Anatoli Karpow beehrt Hockenheim
Schachlegende gibt Nationalspielern praktische Tipps
Text und Fotos: Georgios Souleidis
Anatoli Karpow weilte für mehrere Tage in Deutschland. Auf Einladung der Rhein-Neckar-Schachakademie
befand sich der 12. Weltmeister der Schachgeschichte für mehrere Tage in Hockenheim.
In der 6. Runde der 2. Bundesliga Süd ließ es sich die Schachlegende nicht nehmen
und trat am ersten Brett der SV 1930 Hockenheim an. Der 59-jährige spielt zwar
regelmäßig Schnellschach, aber äußerst selten sieht man ihn eine Partie mit
klassischer Bedenkzeit absolvieren. Dementsprechend groß war das Interesse und
im Spiellokal versammelten sich über 200 Schachfans. Der Zweitligist führt nach
dem 4:4 gegen Böblingen in der Staffel Süd mit drei Punkten Vorsprung und schickt
sich an, innerhalb weniger Jahre den Durchmarsch von der vierten Liga in die
Schachbundesliga zu schaffen.
Dieter Auer, Ehrenvorsitzender des Vereins, hat Großes vor in der Region. Er
verfügt nicht nur über Visionen sondern auch über gute Kontakte in seinem Umfeld.
Hier residieren Großunternehmen wie SAP, MLP oder BASF. Neben dem Aufstieg mit
der SV 1930 Hockenheim peilt er mit der Rhein-Neckar-Schachakademie die Region
zu einer Schachhochburg auszubauen. Eine tragende Säule seines Konzepts ist
Anatoli Karpow. "Ich kenne Karpow seit 1990. Damals gab er anlässlich der 2000-Jahr-Feier
der Stadt Speyer ein Simultan. Ich war einer seiner Gegner und nach der Partie
kamen wir ins Gespräch." Zwischen ihm und Karpow entwickelte sich eine freundschaftliche
Beziehung mit der Folge, dass der Russe seitdem regelmäßig zu Gast ist. Früchte
der Zusammentreffen sind u. a. eine gemeinsame Buchveröffentlichung, Simultanveranstaltungen
und zahlreiche Lehrgänge.
Den aktuellen Besuch nutzte Auer, um einen 2tägigen Lehrgang für die deutsche
Nationalmannschaft zu organisieren. Schnell suchte er den Kontakt zum DSB und
spontan sagten einige Nationalspieler zu, am 7. und 8. Februar anwesend zu sein.
Arkadij Naiditsch reiste direkt vom Bundesliga-Wochenende in Eppingen an und
Georg Meier hatte es von Trier auch nicht weit. "Das ist eine einmalige Gelegenheit.
Karpow verfügt über ein ungeheures Wissen. Ich kann nur davon profitieren, zwei
Tage mit ihm zu arbeiten", merkt Meier an. Rainer Buhmann, der als Geschäftsführer
der Rhein-Neckar-Schachakademie fungiert, war als dritter Teilnehmer dabei.
Bei diesem einem Lehrgang soll es aber nicht bleiben. Mit dem Racket-Center
in Nußloch steht eine hervorragende Lokalität zur Verfügung, um solche Lehrgänge
durchzuführen. Hier wurde schon die Jugendolympiamannschaft vor der Olympiade
in Dresden auf Trab gebracht und hier organisiert die Rhein-Neckar-Schachakademie
seit Jahren mit großem Erfolg Schach-Feriencamps für Kinder und Jugendliche.
Den Lehrgangsteilnehmern steht nach getaner Arbeit ein modern eingerichtetes
Fitnesszentrum nebst Tennis-, Badminton- oder Squashplätzen zur Verfügung.
Jetzt möchte Auer auch das Spitzenschach fördern: "Nach dem Teilumbau im Racket-Center
werden wir einen großen Raum nur für unsere Zwecke nutzen können. Dort möchten
wir Lehrgänge für die Nationalmannschaft regelmäßig ausrichten. Das Management
des Hauses unterstützt unser Vorhaben. Auch die Spieler sind von der Idee angetan.
Neben Anatoli Karpow käme Zoltan Ribli als Trainer in Frage, der auch für unsere
Mannschaft spielt."
Dass die Spieler von solchen Treffen profitieren, zeigte sich an den zwei Tagen.
Andächtig lauschten Naiditsch und Co den Ausführungen der Schachlegende. Der
zeigte zu Beginn einige seiner schönsten Partien, bevor man sich stundenlang
den Tiefen der Berliner Mauer widmete. Für Außenstehende eine Terra Incognita,
für die Vier scheinbar ein Hochgenuss. Etwas profaner ging es am Dienstag zu.
Georg Meier wollte vom Lehrmeister unbedingt etwas über Caro-Kann erfahren.
Der ließ sich natürlich nicht lange bitten. Schließlich wandte er diese Eröffnung
lange Jahre an und hatte bestimmt auch was für die deutschen Spitzenspieler
in petto.