Tal Memorial: Vom Museum in die Schokoladenfabrik
In Moskau startete am russischen Nationalfeiertag das 8. Tal Memorial. Dieses
Mal findet das Superturnier im Technologiezentrum "Digital October" statt, einem
der sofort ins Auge fallenden Gebäude an der Moskwa. Früher befand sich
auf dem gesamten riesigen Terrain „Roter Oktober“ die gleichnamige
Schokoladenfabrik, jetzt gibt es hier eine Vielzahl von Büros, Restaurants und
Clubs. Für diejenigen, die noch niemals hier waren, ist es nicht so einfach die
versteckte Tür zu finden, die zum Turnier führt, aber den Moskauer
Schachliebhabern ist dieser Ort bekannt – 2011 fand hier das Botvinnik Memorial
statt.
Schon zum zweiten Mal wird die Auslosung auf dem Memorial durch ein
Blitzturnier am Tag der Eröffnung ermittelt. Ilja Levitov sollte sich die Idee
der „Blitz-Auslosung“ patentieren lassen, da man diese Art der Durchführung
schon in Zürich und Stavanger übernommen hat. Wegen des Blitzschachs wurde die
Eröffnung des Turniers nicht zu einer formalen Zeremonie, sondern zu einem
echten Ereignis. Im großen Saal finden alle Liebhaber des schnellen Spiels nur
mit Mühe Platz.
Das Blitzturnier
Ilja Levitov eröffnet das Turnier und verkündet die Paarungen der ersten Runde
des Blitzturniers.
Wieder Moskau. Wieder Anand - Gelfand.
Anand belegt den zweiten Platz und platziert sich auch als Zweiter der
Startliste.
Der neugebackene Weltmeister im Schnellschach Shakhriyar Mamedyarov, hier
gegen Fabiano Caruana.
Caruana und Carlsen von Zuschauern umringt.
Magnus spielte einige schöne Partien, aber dennoch ist dieses Turnier eines
der wenigen,
bei denen der Norweger nicht zu den drei Ersten gehört.
Dafür wurde er aber ein weiteres Mal mit dem Schach-Oscar belohnt.
„Ich freue
mich sehr, dass ich diese Auszeichnung erneut bekommen habe,“ - sagte Magnus,
als er die Statue in Empfang nahm, -
„ich denke, dass ich sie verdient habe.“
Der Sieger des vorjährigen Blitzschach-Turniers, Alexander Morozevich, begann dieses Mal
bescheidener.
Sergey Karjakin mit seiner Freundin Galja.
Die jungen Fans schauten sich nicht nur die Partien an, sondern waren auch
auf der Jagd nach Autogrammen.
Hikaru Nakamura kam als erster ins Ziel und wurde als Nummer Fünf in die
Startliste gesetzt.
Vladimir Kramnik belegte im Blitzturnier den 3. Platz, wählte dann aber
unerwartet für alle die Nummer 7 als Startnummer , d.h., er verzichtete auf eine
zusätzliche Partie mit Weiß. Peter Svidler konnte das in seinem Kommentar nicht
recht nachvollziehen.
Die ersten Runden
Am folgenden Tag wurde das Tal Memorial fortgesetzt, aber in einem
schon ganz anderen Spieltempo und in anderer Umgebung. Nun spielen die
Teilnehmer in einem separaten Raum, in dem sich während der gesamten Runde nur
die Schiedsrichter und die Video-Kameraleute befinden. Die Journalisten können
während der ersten zehn Minuten nach Beginn der Runde Fotos machen, danach
werden sie freundlich gebeten die Spielzone zu verlassen.
Andrzej Filipowicz erinnert Magnus an die Zeitkontrolle während des Turniers.
„Sie sind jetzt bei allen Turnieren unterschiedlich, deshalb ist es besser
sicherheitshalber daran zu erinnern“, erklärte der Hauptschiedsrichter.
Wie schon der erste Mensch im Weltall sagte: „Auf geht’s!“ (Russische
Redensart)
Nach Aussage Carlsens gelingt es ihm gewöhnlich nur selten gegen Kramnik mit
Vorteil aus der Eröffnung herauszukommen.
Dieses Mal ist es ihm gelungen.
Magnus Carlsen
Nach einem nicht allzu guten Blitzturnier zeigte sich Fabiano Caruana
unbeeindruckt und besiegte Anand.
Der Weltmeister war ganz offensichtlich nicht in guter Form an diesem Tag,
spielte sehr gehemmt und war bald nach der ersten Zeitkontrolle gezwungen seine
Niederlage einzugestehen.
Alexander Morozevich überraschte seinen Gegner Dmitry Andreikin in der ersten
Runde mit der der Drachenvariante.
Dmitry versank während der Eröffnung in langes Nachdenken, fand aber eine
gute praktische Fortsetzung und zwang den Gegner während der ganzen Partie in
die Defensive.
Hikaru Nakamura war nach dem "Blitz" nicht sofort auf "Klassik" eingestimmt
Letztes Bild aus dem Spielraum, schon hinter Glas. In den nächsten Stunden
wird es keine Kamerablitze geben. Man kann sich entspannen!
Im Zuschauerraum geht es zu dieser Zeit dagegen immer lebhafter zu. Den
ganzen Tag über unterhalten unsere besten Kommentatoren das Publikum, darunter
die bekannten Top-Großmeister Peter Svidler und Alexander Grischuk.
Unter den Zuschauer befindet sich auch WGM Olga Girja.
Im Vordergrund die Familie von Peter Svidler, daneben Svetlana Andreykina.
Die Unterstützung von Carlsen – Großmeister Peter Heine Nielsen und
Vater Henrik Carlsen.
Das Mini-Blitz-Match zwischen Alexandra Kosteniuk und Maxim Dlugy wurde
zugunsten der Meisterin entschieden. Alexandra war am Eröffnungstag als
Kommentatorin aufgetreten, am darauffolgenden Tag kam sie als Zuschauerin mit
Mutter und Tochter.
Francesca spielte auch ein paar freundschaftliche Partien. Und wollte partout
nicht das Turnier verlassen.
Die Partie Nakamura – Mamedyarov wurde als erste beendet. Shakhriyar opferte
eine Figur und führte einen rasanten Angriff aus. Beide Teilnehmer kamen, um die
„Angriffspartie“ zu kommentieren.
Auf meine Frage, wo es sich komfortabler spielen lasse - in einem separaten
Raum oder vor Publikum – antwortete Shakhriyar, dass die Bedingungen bei diesem
Turnier, seiner Meinung nach, ideal seien. Er erinnerte sich daran, wie einmal
auf einem Turnier in Dortmund ein Zuschauer ihn durch sein Schnauben sehr
gestört hatte. Nach Aussage des aserbaidschanischen Großmeisters ist die ideale
Kombination, wenn es viele Zuschauer gibt, diese aber nicht stören. Sie können
über die Partien diskutieren, den Daumen drücken, aber dabei sollte nichts die
Teilnehmer vom Spiel ablenken.
Boris Gelfand und Sergey Karjakin waren bei der Katalanischen Eröffnung beide
gleich gut vorbereitet Nach Aussage von Boris entwickelt sich der Kampf bei
dieser Variante oft nach zwei möglichen Szenarien, entweder erreicht Weiß ein
ernsthaftes Übergewicht oder Schwarz erzielt den vollkommenen Ausgleich. Bei
dieser Partie vollzog sich die zweite Variante.
Viswanathan Anand mit roten Hemd im „Roten Oktober“.
Sergey Karjakin beschloss bei der Partie mit Magnus kein Risiko einzugehen.
Wie kann man bloß Carlsen schlagen?
Shakhriyar hatte bei einer Variante der Caro-Kann-Verteidigung in der Partie
gegen Morozevich keinen Erfolg und kam beim 15.Zug in eine schlechte Position.
Alexander hatte viele gute Fortsetzungen, entschied sich aber nicht für die
beste. Anstelle eines Druckspiels ließ er sich auf ein kaum besseres Endspiel
ein. Weiterhin auf Sieg spielend brachte Weiß die Partie fast an den Rand einer
Niederlage.
Shakhriyar war so froh, dass es ihm gelungen war, nach der Eröffnung am Leben
zu bleiben, dass er später nicht mehr ernsthaft versuchte, Weiß im Endspiel
Probleme zu bereiten.
Vladimir Kramnik erwartete von Nakamura offenbar die Königsindische
Verteidigung und konnte die Eröffnung spielen ohne hinzugucken.
Schon beim 20. Zug hatte Weiß einen Bauern mehr und eine großartige Position.
Aber es sollte sich noch alles ändern...
Caruana überraschte Gelfand in der Eröffnung und zwang ihn, sich an die
kompliziertesten Varianten zu erinnern. Das kostete viel Zeit, aber wie es
scheint, hat das Gedächtnis Boris nicht im Stich gelassen.
Dmitry Andreikin musste in der Partie mit Viswanathan Anand schon nach dem 7.
Zug selber nachdenken. Der „Neuling“ des Turniers verlor jedoch nicht den Kopf,
sondern machte schließlich aus einer Position der Stärke ein Unentschieden.
Anand und Andreikin in der Pressekonferenz
Magnus und Sergey sind anscheinend nicht ganz zufrieden mit ihrem Start bei
diesem Tal-Memorial.
Ian Nepomniachtchi sekundierte Carlsen bereits einmal, aber zu diesem Turnier
war er zusammen mit Vladimir Potkin einfach als Zuschauer gekommen.
Shakhriyar und Alexander. Nach Aussage von Shakhriyar war „die Partie nicht
fehlerfrei, aber interessant“.
Vladimir Kramnik beendete die Partie auch am zweiten Tag als letzter. Und das
nach zwei Niederlagen. Aus verständliche Gründen haben die Zuschauer seine
Kommentare in der Pressekonferenz bislang nicht zu hören bekommen.
Aber für endgültige Schlussfolgerungen ist es noch zu früh, alles hat erst
begonnen…
Bericht und Fotos von Maria Fominykh
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