Erinnerung an Eva Moser

von ChessBase
20.01.2021 – Vor knapp zwei Jahren verstarb in jungen Jahren die österreichische Großmeisterin Eva Moser. Michael Ehn, Kurt Jungwirth und Markus Ragger haben nun ein sehr schönes und umfangreiches Gedenkbuch zum Leben und zur Schachlaufbahn dieser herausragenden Schachspielerin veröffentlicht.

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Das österreichische Schach kann auf einige herausragende Schachspielerinnen zurückblicken. Paula Kalmar-Wolf, Gisela Harum oder Salome Reischer vertraten Österreich sogar bei Frauenweltmeisterschaften. Die beste Schachspielerin, die aber jemals in Österreich geboren wurde, war Eva Moser. Sie hatte zwar keine Gelegenheit, um die Weltmeisterschaft zu spielen wie ihre Vorgängerinnen, doch Eva Moser vertrat ihr Land ganz hervorragend bei vielen anderen internationalen Turnieren.

Am 26. Juli 1982 im Örtchen Tamsweg geboren und in Spittal an der Drau aufgewachsen, begann Eva Moser mit zehn Jahren mit dem Turnierschach. Nach dem Wechsel aufs Gymnasium meldete sich auf Anregung eines Klassenkameraden in der Schachgruppe an und zeigte ihr besonderes Talent schon nach wenigen Monaten bei einem Schulschachturnier in Klagenfurt, wo sie als Jüngste der Schulauswahl vier Partien gewann und einmal remisierte. Bald darauf wurde sie im Schachklub in Spittel angemeldet, was sehr ungewöhnlich für ein Mädchen ihres Alters war. Rasch wurde man auch im Österreichischen Schachbund auf das herausragende Talent aufmerksam. Achtmal spielt Eva Moser bei Jugendmeisterschaften der Altersklassen U10 bis U14 mit und gewinnt achtmal. 1994 nahm sie an an der Jugendweltmeisterschaft U14w in Szeged teil und belegt den achten Platz. 1998 fand die Jugendeuropameisterschaft in Österreich statt und Eva Moser wurde trotz starker Konkurrenz aus vielen osteuropäischen Staaten zusammen mit Ana Matnadze Zweite der U16w-Meisterschaft. Bei der folgenden Jugendweltmeisterschaft wurde sie Fünfte, ein Erfolg, der noch höher zu bewerten ist.

Nach der Matura begann Eva Moser in Graz ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Nebenher spielt sie Schachturniere und erhält punktuell auch Training. Vieles brachtet sie sich aber selber aus Büchern bei. Eva Moser schloss ihr Studium mit dem Bachelor ab und strebte eine Karriere als Profischachspielerin an. Nachdem Schach 2005 in Österreich als Sport anerkannt wurde und der Verband öffentliche Förderung erhielt, übernahm Zoltan Ribli das Training der Kader- und Nachwuchsspieler, was auch Eva Moser zugute kam.

Eva Moser verstand von Anfang an, dass man als Frau den Wettbewerb mit den männlichen Spielern suchen musste, um sich weiterzuentwickeln. Und das machte sie auch. 2000 nahm Eva Moser erstmals in der österreichischen Frauennationalmannschaft an der Schacholympiade teil. 2004 vertrat sie Österreich aber schon am ersten Brett in der allgemeinen Mannschaft. Und 2006 gewann Eva Moser sogar die allgemeine österreichische Landesmeisterschaft. Als erste Österreicherin wurde ihr 2003 der Titel einer Frauen-Großmeisterin verliehen (WGM). Mitte der 2000er Jahre war Eva Moser der/die beste Spieler(in) Österreichs. Es gab in der Geschichte des Schachs bisher nicht viele Länder, in denen eine Frau leistungsmäßig an der Spitze des Schachsports stand. Eva Moser gelang dieses Kunststück.

Neben den Turnieren betätigte Eva Moser sich als Autorin, schrieb regelmäßig für die österreichische Verbandszeitschrift Schach aktiv, hielt Vorträge und nahm in Hamburg bei ChessBase einige DVDs auf. 

2015 verschwand Eva Moser jedoch plötzlich aus dem öffentlichen Schachleben und zog sich auch vom Turnierschach zurück. Sie war an Leukämie erkrankt. Am 31. März 2019 starb Eva Moser. Sie wurde nur 37 Jahre alt. 

Nun veröffentlichten Michael Ehn, Kurt Jungwirth und Markus Ragger ein schönes Buch, das auf anrührende Weise an diese herausragende Schachspielerin erinnert: Eva Moser: Phantasie und Präzision auf dem Schachbrett.

Das Buch gliedert sich in drei Teile und neun Kapitel. Im ersten Abschnitt gibt der Schachhistoriker Michael Ehn zunächst einen Überblick über die Geschichte des Frauenschachs in Österreich vor Eva Moser. Den Erinnerungen von Kurt Jungwirth an die Großmeisterin ist ein liebevoll zusammengestelltes Fotoalbum voran gestellt, das die Entwicklung eines lebendigen und fröhlichen Mädchens hin zu einer Weltklasseschachspielerin zeigt.

Im Laufe der Jahre hatte Michael Ehn Gelegenheit, einige Interviews und Gespräche mit Eva Moser zu führen. Er sprach das erste Mal mit der damals 16-Jährigen nach dem Gewinn der Silbermedaille bei der Jugendeuropameisterschaft 1998 und Eva Moser verriet, wer ihre schachliche Vorbilder waren, nämlich vor allem Paul Keres, aber auch Bobby Fischer. Die nächste Gelegenheit zum Gespräch ergab sich 2002 nach der U20-Landesmeisterschaft. Die 20-jährige Eva Moser plante den Abschluss ihres Studiums und strebte eine Profischachkarriere an, und wollte zuvor aber noch die Elomarke von 2450 erreichen.

Nachdem Eva Moser 2006 "Herren"-Staatsmeisterin geworden war, sprach sie mit Michael Ehn über das Frauenschach in Österreich und in der übrigen Welt. Die Ursache dafür, dass bisher so wenige Frauen in der Weltspitze des Schachs vertreten waren, sah Eva Moser vor allem  statistisch begründet. Viel zu wenig Frauen spielten Schach, meinte sie, um der Spielstärke im Frauenschach eine breitere Basis geben zu können.

2014 siegte Eva Moser in einem Großmeisterturnier in Augsburg und gewann dabei gegen Petar Arnaudov eine spektakuläre Partie, die mit fünf Damen auf dem Brett in die Schachgeschichte einging.

Hier noch einmal die einzigartige Partie gegen Petar Arnaudov:

 

Nach dem Turnier erzählte sie Michael Ehn, dass sie sich nun für das Schach von Richard Rapport begeisterte und dass sie nicht glaubte, dass Emanuel Lasker heute gegen Magnus Carlsen eine Chance hätte. Schach sei nun in allen Phasen viel besserer erforscht.

2015 zog Eva Moser sich mit einem Mal aus dem Turnierschach zurück. 2017 gab sie auch ihre Tätigkeit bei Schach aktiv auf. Eva Moser gab keine Begründungen für ihre Entscheidung an, aber die österreichische Schachwelt vermutete schon eine schlimme Krankheit im Hintergrund.

Ein letztes Gespräch führte Michael Ehn im Januar 2019 mit einer sehr traurigen Eva Moser. "Ich warte", teilte sie ihm mit.

Der umfangreichste Teil des Buches beschäftigt sich mit der schachlichen Hinterlassenschaft von Eva Moser. Sie pflegte ein unternehmendes phantasievolles Schach und war damit oft sehr erfolgreich. Markus Ragger, der inzwischen zu Österreichs bestem Spieler aufgestiegen ist, hat Eva Mosers Partien durchgesehen und kommentiert sie unter verschiedenen Aspekten. Mit ihm und Eva Moser kann man einiges lernen. Die Hinweise zu Eva Mosers Eröffnungesvarianten sind sehr ausführlich. Einige der Varianten hat Markus Ragger bei verschiedenen Gelegenheiten mit Eva Moser auch kontrovers diskutiert. So vertrat Eva Moser schon vor vdie Ansicht, in der Skandinavischen Verteidigung sei der Rückzug 3...Dd8 eine spielbare Alternative zu 3...Da5 oder 3...Dd6. Markus Ragger war anderer Meinung, räumt in seiner nachträglichen Betrachtung im Buch aber ein, dass er sich damals wohl geirrt habe. 3...Dd8 wird inzwischen sogar von Spielern wie Magnus Carlsen und Fabiano Caruana gespielt. Es gibt auch viele interessante Partien nachzuspielen, in deren Kommentierung auch Eva Mosers Anmerkungen eingeflossen sind. 

Den drei Autoren ist sehr zu danken, dass sie sich die Mühe gemacht haben und für Eva Moser  und die deutschsprachigen Schachfreunde dieses schöne und schachlich lehrreiche Denkmal errichtet haben. Das Buch ist eine wunderbare Erinnerung an eine großartige Schachspielerin und herausragende Persönlichkeit.

Eva Moser: Phantasie und Präzision am Schachbrett, Euro 38,-

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