Eurochess 2019 in Wien: Frankreich vor Luxemburg

von Gerd Densing
30.10.2019 – Die Eurochess ist das Schachturnier der Mitarbeiter der Notenbanken Europas. Das Turnier gibt es schon seit 1998 und es nehmen sogar Titelträger teil. Dieses Jahr wurde es in Wien von der Österreichischen Nationalbank (OENB) ausgerichtet. Team Frankreich gewann vor Luxemburg. Gerd Densing berichtet. | Fotos: Gerd Densng

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Frankreich nach Endspurt hauchdünn vor Luxemburg

Vom 3.10. bis zum 6.10.2019 fand in Wien in der Österreichischen Zentralbank (OENB) die diesjährige „Eurochess“ statt.

Dabei handelt es sich um ein regelmäßig stattfindendes „geschlossenes“ Event für Mitarbeiter von Notenbanken in ganz Europa. Der Begriff Europa bzw. der Kreis der teilnehmenden Ländern ist recht weit gefasst, beispielsweise war die Türkei („Noch EU-Beitrittskandidat“) auch in dem ein oder anderen Eurochess-Turnier der vergangenen Jahre schon vertreten.

Die erste Ausgabe der Eurochess fand im Jahr 1998 – kurz vor der Euro-Einführung - in Ungarn statt. Dieses schöne Schach-Event wird seitdem mehr oder weniger regelmäßig, zuletzt jährlich, „reihum“ von verschiedenen Ländern ausgerichtet. Veranstalter bzw. Organisatoren sind die jeweiligen Schach-Gruppen der in vielen Notenbanken vorhandenen Sport-/Spiel-/Kultur-/Erholungs- oder Betriebsgemeinschaften. Für die Festlegung des Austragungsorts gibt es keine festen Regeln. Vielmehr „werfen einzelne Länder ca. 2 Jahre vorher ihren Hut in den Ring“ und erklären sich für die Organisation bereit. Die Einladung und Abstimmung erfolgt dann immer mit großem zeitlichem Vorlauf per E-Mail-Verteiler.

Dabei geht es nicht nur darum, das Turnier zu planen und auszurichten sondern auch die An-/Abreise vom/zum Flughafen, Hotelbuchung (für alle Teilnehmer in der Regel Unterbringung im gleichen Hotel) zu organisieren und eine gute Kalkulation des Gesamtpakets zu erstellen mit optimalem Preis-Leistungsverhältnis für die Teilnehmer und Begleitpersonen. Zusätzlich gibt es immer  mehrere gemeinsame Abend- und Mittagessen sowie interessantes touristisches Rahmenprogramm - abseits vom Schach (auch im Paketkreis enthalten). Traditionell gibt es auch immer Erinnerungs-Präsente für die Teilnehmer. Während es im vergangenen Jahr eine Powerbank mit Eurochess-Logo gab, erhielten die Teilnehmer dieses Jahr – nach vorheriger Größenangabe bei der Anmeldung – ein weißes T-Shirt mit Eurochess-Logo.

Für mich als relativer „Neuling“ in der Bundesbank-Schachgruppe war es erst meine zweite Teilnahme an einer Eurochess. Im letzten Jahr war die Eurochess – mit sehr schönem Rahmenprogramm – von den Kollegen in Brüssel im Mai durchgeführt worden. Neben Schach wurde damals ein sonniger Tagesausflug mit einem Schiff über einen Kanal südlich von Brüssel mit Passage zahlreicher alter Schiffshebewerke und einer Stadtführung in Brüssel angeboten.

Dieses Jahr richteten die Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Nationalbank (OENB) die Eurochess in der schönen Stadt Wien aus.  

Nach individueller Ankunft am Donnerstag, dem 3. Oktober im Motel-One-Hotel in unmittelbarer Nähe zum Wiener Prater starteten alle 69 Teilnehmer und ca. ein Dutzend – nicht Schach spielende – Begleitpersonen mit einem gemeinsamen Abendessen im „Schweizer Haus“ (auf dem Pratergelände), gefolgt von einem „Captains-Meeting“, bei welchem viele organisatorische Details für die kommenden drei Tage besprochen wurden. Am Freitag dem 4. Oktober ging es gemeinsam mit der U-Bahn in die Wiener Innenstadt. Wir erhielten alle vom Veranstalter Drei-Tage-Tickets und brauchten uns um nichts weiter kümmern. Von der U-Bahn-Station am Rathaus war es nur ein kurzer Fußweg bis zur Österreichischen Zentralbank.

Kurzer Fußweg zur Notenbank

Dort wurde dann über den ganzen Tag ein Schnellschachturnier in den Räumlichkeiten der Zentralbank ausgerichtet („der offizielle Teil“, oftmals durch den Dienstherrn mit „Sonderurlaub“ unterstützt, schließlich vertritt man ja sein Land auf internationalem Parkett). Gespielt wurde in einem sehr großen Saal, früher wohl einmal die Hauptkasse der Zentralbank. Zur Mittagspause bereiteten die Köche der Kantine ein kleines aber feines warmes Buffet vor. Abends wurde dann in der Nähe beim Uni-Bräu“ bei einem weiteren gemeinsamen Abendessen mit leckerem Wein und Bier über die Partien und die schöne Stadt Wien philosophiert.

Der Turniersaal

Samstags ging es dann vormittags erneut zur Zentralbank. Da stand dann Blitzschach – „just for fun“ auf dem Programm mit erneut leckerem Mittags-Buffet in der Zentralbank. Der Nachmittag stand dann allen Spielern zur freien Verfügung, um Wien auf eigene Faust zu erkunden. In Hotelnähe fand abends im Gasthaus Moeslinger nach einem weiteren sehr leckeren Abendessen die feierliche Siegerehrung statt.

Blick von oben auf das Turnier

Bei der Eurochess sind die Siegerehrungen immer sehr feierlich. Früher gab es wohl auch mal einen Dresscode, auch heute noch erschienen mehrere Teilnehmer mit feinem Anzug und Krawatte, die meisten aber mittlerweile eher etwas lockerer/casual. Es gibt zwar keine Geldpreise (deswegen ist eh niemand bei der Eurochess), aber jedes Team bekam eine kleine Erinnerungs-Plexiglas-Trophäe. Das Siegerteam bekam einen etwas größeren Staubfänger.  

Nach gemeinsamem Frühstück begann Sonntags – nach Gruppeneinteilung – und kurzer U-Bahn-Fahrt eine mehrstündige Stadtführung in Wien.

Wien!

Anschließend trafen sich die Teilnehmer im Bermuda-Bräu zu einem gemeinsamen (Abschluss-)Mittagessen. Danach ging es via U-Bahn kurz zurück in’s Hotel um das Gepäck zu holen gefolgt von einem Shuttle-Service zum Flughafen bzw. individueller Abreise via Auto oder Zug.

Fazit: Auch dieses Jahr war die Eurochess wieder ein sehr schönes Turnier bei welchem – neben dem Schachbrett – bei vielen Gesprächen und gemeinsamen Stunden Kontakte geknüpft werden konnten bzw. alte und über viele Jahre entstandene Bekanntschaften gepflegt werden.

Der Turnierverlauf

Schnellschach – Einzelwertung  und Mannschaftswertung:

Der Turnier-Modus ist vergleichbar mit dem des jährlichen „Nato-Turniers“, über welches bei ChessBase schon öfters berichtet wurde. Gespielt wurde bei der Eurochess in einer Gruppe nach Schweizer System, wobei Spieler aus dem gleichen Land nicht gegeneinander gelost wurden. Die besten 4 Spieler eines Landes werden zu einer Team- bzw. Mannschaftswertung (hier „Länderwertung“) zusammengefasst. Während in den Vorjahren 7 Runden Schnellschach gespielt wurden (20 Min., kein Increment), entschieden sich die Österreicher für 11 Runden mit 12 Minuten pro Spieler und Partie zzgl. 3 Sekunden Inkrement je Zug.

Die Damen

Unter den 69 Teilnehmern aus 14 Ländern waren 4 Frauen. Das Turnier war insgesamt wieder sehr gut besetzt. Mit dabei waren auch 3 Titelträger (je 1 GM, FM und CM). Setzlistenerster und Favorit für die Einzelwertung war – wie bereits im Vorjahr GM Antonio Fernandes.

Gerhard Lutz gegen Antonio Fernandes

Während einige Länder „nur“ mit 4 Spielern antraten, hatten andere Länder mehr oder weniger viele „Streichergebnisse“, welche nicht gewertet wurden. So traten Frankreich, die Niederlande, Ungarn, Italien und Griechenland mit jeweils 6 Spielern an. Die Österreicher und Spanier waren zu siebt und Belgien trat gar mit 9 Spielern an.    

Während das „Team“ Luxemburg  im Vorjahr in Belgien mit Steven Wagner eine One-Man-Show war (und mit 5,5 aus 7 in der Team-Wertung Platz 16 vor Estland mit 5 Punkten auf Platz 17 erreichte), kamen dieses Jahr drei starke Spieler der Europäischen Investitionsbank dazu (teilweise bekannt aus der Luxemburger Nationaldivision, der höchsten Spielklasse in Luxemburg). Da aus Malta ein „Einzelkämpfer“ anreiste und aus Estland auch nur zwei Spieler in Wien dabei waren, wurde – ergänzt um einen Spieler aus dem Gastgeberland das Team Estland-Malta-Österreich konstituiert.

Wie bereits im Vorjahr in Brüssel hatte der GM im Feld auch in Wien in einzelnen Partien seine liebe Mühe und landete im Abschlussranking mit 8,5 aus 11 „nur“ auf Rang drei. Die Einzelwertung wurde von Dirk Michiels aus Belgien (Nr. 4 der Startliste) mit 9 aus 11 gewonnen. Zweiter wurde Jose F. Torres Bosch aus Spanien (8,5) vor GM Antonio Fernandes aus Portugal (8,5) auf Rang 3 und Steven Wagner (8) auf Rang 4.

Umlagertes Spitzenbrett

Von Beginn an zeigten sich die Luxemburger Spieler lange Zeit in guter Form und führten von Beginn an die Tabelle an. In einzelnen Zwischenranglisten hatten sie bereits mehrere Punkte Vorsprung und es sah nach einem glatten Durchmarsch aus. In den letzten beiden Runden des Turniers schwächelten die Luxemburger aber und die Spieler aus Frankreich, die bereits öfters die Team-Wertung der Eurochess gewannen (u.a. auch 2018 in Brüssel) holten gut auf und zogen nach der letzten Runde mit einem halben Punkt noch vorbei und erreichten 30 Punkte. Luxemburg lag mit 29,5 Punkten nach Feinwertung vor dem Drittplatzierten Belgien. Deutschland – in der Mitte des Turniers noch im guten Mittelfeld gelegen – verlor in der Schlussrunde alle Partien und landete mit 22 Punkten etwas enttäuschend auf Rang 10 von 12 Teams.

Team Frankreich

Team Luxemburg

Team Belgien

Blitzschach - Einzelwertung

Während bei der Eurochess in den Vorjahren „nur“ ein Schnellschachturnier gespielt wurde – und viel Zeit für ein großes Rahmenprogramm für zwei Tage bestand, boten die Wiener ein Blitztunier an („wir sind aus ganz Europa angereist und schließlich zum Schachspielen hier“ – hörte man von einzelnen Spielern). Dieses Blitzturnier wurde ohne Mannschaftswertung gespielt und war eher „just for fun“. Unter den 48 Teilnehmern des Blitzturniers (11 Runden, 3 Minuten pro Partie/Spieler zzgl. 2 Sekunden Increment) bestätigte GM Antonio Fernandes seine Favoritenrolle und gewann mit 9,5 Punkten vor Jose F. Torres Bosch aus Spanien mit 9 Punkten und Albert Termeulen aus den Niederlanden mit 8 Punkten. 

Die Sieger des Blitzturniers

Eine Turnierseite gibt es – leider – nicht. Die diesjährigen Ergebnisse und viele Tabellen und Auswertungen (auch zu einzelnen Spielern) sind aber auf der Chess-Results-Seite hier zu finden:

Schnellschachturnier mit Mannschafts-/Länderwertung

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Michiels Dirk 9,0 63,0
2 Torres Boch Jose F. 8,5 66,5
3 Fernandes Antonio 8,5 65,5
4 Wagner Steven 8,0 63,5
5 Zerafa Jonathan 8,0 59,0
6 Sebe-Vodislav Razvan-Alexandru 7,5 64,5
7 Hawia Thierry 7,5 59,5
8 Delort Frederic 7,5 57,0
9 Renault Fabien 7,5 55,0
10 Stanic Zoran 7,0 59,5
11 Meyer Henri 7,0 58,0
12 Croizier Valery 7,0 57,0
13 Vroombout Enrico 7,0 55,5
14 Scheichel Herbert DI. 7,0 50,5
15 Lutz Gerhard 6,5 57,5

69 Teilnehmer

http://chess-results.com/tnr476679.aspx?lan=0

Blitzschachturnier:

http://chess-results.com/tnr476886.aspx?lan=0

Herzlichen Dank an dieser Stelle an Herrn Michael Blaschek, dem Geschäftsführer des Erholungs- und Sportvereins der Österreichischen Nationalbank und sein gesamtes Team für die hervorragende Organisation der Eurochess 2019. Ebenso vielen Dank an den Inernationalen Schiedsrichter Kristof Kaweh für die sehr zügige, nette, problemlose und reibungslose Turnierdurchführung. Es gab keinerlei Streitfälle zu verzeichnen. Für einen „running gag“ sorgten eigentümliche Übersetzungen ins englische und seine immer gleichen Ansagen vor jeder Rundenfreigabe, dass man die Position der Grundstellung „position oft he chessmen …“ prüfen solle.

In Brüssel im Mai 2018 hatten die Kollegen aus Portugal bereits avisiert, dass sie gerne die Eurochess 2020 – erstmals – in Portugal ausrichten möchten, wahrscheinlich in Lissabon. Dies wurde im Rahmen der Siegerehrung in Wien dann final bestätigt, wobei der Termin noch nicht feststeht. Die Vorfreude auf die nächste Eurochess ist bereits sehr groß.

Für das Folgejahr gibt es derzeit noch kein Land bzw. Ausrichter. Die Teilnehmer, viele bereit seit vielen Jahren bzw. seit Beginn dabei, konnten sich nicht erinnern, dass in Italien jemals eine Eurochess stattfand. Die Statistik enthält zwar ein Turniereintrag für Italien im Jahr 1999 – allerdings seien dort wohl nur 4 Teams dabei gewesen. Rom wäre sicherlich ein guter Austragungsort und auf jeden Fall eine Reise im Jahr 2021 wert.

Mittelfristig wäre Deutschland wohl auch erneut an der Reihe. Die letzte Eurochess in Deutschland fand im Jahr 2007 im Bundesbank-Schulungszentrum in Eltville statt mit seinerzeit sehr schönem Rahmenprogramm im Rheintal mit Weinproben, Wanderungen und Besichtigung von Kloster Eberbach, wie einige Teilnehmer noch in sehr guter Erinnerung haben. 


Gerd Densing ist ein begeisterter Vereins- und Turnierspieler. Seine Eindrücke hat er in vielen Berichten auf der ChessBase-Nachrichtenseite festgehalten.

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