Fairplay im Schach

von ChessBase
24.02.2017 – Schach ist im Vergleich zu manchen Mannschaftsportarten eine ziemliche faire Sportart. Aber auch im Schach gibt es Fälle von unfairem Spiel oder sogar Betrug. Fair Play muss den Schachspielern von Anfang an beigebracht werden, sagt die Deutsche Schachjugend und hat eine neue Initiative gestartet.

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Von Conrad Schormann

„So gewinnt man nicht“, sagte Florent Mayer und meldete die Partie seines Schützlings bei der Deutschen Schulschachmeisterschaft als verloren. Zwar hatte der Schüler soeben die Dame seines Gegners erobert, aber Mayer als Mannschaftsführer der Grundschule „Judith Kerr“ aus Berlin war nicht entgangen, dass ihm ein Mitspieler den entscheidenden Zug vorgesagt hatte. Jetzt bekommt Florent Mayer den Fairplay-Preis der Deutschen Schachjugend (DSJ). Die Geste Mayers sei „eines der besten Beispiele für Fairplay und den Einsatz für die Werte des Schachsports“, meldet die DSJ.

Nach Einschätzung der DSJ ist das Thema Fairplay beim Schach unterrepräsentiert. Vorsitzender Malte Ibs und Geschäftsführer Jörg Schulz wollen das ändern. Beide widersprechen der laut DSJ verbreiteten Einschätzung, dass es beim Schach in erster Linie darum geht, sich an das Regelwerk zu halten. Situationen wie die von Florent Mayer erlebte erforderten eine sportliche Haltung, nicht Paragrafenkenntnis.

Müsste nicht die Sensibilität für Fairplay beim Schach in dem Maße steigen, wie die Sensibilität für Betrug längst gestiegen ist? In Bremen mag das schon passiert sein. Bei einem Fairplay-Seminar der DSJ in der Hansestadt haben jetzt der Landesverband und die Landesschachjugend Bremen das Thema auf ihre Agenda gesetzt, und beide wollen es in ihre Vereine und Schachgruppen tragen, um eine „Kultur des Fairplay“ zu schaffen. Nach dem Landesverband Baden-Württemberg ist der Bremer der zweite in Deutschland, der das Werte- und das Positionspapier der DSJ zum Fairplay in sein Leitbild aufgenommen hat.

1976 schrieb der englische IM William Hartston sein wunderbares Buch „Wie man beim Schach bescheißt“ („How to cheat at chess“). Zwei Jahre später stritten die Herren Karpov und Kortschnoj neben dem höchsten Titel im Schach um Geheimbotschaften im Joghurtbecher und eine radioaktiv strahlende Sonnenbrille. Seitdem hat das Schach rasant an Unschuld verloren.

Hartstons gesammelte Episoden können wir heute ebenso als Folklore abtun wie Karpovs und Kortschnojs gegenseitige Betrugsvorwürfe. Die erkleckliche Zahl an elektronischen Betrügereien ist dagegen ein akutes Problem. Seit Mobiltelefone besser spielen als Großmeister, ist die Versuchung groß und die Zahl derer, die ihr erliegen, auch, Dunkelziffer unbekannt. Wäre eine Kultur des Fairplay schon beim Kinderschach etabliert, würden womöglich weniger Erwachsene Engine-Doping versuchen.

Betrug mittels elektronischer Hilfe ist zwar der schlimmste Auswuchs fehlender sportlicher Haltung, aber nicht die Hauptstoßrichtung der DSJ-Fairplay-Initiative. In Bremen besprachen die aus der Hansestadt und Niedersachsen angereisten Teilnehmer praktische Fälle, die schwerlich allein per Paragraf zu regeln sind:

- Was tun, wenn der Gegner Dein Remisangebot annimmt, aber seine Zeit abläuft in dem Moment, als er die Hand übers Brett reicht?
- Was tun, wenn vor dem sportlich bedeutungslosen Mannschaftskamp in der letzten Runde der Saison der gegnerische Mannschaftsführer anruft und ein kampfloses Unentschieden anbietet?
- Was tun, wenn Dir in der letzten Runde des Turniers ein Freund gegenübersitzt, dem ein Partiegewinn den Turniersieg sichern würde?

Solche und andere Entscheidungen wären für Beteiligte, die eine Fairplay-Kultur verinnerlicht haben, leichter zu treffen.

Die DSJ hat ein Onlineportal zum Fairplay eingerichtet.

 

 

Unter www.deutsche-schachjugend.de/fairplaymeldeformular.html gibt es außerdem ein Meldeformular für Fälle von faulem und fairem Spiel. Letzteren will die DSJ Öffentlichkeit verschaffen, damit sie Schule machen.

 

 

Aus der DSJ-Powerpoint-Präsentation

 

Dreizehn reale Fälle aus dem Schachalltag

Wie verhält man sich richtig in folgenden Fällen?

1. In einer Langzeitpartie stehst du leicht schlechter, dein Gegner ist in Zeitnot. Du machst einen Zug und bietest deinem Gegner Remis an. Dieser überlegt. In dem Moment, in dem sein Plättchen fällt will er dir die Hand rüber reichen, um das Remisangebot anzunehmen.

2. Dein jugendlicher Gegner möchte seinen Springer ziehen. Kaum hat er in die Hand genommen, sieht er, dass du die Dame angegriffen hast. Er stellt den Springer zurück, um seine Dame wegzuziehen.

3. Bei der Einzel-Landesmeisterschaft wirst du in der letzten Runde gegen deinen Vereinskollegen gelost. Mit einem Sieg würde dein Freund das Turnier gewinnen und Landesmeister werden. Du stellst schnell einen Turm ein, um die Partie aufgeben zu können.

4. Bei der Einzel-Landesmeisterschaft wirst du in der letzten Runde gegen deinen Vereinskollegen gelost. Mit einem Remis würde dein Freund das Turnier gewinnen und Landesmeister werden. Nach 5 Zügen einigt ihr euch auf Remis.

5. In der letzten Runde der Mannschaftsligen spielen zwei abstiegsbedrohte Teams gegeneinander. Beide benötigen noch einen Mannschaftspunkt, um sicher den Klassenerhalt zu schaffen. Um Fahrtkosten zu sparen, einigen sie sich bereits vorher auf 3-3. Die Mannschaftsführer treffen sich vorab an einem Turnier, um die Mannschaftskarte zu unterschreiben.

6. In der letzten Runde der Mannschaftsligen spielen zwei abstiegsbedrohte Teams gegeneinander. Beide benötigen noch einen Mannschaftspunkt, um sicher den Klassenerhalt zu schaffen. Nach wenigen Zügen einigen sich alle sechs Bretter auf Remis. Der Mannschaftskampf geht so 3-3 aus und beide Team bleiben in der Klasse.

7. In einer unteren Liga spielst du eine Partie gegen einen gleichstarken Gegner. Durch eine Unachtsamkeit stellst du eine Figur ein. Nun hörst du das Handy deines Gegners in seiner Tasche klingeln. Er entschuldigt sich und macht es sofort aus. Wie verhältst du dich?

8. Bei der Landesmeisterschaft wird ein Zwillingspaar gegeneinander gelost. Beide Kinder sind ungefähr gleich stark. Da sie ungerne gegeneinander spielen wollen, machen sie ein schnelles Remis aus.

9. Bei einem Open spielen in der letzten Runde zwei Vereinskollegen gegeneinander. Beide liegen sehr gut im Rennen. In einer sehr positionellen Partie warten sie, bis die anderen vorderen Partien beendet sind, um dann heimlich auszurechnen, mit welchem Ergebnis sie das meiste Preisgeld erhalten, dass sie sich fair teilen wollen.

10. Um die Möglichkeit zu einem Freiplatz zu erhalten, benötigt ein talentierter Jugendlicher eine höhere DWZ Zahl. Aus diesem Grund organisiert der Verein ein „Wohnzimmerturnier“. An einem Wochenende spielt der Jugendliche ein 5 rundiges DWZ ausgewertetes Turnier gegen vier erwachsende, DWZ-starke Vereinskameraden. Tatsächlich kann er seine DWZ Zahl bei diesem Turnier um über 100 Punkte steigern und ist damit in der Favoritenrolle, um den noch freien Startplatz in seiner Altersklasse.

11. Bei den Norddeutschen Mannschaftsmeisterschaften spielen zwei Vereine aus dem gleichen Bundesland gegeneinander. Beide Mannschaften haben die Spielstärke, sich für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren. Die Teams einigen sich, schnell 2-2 zu spielen, um sich nicht gegenseitig die Chance zu nehmen.

12. Bei einem Mannschaftsturnier rechnet der Betreuer aus, dass 3 Punkte für die Qualifikation zur nächsthöheren Meisterschaft reichen. Um den Erstplatzierten und haushohen Favoriten aus dem Weg zu gehen, empfiehlt der Betreuer seiner Mannschaft, lieber in der vorletzten Runde 2-2 zu spielen, anstatt zu gewinnen. Beim Stand von 1,5-1,5 gibt das dritte Brett daher in klar besserer Stellung ein Remisangebot ab, dass angenommen wird.

13. In der letzten Runde der Mannschaftsmeisterschaft spielt man gegen den haushohen Favoriten. Um ein 2-2 zu erreichen, beschließt der Betreuer, dass die Bretter 2+4 immer die gleichen Züge spielen sollen, wie das jeweilige Brett 1+3 des Gegners. Die Bretter 1+3 ebenso die gleichen Züge, wie die Bretter 2+4 des Gegners, so dass je zwei identische Partien entstehen.
 

Landesverband Bremen setzt auf Fairplay...

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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