, zu einer aktuellen Eröffnung. Im letzten Teil des K&K-Epos 1990, als er Probleme hatte, aus dem Spanier hinreichend erstrebenswerte und attraktive Stellungen herauszuholen, überraschte er plötzlich seinen Herausforderer mit 3.d4. Das Ergebnis von 1,5/2 trug wesentlich zu seinem Matchgewinn bei; und auch anschließend blieb Schottisch ein Bestandteil seines Repertoires. Seine Gesamtstatistik verzeichnet mehr Siege als Remisen, und wie es sich für einen Champion ziemt, fand er bald Nachfolger. Starke Großmeister wie Radjabov, Rublevsky, Pavasovic usw. begannen, die Theorie dieser alten, aber nicht antiquierten Eröffnung selbstständig zu entwickeln.

Besonders energisch verfuhr Kasparov in seiner Praxis gegen das Abspiel 4...Sf6, was auch Karpovs Präferenz darstellte (übrigens war dies offenbar auch der einzige Schotte, den Kasparov als Schwarzer zu bestreiten hatte, nämlich gegen Radjabov in Linares 2004). Gegen den anderen Hauptzug, 4...Lc5, war Kasparovs Lieblingsabspiel 5.Sxc6 Df6 6.Dd2 dxc6 7.Sc3. Hier verlief sein Streben nach Vorteil allerdings weniger erfolgreich. Da auch die Folgeversuche mit 6.Df3 Weiß kaum etwas versprechen konnte, verlagerte sich die Aufmerksamkeit der Schachwelt wieder zugunsten von 5.Le3. Und obwohl Kasparov seine Profikarriere im März 2005 beendete, spiegelt seine jüngste Zusammenarbeit mit Magnus Carlsen diesen Umschwung wieder. Bei ihrer Vorbereitung für Nanjing 2009 griff das dynamische Duo dieses Abspiel auf und bereicherte ein bereits bekanntes Bauernopfer (von Chigorin schon im Jahr 1880 gespielt!) mit einigen frischen Analysen und neuem Inhalt. Selbiges erlaubte Carlsen, den Wettbewerb mit einem beeindruckenden Sieg zu beginnen, und wird das Thema unseres Artikel sein.

 

Die Ausgangsstellung entsteht nach den Zügen 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Sxd4 Lc5 5.Le3 Df6 6.c3 Sge7 7.Lc4 Se5 8.Le2 Dg6 9.0-0 d6 10.f4!?  

Die Anmerkungen zu der Schlüsselpartie Carlsen,M - Leko,P 1-0 befassen sich auch kurz mit früheren Abweichungen in den vorigen Zügen. Ein Teil des Gebiets wurde in der Vergangenheit bereits von anderen Autoren behandelt. So gab es zu 6.Sb5 einen Artikel von Postny im CBM 113, 7.g3 wurde von Lukacs und Hazai im CBM 114 analysiert; daher habe ich versucht, mich auf die jüngsten Entwicklungen zu konzentrieren. Die Kommentare beinhalten zudem die aktuellen Bekämpfungsmethoden der Hauptalternativen von 10.f4!?, nämlich 10.f3 und 10.Kh1.

Die Annahme des Bauernopfers gilt nun praktisch als erzwungen, da 10...Sg4 11.Lc1 ziemlich zweifelhaft ist. Zwar liefert auch 10...Lh3!? wie in Crespo,R - Ramirez,A ½-½ vielleicht tatsächlich Stoff zum Nachdenken, wir aber befassen uns in der Folge mit der Standardreaktion 10...Dxe4 11.Lf2.

Hier geben Springerzüge Weiß die Chance, die Dame zu gewinnen. Obwohl Schwarz sowohl nach 11...S5c6 (siehe Dembo,Y - Mancini,M 1-0) als auch 11...Sd7 in Steingrimsson,H - Lukacs,P 1-0 formell gesehen über ausreichende materielles Äquivalent verfügte, hat er eindeutig damit zu kämpfen, seine Kräfte zu koordinieren, und Weiß kann auf einen merklichen Vorteil pochen.

Daher lautet die Hauptfortsetzung zweifellos 11...Lxd4 12.cxd4, und nun steht der schwarze Springer erneut am Scheideweg.

12...S5c6? 13.Sc3 ist schwächer, da der erstrebenswerte d5-Vorstoß ein Tempo gewinnen wird.

Der Rückzug 12...Sd7 geschieht sehr selten, vor allem, da dies nicht die schwarze Entwicklung fördert. Andererseits will der Nachziehende das Feld d5 fest in den Griff bekommen; in der Partie Merlini,D - Andresen,T ½-½ gelang es ihm, nach kurzem taktischen Handgemenge das Gleichgewicht zu halten. Trotzdem ist klar, dass er derjenige ist, der um Ausgleich kämpfen muss; die Anmerkungen weisen auf einige mögliche Alternativen/Verbesserungen für Weiß hin.

All dies bringt uns zum Hauptzug, der eindeutig 12...S5g6 ist.

Hier startete Weiß zunächst mit dem direkten 13.Sc3 Dxf4 14.Sb5 0-0 15.Sxc7 Tb8. Obwohl er anfangs gute Resultate erzielte, begann sich das Blatt allmählich zu wenden, und Schwarz fand seinen Weg. So kann weder 16.Sb5 (wie in Gelfand,B - Beliavsky,A 1-0) noch 16.d5 dem Anziehenden einen Vorteil versprechen; ganz im Gegenteil, er muss sorgfältig spielen, um die Balance zu halten. Im letzteren Fall hat Schwarz sogar die Wahl zwischen 16...Dg5 (Markus,R - Hernandez Molina,D 0-1) und 16...b6!? (Morozevich,A - Balashov,Y 1-0).

Zweifellos wusste Carlsen als dies und bevorzugte die zurückhaltendere Methode mit 13.g3!, wonach wiederum Schwarz vor einer schwierigen Wahl steht.

 

A) Die natürliche Reaktion 13...0-0 14.Sc3 Df5 15.d5 führt zu einer interessanten Stellung, in der Schwarz schwere Probleme mit der Koordination seiner Leichtfiguren hat, die sich gegenseitig im Weg stehen. Außerdem hat Weiß Raumvorteil, und all dies gibt ihm ernste langfristige Kompensation für den Bauern.

Hier waren die direkten Versuche, die schwarze Stellung nach 15...Td8 durch Vorrücken des c-Bauern zu befreien, sowohl in Slugin,S - Bykov,A 1-0 als auch Dembo,Y - Stefanova,A 1-0 zum Scheitern verurteilt.

Langsameres Vorgehen mit 15...a6 16.Te1 vermag die Probleme von Schwarz ebenfalls nicht vollständig zu lösen und ließ ihn sowohl in Carlsen,M - Leko,P 1-0 als auch dem jüngeren Beispiel Ganguly,S - Acs,P ½-½ rackern.

 

B) Schwarz hat allerdings schon früher eine Alternative, nämlich den aktiven Ausfall 13...Lh3!?, was nach 14.Lf3 Df5 15.Te1 d5 (15...c6!? wie in Namyslo,H - Gutsche,D ½-½ verdient ebenfalls Aufmerksamkeit) 16.Db3 0-0 17.Sc3 zu einer weiteren für dieses Abspiel wichtigen Stellung führt. Weiß wird den Bauern zurückerobern; es liegt bei Schwarz, den besten Weg zu dessen Rückgabe zu wählen.

Nach 17...c6 18.Dxb7 kann Weiß in Hoefer,H - Berkley,S ½-½ womöglich auf einen leichten Vorteil pochen, obwohl bislang alle bekannten Partien aus dieser Stellung friedlich endeten.

Beeindruckender wirkt aber der neueste Versuch von Schwarz; mit 17...Lg4! verbessert er die Stellung seines Läufers, bevor er c6 spielt. In Nakamura,H - Grischuk,A ½-½ fand der Anziehende nichts Besseres, als schnell mit 18.Lxd5 die Reißleine zu ziehen. Somit scheint das Fazit zu sein, dass falls Weiß nichts gegen den cleveren Zwischenzug 17...Lg4! vorweisen kann, das gesamte 10.f4!?-Abspiel keine ernste Gefahr für Schwarz darstellt.


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