Nach dem Angriff von Russland auf die Ukraine wurde der russische Schachverband, so wie alle anderen Sportverbände auch, mit Sanktionen belegt und von den internationalen Sportveranstaltungen ausgeschlossen. Das betrifft nicht die russischen Sportler persönlich. Sie können als Einzelspieler an den Veranstaltungen teilnehmen, nicht jedoch unter russischer Flagge.
Der Weltschachbund bot einen vereinfachten Verbandswechsel an und die Möglichkeit unter der Flagge der FIDE zu spielen und an Turnieren teilzunehmen.
Einige russische Großmeister und Spitzenspieler machten davon Gebrauch. Aus den Top 100 der FIDE-Weltrangliste sind inzwischen sieben russische Top-Großmeister unter der FIDE-Flagge geführt. Die FIDE führt ja auch eine Länderliste mit den spielstärksten Verbänden, errechnet nach dem Schnitt der zehn besten Spielern des Landes. Errechnet man den Schnitt der neun russischen Spieler, die in den virtuellen FIDE-verband gewechselt sind, so gehört diese Gruppe mit einem Schnitt von knapp unter 2700 Elo zu den Top Fünf der weltbesten Verbände.
Die Sanktionen gegen den russischen und auch weißrussischen Verband betreffen nicht nur die Teilnahmemöglichkeit unter den Flaggen der beiden Länder. Es gibt auch viele praktische Probleme, zum Beispiel bei der Anreise. Die Flugverbindungen zwischen den Ländern der EU und Russland und Weißrussland sind alle gekappt. Das einzige europäische Land, das noch Flugverbindungen nach Russland unterhält ist Serbien.
So haben die Spieler, die sich für einen Verbandswechsel entschieden haben, zum Teil auch Russland verlassen und einen Aufenthaltsort in einem anderen Land gewählt.
Evgeny Romanov wechselte schon früh in den Norwegischen Verband. Dmitry Andreikin, der wie einige anderen Spieler auch vom Kriegsbeginn überrascht wurde, als er den Grand Prix in Belgrad spielte, ist laut einem Beitrag von Stefan Löffler auf Chess Tech nicht nach Russland zurückgekehrt, sondern ist nach Mazedonien gegangen, wo er seit einigen Jahren für den Klub Alkaloid spielt und offenbar Freunde hat.
Eine neue Heimat in Spanien haben Daniil Yuffa, Vladimir Fedoseev und Kirill Alexeenko gefunden. Yuffa war schon im letzten Jahr in den spanischen Verband gewechselt. Auch Nikita Vitiugov hat mit seiner Familie Russland verlassen und ist nach Spanien gezogen. Grigori Oparin studiert bereits seit zwei Jahren in Saint Louis, hat nun den russischen Verband verlassen und spielt unter FIDE-Flagge.
Alexandr Predke hat ebenfalls am Grand Prix teilgenommen und soll sich mit seiner Freundin Marine Severin in Richtung Türkei orientiert haben.
Einige Spieler erwägen einen endgültigen Verbandswechsel, doch dieser ist bei Großmeistern dieser Qualität mit einer "Transfergebühr" verbunden. Bei einem Verbandswechsel verhängt die FIDE üblicherweise eine zweijährige Sperre, die der aufnehmende Verband umgehen kann, wenn er sich mit dem abgebenden Verband einigt, meist im Zuge einer Geldzahlung. Bei Weltklassegroßmeistern sind 20.000 Euro "Ablöse" durchaus üblich. Wie eine solche Zahlung an den Russischen Verband derzeit möglich sein könnte, ist aber völlig unklar und wäre auch mit einer Reihe von praktischen Schwierigkeiten verbunden. Es gab in der Vergangenheit aber auch schon Sonderfälle, wenn der Verbandswechsel durch besondere Umstände unumgänglich war.
Nicht nur die Spieler verlassen Russland. Die in Russland gegründete Vermarktungsorganisation "World Chess", Organisator der Grand Prix Turniere, will Russland verlassen, oder hat das schon getan, und verteilt seine Mitarbeiter auf Büros in Berlin, Tiflis und Israel. Der World Chess Club in Moskau soll verkauft werden, zitiert Stefan Löffler Chess Tech World Chess CEO Ilya Merenzon.
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