Im Halbfinale der Online Olympiade zwischen Indien und Armenien riss die Internet-Verbindung an einem der Bretter ab und der armenische Spieler überschritt als Folge dessen die Zeit. Die Turnierleitung ermittelte den Abriss auf armenischer Seite und erklärte die Partie als gewonnen für den indischen Spieler.
Die armenische Mannschaft zog sich daraufhin aus Protest aus dem Turnier zurück. Im folgenden Finale zwischen Russland und Indien kam es erneut zu Verbindungsabrissen. Nun griff FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich ein und erklärte in einem salomonischen Urteilsspruch beide Mannschaften, Russland und Indien zu Siegern.
Die russische Mannschaft war etwas unzufrieden mit dem Urteil des FIDE-Präsidenten, denn sie hatte das Gefühl, das Finale gewinnen zu können. Die armenische Mannschaft war sehr unzufrieden. In verschiedenen sozialen Medien wurden hitzige Diskussionen geführt.
Mit einer Erklärung hat der Präsident des armensichen Schachverbandes Serzh Sargsiyan den armenischen Standpunkt noch einmal erläutert und versucht die Wogen zu glätten.
Inzwischen weiß man, dass die Ursache für die Abrisse wohl ein großer Serverausfall in einem Internetknoten war, der den weltweiten Internetverkehr stark beeinträchtige (s. ZDNet-Artikel, unten).
Der Vorgang wirft ein neues Licht auf die offiziellen Online-Turnier. Neben dem bisher nicht hinreichend gelösten Problem des Computerbetruges stellen auch die Verbindungsabrisse ein Problem dar, das im im Regelwerk nicht zufriedenstellend geklärt ist. Die Spieler selber verursachen ja nicht die Internetabrisse, werden dafür aber verantwortlich gemacht. Oft sind die Ursachen für die Abrisse komplex und können nicht so schnell wie es nötig wäre ermittelt werden. Das weltweite Internet ist technisch leider nicht so ausgereift, wie es für eine problemlose Durchführung von offiziellen Turnieren eigentlich notwendig wäre.
Offener Brief von Serzh Sargsyan
Sehr geehrter Herr Dvorkovich,
im Namen des armenischen Schachverbands spreche ich der FIDE und Ihnen persönlich meinen Dank dafür aus, dass Sie die erste Online-Schacholympiade inmitten der andauernden Pandemie-Situation organisiert haben.
Mit 190 Mitgliedsverbänden und in seiner Eigenschaft als wichtigste Schachautorität in der Welt trägt die FIDE große Verantwortung für die Entwicklung und Verbreitung des Schachspiels in der ganzen Welt. Die Online-Olympiade war ein Versuch, die internationalen Schachaktivitäten zu stärken und den Schachfans und Schachspielern auf der ganzen Welt ein weiteres Schachfestival zu bieten.
In dem Bemühen, das Turnier durchzuführen, haben die FIDE und ihre Partner viel Mühe und Hingabe aufgewendet. Der armenische Schachverband weiß den Beitrag der FIDE und Ihr persönlichen Engagement zu schätzen.
Ich muss jedoch mit großem Bedauern feststellen, dass es während des Turniers zu einer Reihe von Problemen gekommen ist, die vielleicht auf eine gewisse Eile und eine unzureichende Beurteilung wichtiger organisatorischer Fragen zurückzuführen sind, vor allem aufgrund von Mängeln im Regelwerk, die trotz der Premiere dieses Turniers vorhersehbar waren.
Die Probleme, die im Viertelfinale Armenien - Indien und im Finale Russland - Indien auftraten, sowie mehrere Schwierigkeiten in der Gruppenphase waren auf die genannten Defizite im Regelwerk zurückzuführen. Die in der Gruppenphase aufgetretenen Probleme wurden nicht eingehend analysiert und berücksichtigt.
In diesem Zusammenhang bringe ich meine tiefe Besorgnis und Beunruhigung über die jüngsten Entscheidungen der FIDE zum Ausdruck. Selbst kleinere Ungerechtigkeiten verursachen Diskussionen in der Schachgemeinschaft und unter den Schachspielern. Das war der Grund dafür, dass die armenische Mannschaft zum zweiten Match gegen Indien nicht mehr antrat. Die Unzufriedenheit wuchs, nachdem die FIDE in gleicher Situation einen gegensätzlich Entscheidung getroffen hat.
Die armenische Mannschaft wurde bedauerlicherweise das Opfer von Entscheidungen, die mit zweierlei Maß getroffen wurden. Es ist eine Tatsache, dass die FIDE sich nicht an ihre eigenen Vorgaben hielt, nachdem ein Präzedenzfall eingetreten war.
Tatsächlich hielt sich die FIDE nicht an ihre eigene Entscheidung, die einen Präzedenzfall darstellte. Die FIDE hat sich mit Erklärung des armenischen Verbandes, dass die Internetverbindung nicht auf armenischer Seite unterbrochen wurde und dass die armenische Mannschaft Opfer höherer Gewalt wurde, nicht eingehend befasst.
Ich bedauere das Verhalten einiger FIDE-Offizieller in den sozialen Medien. Sie interpretierten die Vorgänge auf unvollständige und verzerrte Art und Weise, worauf eine Reaktion unserer Spieler folgte. Meiner Meinung nach hätten die Spieler ihre Meinung in angemessener Weise und ohne emotionale Formulierungen zum Ausdruck bringen sollen, aber ich bin auch der Meinung, dass die FIDE noch vorsichtiger mit Spielern umgehen und es unterlassen sollte, sie in ihrer Würde zu demütigen.
In dem Wunsch, die positive Atmosphäre in der großen Schachfamilie zu erhalten, hoffe ich, dass FIDE in Zukunft nach ihrem Motto "GENS UNA SUMUS" handeln werde, wonach die eigenen Misserfolge, Niederlagen und Schwierigkeiten die Misserfolge, Niederlagen und Schwierigkeiten aller sind.
Hochachtungsvoll,
Serzh Sarsyan
Präsident des Armenischen Schachverbandes
Übersetzung aus dem Englischen: André Schulz
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