Überraschend stark: Holländisch Stonewall

von Sagar Shah
13.02.2017 – Der Stonewall-Aufbau im Holländer wird gerne unterschätzt und viele Weißspieler beschäftigen sich kaum damit, weil sie den schwarzen Aufbau für positionell ungesund halten. Aber wie Erwin L'Ami auf seiner neuen ChessBase DVD zeigt, ist Stonewall eine vollwertige Eröffnung, die Schwarz gute Chancen bietet. Zu dieser Einsicht kam auch IM Sagar Shah, seit Jahren überzeugter 1.d4-Spieler und langjähriger Stonewall-Skeptiker, nachdem er sich die DVD angeschaut hat. Mehr...

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Es gibt Autoren, deren neue DVDs ich mir auf jeden Fall anschaue. Erwin L'Ami - ein sehr starker Großmeister und Sekundant von Anish Giri - ist einer dieser Autoren. Ein Spieler wie Erwin würde nicht einfach eine DVD aufnehmen, wenn er nicht wirklich etwas zu sagen hätte. Es ist einfach unglaublich, wie viel Energie und Arbeit er in die Eröffnungsvorbereitung steckt.

Ich habe Erwin bei den Juniorenweltmeisterschaften 2014 kennengelernt: Ich habe dort als Kommentator gearbeitet, Erwin hat die holländische Nationalmannschaft betreut. (Foto: Amruta Mokal)

Und in der sechsten Runde des Dieren Open 2016 haben wir sogar gegeneinander gespielt. (Foto: Amruta Mokal)

Und ich mag Leute mit Umweltbewusstsein! (Foto: Amruta Mokal)

Aber worum geht es auf Erwins neuester ChessBase DVD?

Um Holländisch Stonewall! Wo die Bauern auf c6-d5-e6 und f5 stehen.

Erwin L'Amis neueste ChessBase DVD: "The Stonewall Dutch - A fighting repertoire against 1.d4


Nun bin ich eingefleischter 1.d4-Spieler und muss zugeben, dass ich bislang nicht viel vom Stonewall-Holländer gehalten habe. Ich habe einen guten Score gegen die Variante und meiner Meinung nach schwächt Schwarz seine schwarzen Felder zu sehr. Die folgende klassische Partie zwischen Schlechter und John, in der Weiß den schwarzen Aufbau überzeugend bekämpft, habe ich nie vergessen.

[Event "Barmen Masters-A"] [Site "Barmen"] [Date "1905.08.22"] [Round "8"] [White "Schlechter, Carl"] [Black "John, Walter"] [Result "1-0"] [ECO "A84"] [PlyCount "99"] [EventDate "1905.08.14"] [EventType "tourn"] [EventRounds "15"] [EventCountry "GER"] [SourceTitle "EXT 2005"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "2004.11.15"] [SourceVersion "1"] [SourceVersionDate "2004.11.15"] [SourceQuality "1"] 1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nc3 f5 4. Nf3 c6 5. Bf4 Bd6 6. e3 Nf6 7. Bd3 Qc7 8. g3 O-O 9. O-O Ne4 10. Qb3 Kh8 11. Rac1 Bxf4 12. exf4 Qf7 13. Ne5 Qe7 14. Bxe4 fxe4 15. f3 exf3 16. Rce1 Qc7 17. Qa3 Kg8 18. Rxf3 Na6 19. b3 Qd8 20. c5 Nc7 21. Qb2 Bd7 22. Qc2 Qe7 23. Ref1 Rae8 24. g4 Bc8 25. Rh3 g6 26. b4 Qf6 27. Rhf3 Re7 28. a4 a6 29. Nd1 Rg7 30. Ne3 Qe7 31. g5 Bd7 32. N3g4 Be8 33. Nh6+ Kh8 34. Qe2 Qd8 35. Neg4 Bd7 36. Qe5 Ne8 37. Rh3 Qc7 38. Nf6 Qxe5 39. fxe5 Re7 40. Rhf3 Nxf6 41. Rxf6 Rxf6 42. exf6 Re8 43. Nf7+ Kg8 44. Ne5 Rd8 45. Kg2 Kf8 46. h4 Be8 47. Kf3 Bf7 48. Kf4 Ke8 49. Rb1 Kf8 50. b5 1-0

Der weiße Plan war so einfach: Er zwingt Schwarz, auf f4 zu nehmen und nach exf4 öffnet sich die e-Linie und die Schwäche des Bauern e6 kommt zum Tragen. Den schwarzen Springer auf e4 kann Weiß mit f3 vertreiben, aber der weiße Springer auf e5 kann nicht vertrieben werden. Die folgende klassische Partie von Pillsbury gegen Showalter hat mein Vertrauen in das weiße Konzept weiter gestärkt:

[Event "Nuernberg InternationalesMeisterturnier"] [Site "Nuremberg"] [Date "1896.08.05"] [Round "15"] [White "Pillsbury, Harry Nelson"] [Black "Showalter, Jackson Whipps"] [Result "1-0"] [ECO "A84"] [PlyCount "105"] [EventDate "1896.07.20"] [EventType "tourn"] [EventRounds "18"] [EventCountry "GER"] [SourceTitle "HCL"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "1999.07.01"] [SourceVersion "2"] [SourceVersionDate "1999.07.01"] [SourceQuality "1"] 1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nc3 c6 4. Nf3 f5 5. Bf4 Bd6 6. e3 Nf6 7. Bd3 O-O 8. O-O Qc7 9. g3 Ne4 10. Rc1 Bxf4 11. exf4 Qb6 12. Qe2 Nd7 13. Rfd1 Ndf6 14. Ne5 Kh8 15. c5 Qc7 16. f3 Nxc3 17. Rxc3 Bd7 18. Nxd7 Nxd7 19. b4 Rf6 20. b5 Rg6 21. Kf2 h5 22. h4 Rf8 23. Rb3 Rf7 24. Rdb1 Qd8 25. bxc6 bxc6 26. Rb7 Qa5 27. R1b3 Rgf6 28. Qb2 Kh7 29. Be2 Nf8 30. Rb8 Ng6 31. Rc8 Rc7 32. Ra8 Rcf7 33. Ra3 Qc7 34. Ra6 Re7 35. Qa3 Rff7 36. Qb3 Nxf4 37. R6xa7 Qxa7 38. Rxa7 Rxa7 39. gxf4 Rfb7 40. Qe3 Rxa2 41. Qxe6 Rbb2 42. Qxf5+ g6 43. Qf7+ Kh6 44. f5 Rxe2+ 45. Kg3 Rg2+ 46. Kf4 gxf5 47. Qf6+ Kh7 48. Qxc6 Rg6 49. Qxd5 Raa6 50. Qd7+ Rg7 51. Qxf5+ Kh6 52. d5 Ra4+ 53. Ke5 1-0

Diese Partie hat mir so sehr gefallen, dass sie mich zu einem Artikel mit dem Titel Philosophical side of chess inspiriert hat.

Irgendwann haben die Schwarzspieler erkannt, dass dieses System für Weiß wirklich stark ist und deshalb ihren Läufer nach e7 und nicht mehr nach d6 entwickelt. So hat zum Beispiel Ellen Hagesather beim Porticcio Open 2016 gegen mich gespielt.

In dieser Stellung habe ich h3 gespielt, um g4 vorzubereiten. Das ist ein guter Plan, aber in der Partie kam Schwarz zu Gegenspiel und ich gewann am Ende nur mit viel Glück.

Nach dieser Partie traf ich zufällig auf den schwedischen GM Nils Grandelius. Er fragte mich: "Warum h3?! Hast Du meine Partie aus der ersten Runde nicht gesehen? h2-h3 verliert einfach ein Tempo! Weiß kann sofort g4 spielen!"

[Event "Porticcio op 3rd"] [Site "Grosseto Prugna"] [Date "2016.06.26"] [Round "2"] [White "Grandelius, Nils"] [Black "Andersen, Alf Roger"] [Result "1-0"] [ECO "A84"] [WhiteElo "2643"] [BlackElo "2124"] [PlyCount "55"] [EventDate "2016.06.25"] [EventType "swiss"] [EventRounds "9"] [EventCountry "FRA"] [SourceTitle "EXT 2017"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "2016.10.25"] [SourceVersion "1"] [SourceVersionDate "2016.10.25"] [SourceQuality "1"] [TimeControl "5400+30"] 1. c4 e6 2. Nc3 d5 3. d4 f5 4. Bf4 Nf6 5. e3 c6 6. Nf3 Be7 7. Bd3 O-O 8. Qc2 Ne4 9. g4 $1 fxg4 10. Bxe4 (10. Ne5 {Erwin recommends this move.} Nf6 11. O-O-O $16) 10... dxe4 11. Ne5 c5 12. O-O-O cxd4 13. Rxd4 Qa5 14. Rg1 Bf6 15. Rxe4 Nc6 16. Nxg4 e5 17. Bh6 Bf5 18. Nd5 Bd8 19. Nxe5 Nxe5 20. Bxg7 Nf3 21. Bxf8+ Nxg1 22. Bb4 Bxe4 23. Qxe4 Ne2+ 24. Kd2 Qa4 25. Kxe2 Rc8 26. Qe6+ Kg7 27. Qxc8 Qc2+ 28. Bd2 1-0

Nils Grandelius (Foto: Amruta Mokal)


Natürlich wollte ich wissen, was Erwin auf seiner DVD gegen den weißen Aufbau mit d4, c4, Sf3, Sc3 und Lf4 vorschlägt. Denn ich mag es nicht, wenn Autoren bei Ihren Eröffnungsempfehlungen kritische Varianten einfach unter den Tisch fallen lassen. Aber Erwin hat mich nicht enttäuscht: Auch er hält den weißen Aufbau für sehr gefährlich, aber empfiehlt Schwarz zugleich ein gutes Gegenmittel.

Dieses Video hat mich von der Qualität der ganzen DVD überzeugt.

Im Schach muss man flexibel sein. Ja, die DVD behandelt den Stonewall-Aufbau im Holländer, aber wenn eine bestimmte Variante in diesem System für Schwarz nicht gut ist, dann muss er entsprechend reagieren. Und genau das tut Erwin. Er empfiehlt 4...Lb4, wonach die Stellung Nimzo- und damenindische Konturen bekommt. Und ich muss sagen, in meinen Partien hatte ich mit 4...Lb4 immer viel größere Probleme als mit 4...d5.

Die DVD bietet gute Empfehlungen gegen alle Hauptvarianten, aber besonders gefallen haben mir die ersten sechs Videos, in denen Erwin typische Ideen und Manöver des Stonewall-Aufbaus erläutert.

Die DVD beginnt mit einer Einführung in typische Ideen und Manöver

Eröffnungsvarianten im Gedächtnis zu haben ist gut. Aber Eröffnungsvarianten auswendig zu lernen, hilft nur begrenzt weiter. Denn was macht man, wenn der Gegner einen Zug spielt, den man nicht kennt, weil der DVD-Autor ihn nicht erwähnt hat? Das kann leicht passieren, denn schließlich kann man auf einer DVD mit Repertoireempfehlungen nur eine begrenzte Zahl von Varianten behandeln. Deshalb ist es wichtig, typische Motive und Ideen zu kennen. In einem der Einführungsvideos weist Erwin zum Beispiel auf das typische Manöver Ld7-e8-h5 hin, mit dem Schwarz den "schlechten" schwarzfeldrigen Läufer aktivieren oder abtauschen kann. Und wenn man dieses Manöver kennt, dann weiß man auch, was Schwarz im Diagramm unten spielen sollte:

Wie sollte Schwarz fortsetzen?

Die Antwort lautet: ...Ld7!.

Holländisch-Stonewall ist eine kämpferische Eröffnung und im Gegensatz zur Grünfeld-Verteidigung oder Slawisch gibt es im Stonewall wegen des geschlossenen Charakters der Stellung weniger forcierte Varianten. Erwins Stonewall DVD bietet eine gute Möglichkeit, diese Eröffnung zu lernen und vielleicht finden Sie so ja eine gute Waffe gegen 1.d4?

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Sagar Shah ist ein junger Internationaler Meister aus Indien. Er ist zugleich ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und würde gerne der erste indische Wirtschaftsprüfer sein, der Großmeister wird. Sagar berichtet leidenschaftlich gerne über Schachturniere, denn so begreift er das Spiel, das er so liebt, besser. Aus Leidenschaft für das Schach betreibt er auch einen eigenen Schachblog.

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