"Es wird meine elfte Olympiade sein"

von Georgios Souleidis
28.08.2016 – Am 02. September startet die 42. Schacholympiade in Baku mit der ersten Runde. Im Vorfeld stellen wir Ihnen die deutschsprachigen Teams vor und fangen mit der Schweiz an. Zu diesem Anlass sprachen mit dem Spitzenbrett Yannick Pelletier über die Erwartungen der Eidgenossen. Mehr...

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Bei der 42. Schacholympiade in Baku sind laut offizieller Mitteilung 180 Teams im Open und 141 Teams bei den Frauen gemeldet. Die Schweiz ist im Open an 47 gesetzt. Das lässt keine Spitzenplatzierung erwarten, doch Yannick Pelletier macht im Interview Mut, dass es nicht so läuft, wie bei den letzten Olympiaden, als die Eidgenossen mit einer Platzierung jenseits der 50 unter ferner liefen agierten.

Vielmehr hofft der 39-jährige Bieler, der seit 1996 ununterbrochen für die Schweiz an diesem Großereignis teilnimmt, an die guten Ergebnisse der Jahre 2000 bis 2004 anzuknüpfen. In Istanbul, Bled und Calvia sprang mit Viktor Kortschnoi am Spitzenbrett jeweils ein Platz unter den Top 15 der Veranstaltung heraus.

Interview mit Yannick Pelletier

Chessbase: Mit welchen sportlichen Erwartungen gehen sie in das Turnier?

Pelletier: Ganz vorne mitmischen können werden wir wohl nicht. Aber mit unseren beiden Junioren Nico Georgiadis und Noël Studer, sowie Sebastian Bogner hat sich die Schweizer Mannschaft gegenüber der vorigen Jahren sehr verjüngt. Somit bleibe ich optimistisch, dass wir im Fall eines guten Endspurts weit vor unserem Startplatz landen können. Um aber so erfolgreich abzuschneiden wie in den Jahren 2000-2004, werden wir wahrscheinlich aber noch etwas warten müssen.

Chessbase: Gab es im Vorfeld ein Trainingslager oder eine gemeinsame Vorbereitung?

Pelletier: Nein, ein Trainingslager für die Schweizer Nationalmannschaft hat es meines Erachtens fast nie gegeben. Der Schweizer Schachbund organisiert aber zwei Trainingswochenenden pro Jahr für das Nationalkader, also für ca. 20 Spieler/innen.

Chessbase: Gibt es so etwas wie einen Teamgeist im Schach bzw. was machen sie, um einen Teamgeist aufzubauen?

Pelletier: Ich bin überzeugt, dass Teamgeist auch im Schach eine wichtige Komponente des Erfolgs ist. Das beste Beispiel hat wohl Armenien mit den 3 Goldmedaillen gezeigt. Wichtig dabei ist, dass sich alle Spieler und Coaches gut verstehen. Für unsere Mannschaft in diesem Jahr habe ich überhaupt keine Angst, dass die Chemie unter uns nicht stimmen wird. In vorigen Jahren war das leider nicht immer so. Ich glaube, dass unser Nationalcoach diesen Faktor bei seiner Selektion auch berücksichtigt.

Chessbase: Bereitet sie sich während des Turniers gemeinsam vor auf die Gegner?

Pelletier: Bei den abendlichen Teamsitzungen besprechen wir einige Sachen und tauschen manchmal Tipps aus. Aber jeder bereitet sich allein vor, bzw. mit unserem Trainer.

Chessbase: Ist ein Sekundant/Trainer dabei?

Pelletier: Ja, dieses Jahr kommt GM Michael Prusikin mit. Die Schweiz ging lange ohne Trainer zu Großanlässen wie der Olympiade, im Gegensatz zu den meisten Nationen Europas oder übrigens der Schweizer Frauenmannschaft. Seit 2012 haben wir aber auch einen Trainer dabei.

Chessbase: Gibt es so etwas wie einen olympischen Geist im Schach bzw. wie fühlt es sich für sie an eine Olympiade zu spielen im Vergleich zu anderen Turnieren?

Pelletier: Die Schacholympiade ist an sich schon etwas ganz Spezielles angesichts der riesigen Teilnehmerzahl. Man trifft Spieler aus allen Ecken der Welt, die man ja nur alle zwei Jahre sieht. Diese Veranstaltung ist für die meisten ganz klar ein Socialevent. Es wird meine 11. Olympiade sein, und mir wird nie langweilig!

Chessbase: Freuen sie sich auf Baku? Für die meisten Personen dürfte es das erste Mal, dass sie diese Stadt besuchen.

Pelletier: Vor einem Jahr hätte ich gedacht, dass Baku die vielleicht bestorganisierte Olympiade werden sollte. Nun, Aserbaidschan ist ja eine Schachnation mit großer finanzieller Unterstützung, sodass man viel erwarten darf. Aber die Probleme, die das Land seit mehreren Monaten erlebt, sowie die kurzfristige Datenänderung der Veranstaltung sind schlechte Zeichen. Es wird tatsächlich mein erstes Mal in Baku sein, und ich bin meistens neugierig, eine neue Stadt zu besuchen.

Chessbase: Ist es etwas Besonderes die Farben der Nationalmannschaft zu vertreten?

Pelletier: Eindeutig ja. Heutzutage werden alle Partien live übertragen, und man weiß, dass uns viele Schachfans verfolgen und mitfiebern.

Chessbase: Wie unterstützt sie der Verband und sind sie damit zufrieden?

Pelletier: Seit dem Ausstieg der Credit Suisse Bank 1997 ist die finanzielle Situation im SSB nicht mehr so gut. Ungefähr 2002 hatte ich ein Treffen mit dem damaligen Präsidenten des Schweizer Schachbunds, wobei wir uns auf ein Minimum der Honorare für Einsätze der Spieler der Nationalmannschaft einigen konnten. Dieser Betrag wurde seitdem respektiert, aber das bleibt natürlich wie gesagt ein Minimum, und keine große Summe. Hier äußere ich meine Meinung und nicht unbedingt die meiner Kollegen.

Im Interview sprach Pelletier über seine jungen Nationalmannschaftskollegen. Anbei möchten wir sie und das gesamte Team kurz vorstellen:

Brett 1 Yannick Pelletier

Yannick Pelletier ist ein Aushängeschild des Schweizer Schachs. In der Schweizer Rangliste ist er aktuell die Nr. 3. Seit 2001 ist er Großmeister und gewann mehrmals die Schweizer Meisterschaft. Sein bestes Ergebnis bei einer Olympiade erzielte er 2000 in Istanbul, als er mit der viertbesten Leistung aller Teilnehmer an Brett vier nur knapp eine individuelle Medaille verpasste. Seit 1996 vertritt er sein Land bei der Schacholympiade und ist in Baku zum elften Mal dabei.


Yannick Pelletier

Brett 2 Sebastian Bogner

Sebastian Bogner ist ein Großmeister aus Deutschland, der seit einigen Jahren in Zürich lebt und im Oktober 2013 den Verband wechselte. In der Schweizer Rangliste ist er aktuell die Nr. 2 hinter Vadim Milov, der allerdings wegen Querelen mit dem Schweizer Schachbund nicht an der Olympiade teilnimmt. Für den 25-jährigen Bogner wird es die erste Olympiade für die Schweiz sein. Insgesamt ist es die dritte Teilnahme an einer Olympiade, nachdem er 2008 und 2010 für Deutschland antrat.


Sebastian Bogner

Brett 3 Nico Georgiadis

Nico Georgiadis hat bereits alle GM-Normen unter Dach und Fach, und braucht für den Titel nur noch die Elo-Marke von 2500 zu knacken. Ob ihm das bald gelingen wird, ist unklar, denn seit einem Jahr studiert er an der Uni Zürich, wodurch Schach etwas in den Hintergrund gerückt ist. Der 20-jährige Bülacher ist aktuell die Nr. 6 der Schweizer Rangliste. Nach der Olympiade in Tromsø vor zwei Jahren startet Georgiadis zum zweiten Mal für die Schweiz bei diesem Großereignis.


Nico Georgiadis

Brett 4 Noël Studer

Noël Studer ist der frischgebackene Schweizer Meister. Seit einem Jahr ist der 19-jährige Berner Schachprofi. Studer gewann mit Georgiadis Silber bei der U18-EM im Jahr 2013 und peilt wie sein Mannschaftskollege den GM-Titel an, für den ihm nur noch eine Norm und die Elo-Zahl von 2500 fehlt. In der Schweizer Rangliste ist er aktuell mit seiner bisher besten Elo-Zahl von 2477 die Nr. 5. Für seine Heimat startet er zum ersten Mal bei einer Olympiade.


Noël Studer

Ersatzbrett Richard Forster

Richard Forster ist für seine publizistischen Tätigkeiten in der Schachszene bekannt. Er ist aber auch ein starker Internationaler Meister und mit einer Elo-Zahl von 2459 aktuell die Nr. 8 der Schweizer Rangliste. Mit 41 Jahren ist er der älteste Spieler im Team und bringt die nötige Erfahrung mit. In Baku wird es die sechste Teilnahme an einer Olympiade für die Schweiz sein. 


Richard Forster

Die Schacholympiade bei ChessBase:

Während der Olympiade wird es - neben der Live-Übertragung  der Partien - ab 9.9. auf ChessBase auch Livesendungen aus Baku geben. GM Daniel King wird das wichtigste Geschehen direkt vor Ort kommentieren.

Offizielle Webseite 42. Schacholympiade Baku


Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.

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