Anatoli Karpow im Brennpunkt des Geschehens
Schachvereinigung 1930 Hockenheim verteidigt die Tabellenführung und hat die
1.Bundesliga im Visier
Von Dieter Auer
Niemand wollte so recht daran glauben, dass Anatoli Karpow sich bereit erklären
würde, für seinen deutschen Verein - er ist Ehrenmitglied seit 1994 - aktiv
Schach zu spielen. Dass der hiesige Schachclub in den vergangenen Jahren eine
Erfolgsstory mit dem Aufstieg aus der Bereichsklasse über die Landesliga Mannheim,
die Verbandsliga Nordbaden, die Oberliga Baden bis zum unangefochtenen Tabellenführer
der 2. Bundesliga schaffen würde, hätte man ebenfalls nicht prognostizieren
können.
Am 6. Februar aber wurde nun ein Schachtraum wahr: das erste Spiel nach über
20 Jahren von Anatoli Karpow in einem Mannschaftskampf in einer deutschen Liga.
Der Auftritt des Weltmeisters der Jahre 1975-1985 und 1993-1999 schreibt damit
Hockenheimer Schachgeschichte. Das Ambiente hierzu bot die Zehntscheune vor
historischer Kulisse im Herzen der Großen Kreisstadt mit über 200 Besuchern
und Schachfans.
Zur sechsten Runde im Heimspiel gegen Böblingen begrüßte Bürgermeister Zimmermann
pünktlich um 11 Uhr die Gäste und gab zusammen mit Schiedsrichter Matthias Kramer
die Bretter frei.
Karpow wird von Bürgermeister Werner Zimmermann begrüßt, dessen
Vater Gustav Zimmermann den Hockenheimer Schachklub 1930 mit begründete.
1... Sf6 war die Antwort des ehemaligen Weltmeisters Anatoli Karpow auf den
Eröffnungszug des französischen Großmeisters Anthony Wirig.
Wirig gegen Karpow
Die Partie war hart umkämpft und sollte bis zum Schluss andauern. Aber was geschah
an den anderen Brettern? Immerhin traten die Rennstädter als Tabellenführer
an mit zwei weiteren Großmeistern an Brett 2 und 3. GM Rainer Buhmann allerdings
musste nach seiner Rückkehr aus Gibraltar, wo er gemeinsam mit Nationalspieler
GM Daniel Fridman die deutschen Farben gut vertrat, seinem Gesundheitszustand
Tribut zollen und erklärte sich frühzeitig mit einem Remis einverstanden.
GM Rainer Buhmann an Brett 2
Den Rückstand nach einer Niederlage an Brett 7 von FM Alexander Postojev egalisierte
GM Zoltan Ribli mit einem nie gefährdeten Sieg an Brett 3.
Aber frühzeitig konnte man erkennen, dass mit Böblingen sich eine Hürde auftat,
die nicht leicht zu überspringen sein würde. So war man froh, dass IM Alexander
Gasthofer die Niederlage seines Schachfreundes IM Hannes Rau ausgleichen konnte.
Nach zwei weiteren Unentschieden der IM Oleg Boguslavskyy und IM Roman Vidonyak
war der Zwischenstand 3,5 :3,5 und am Brett des ehemaligen Weltmeisters musste
die Entscheidung fallen. Das Brett war umringt von zahlreichen Kiebitzen aus
Nah und Fern, die den unentschiedenen Ausgang an diesem Brett und auch im Mannschaftskampf
registrierten.
Spannung bis zum Schluss: Schiedsrichter Matthias Kramer verfolgt die Partie
von Ex-Weltmeister Karpow.
Zu der unabhängig vom Ausgang der Spielbegegnung gegen Böblingen vorbereiteten
Feier nach dem Ende der Veranstaltung im Knossos Palace stießen noch die Nr.
1 im deutschen Schach GM Arkadij Naíditsch und GM Georg Meier, die Montag und
Dienstag ein Trainingsseminar unter Leitung von Anatoli Karpow im Racket Center
Nußloch absolvieren werden. Dabei stellte sich heraus, dass die deutschen Spitzenspieler
dem Ausbau des Racket Centers als Trainingsstätte für deutsche Spitzenspieler
und Nachwuchskräfte großes Interesse entgegen bringen. Am Ende war man sich
einig, dass das geplante Treffen nicht das letzte sein würde. Die Verantwortlichen
im Schach und in der Sportregion Rhein-Neckar dürfen sich mit der Thematik ernsthaft
beschäftigen, ob künftig die deutsche Schachelite in der Region ein- und ausgehen
wird.