Erinnerungen an Don Miguel

von ChessBase
10.03.2021 – Zu den ganz großen Schachspielern, die nie Weltmeister wurden, gehört Miguel Najdorf. In Polen geboren, blieb er nach der Schacholympiade 1939 in Südamerika und wurde Argentinier. Vlastimil Hort hatte das Vergnügen "Don Miguel" persönlich zu treffen.

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Erinnerungen an Don Miguel

Ich freute mich über einen Artikel von Andre Schulz mit dem Titel „In Gedenken an Najdorf“, der vor ca. zwei Jahren erschienen ist, sehr. Vielleicht kann ich nachträglich noch etwas dazu beitragen, um das Bild von Najdorf zu vervollständigen.

Wann haben wir uns zum ersten Mal gesehen? Zur Schacholympiade in Leipzig 1960! Ich, noch ein Nobody, spielte am Reservebrett der CSSR.

Schacholympiade 1960, der junge Vlasty

Er, am ersten Brett von Argentinien. Seine zweite Frau, Dona Maria, begleitete ihn. Beide waren sehr elegant, nach der neuesten Mode angezogen. Dona Maria eine überaus attraktive Erscheinung.

Najdorf mit seiner Frau

Es bleibt für mich ein ewiges Rätsel, warum Najdorf nicht schon im Jahre 1948 bei dem Wettkampf um die Weltmeisterschaft mit dabei war. Die Russen, damals in der Fide sehr stark vertreten, waren vielleicht gegen ihn – hatten sie Angst?

Karel Opocensky erzählte mir später einmal in Prag, dass Najdorf das Turnier dort im Jahre 1946 sehr überzeugend und souverän gewonnen hatte. "Opo" durfte den offensichtlich immer gut gelaunten Najdorf bei seiner anschließenden Simultan-Tournee durch Tschechien begleiten. Überall schätzten die Zuschauer dessen Spielstärke und waren begeistert von den Vorstellungen.

In Palma de Mallorca musste ich einmal einen Streit zwischen Petrosian und Najdorf miterleben. Petrosian sollte ihn, Miguel, während der Schachpartie unter dem Tisch heftig getreten haben, so behauptete Najdorf. Der Streit endete fast in eine Schlägerei. Daraufhin wurde ein spezieller Tisch-Schiedsrichter zu der noch nicht beendeten Partie abgestellt, damit weitergespielt werden konnte.

Zu dieser Zeit nahm Don Miguel mich schon ernst. Vielleicht weil ich recht gut Spanisch sprach, wir uns in seiner Sprache verständigen konnten, und ich meine Füße unter dem Tisch immer schön ruhig gehalten hatte, entwickelte sich unsere Beziehung recht gut und wurde etwas persönlicher.

 

Vieles wollte ich von ihm wissen und besonders neugierig war ich auf sein Blindsimultan in Argentinien im Jahre 1947. 45 Bretter blind – eine Sensation damals. Najdorf war stolz darauf, alle seine Partien an das Journal Clarin verkauft zu haben. Nicht so gerne sprach er darüber, dass einige der Simultanteilnehmer totale Anfänger waren … so dass es ziemlich frühzeitig viele Schäfer-Matts gab. Ich begriff schnell, dass ihm das Thema nicht angenehm war und wechselte zu etwas anderem.

Bugojno 1980. Najdorf war als Ehrengast dabei. Man hatte ihm sogar erlaubt, sich auf dem Podium die Partien der Spieler ganz nah anzusehen. So lief er zwischen den Brettern hin und her. Sein Lieblingsspieler war eindeutig Lubomir Ljubojevic. Der spielte an diesem Tag gegen Gligoric. Die Partie war sehr spannend. Als „Lubo“ aufstand und das Brett verließ, warum und wohin auch immer, setzte sich Najdorf wie in Trance auf dessen Stuhl und vertiefte sich in die Stellung. Plötzlich vergaß Don Miguel alles um ihn herum, machte einen Zug, drückte die Uhr und schrieb den Zug auf Ljubojevics Notationsformular. Das war schon sehr lustig und ich musste laut lachen, als ich das sah. Dieser „Eingriff“ hatte Gott sei Dank keine Auswirkung auf die Partie. Die Schiedsrichter regelten es diplomatisch.

 

Während des Turniers starb Marschall Josip Bros Tito. Es gab eine Woche Staatstrauer und die Organisatoren brachten alle Teilnehmer, Najdorf inklusive, nach Dubrovnik ins Hotel Argentina. Dort hatte Najdorf im Jahre 1950 bei der Schacholympiade das beste Resultat am ersten Brett für Argentinien geholt.

Foto: Bert Verhoeff/Anefo

André Schulz erwähnte in seinem Artikel auch, dass „Gott Najdorf“ ein erfolgreicher Unternehmer war. Sicher, während unserer Blitznacht vor dem freien Tag im Hotel Metropol plauderte er aus dem Nähkästchen und gestand, dass er ein Dollarkonto bei der Manhattan Bank in New York hatte. Um Robert Fischer zu ködern, bot er einen Obolus von $ 650.000. Bobby hatte damals allerdings andere Sorgen.

Don Miguel jedenfalls konnte sich ein unbeschwertes „Dolce Vita“ gut leisten. „Junger Mann“, sagte er zu mir, „Vergessen Sie nicht: Schach ist ein bisschen Wissenschaft, ein bisschen Kunst, aber sicher auch viel Gambling (Zocken).“
Ich habe diesen Satz gut in meinem Gedächtnis verwahrt. Wer war Don Miguel wirklich? Die Frage bleibt!

Ljubo erzählte mir später Details vom Tode Najdorfs am 4. Juli 1997 in Malaga. Die Nacht davor wollte Naidorf im Casino verbringen. Er hatte viele Jetons auf die Farbe Rouge gesetzt … und die Roulette-Kugel stoppte bei der Zahl 1, rot. Beim Einlösen der Jetons fasste sich Don Miguel plötzlich an die Brust. Herzinfarkt. Er wurde sofort mit einem Helikopter nach Malaga ins Krankenhaus geflogen. Doch die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun. Immerhin, er lebte 87 Jahre!

Vlasty, bist du auch ein Gambler? Wie wäre es, wenn du später alles, was du hast mit ins Casino nimmst und gleich auf Rot setzt? Dann allerdings bete, dass dir Don Miguel oben vom Schachcafé aus die Daumen drückt!

 


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