Falsch gezählt?
Die in Basel, Aeschenplatz 7, produzierte
Basler Zeitung wies am Samstag, 4. Oktober 2003, in der auf Seite 2
platzierten Rubrik "Aeschenplatz 7" unter der Überschrift "Vom Mat Somptueux
und der Zukunft" auf die Schach-Ecke des Blattes hin:
"Wo in der heutigen Ausgabe kann man von Fesselungen, Bauernknoten, spitzen
Dolchen und Französisch lesen? Natürlich auf der samstäglichen Seite Denksport
(S.53). «Les variantes sont subtiles et le mat somptueux!» steht dort: «Die
Varianten sind voller Feinheiten und das Matt prachtvoll». Leser Th. O.
kommentiert Josef Kuppers Schachproblem Nummer 12201. Die hohe Zahl belegt, dass
unsere zwei Experten, Rolf Notter und Hartmut Jäger, eine lange Tradition
fortführen. Sie präsentieren am Samstag zwei Probleme, acht Wochen später die
Lösung samt den Kommentaren all jener, die Varianten an die BaZ geschickt haben.
Warum also nicht mal das alte Brett und die Figuren entstauben und herausfinden,
wie man einen König in nur zwei oder drei Zügen schachmatt setzt. Erholen vom
Königsmord kann man sich beim Kreuzworträtsel..."
Der redaktionelle Hinweis auf die lange Tradition der Schach-Ecke veranlasste
den für Schach zuständigen Redakteur (schweizerisch: Redaktor) Rolf Notter dazu,
die Nummerierung der Aufgaben zu überprüfen. Ihm war natürlich bekannt, dass die
heutige Basler Zeitung erst 1977 durch eine Fusion entstanden ist.
Eine erste "Basler Zeitung" erschien 1831 bis 1859. Zu den Mitarbeitern dieser
Zeitung gehörte u.a. eine Zeit lang der berühmte Kulturhistoriker Jacob
Burckhardt (1818-1897). Damals gab es jedoch noch keine Schachrubrik. Eigentlich
gab es zu dieser Zeit noch nicht einmal eine Schachzeitung in der Schweiz.
"Eigentlich" deswegen, weil der Lehrer und spätere Regierungssekretär in Chur
Friedrich Capraez (1830-1891) von 1857 an auf eigene Kosten einige Jahre lang
eine eigene Schachzeitung herausgab (Schweizerische Schachzeitung), zu
deren Problemteil er eigene Schöpfungen beisteuerte. Erst im Oktober 1900, elf
Jahre nach der Gründung des Schweizerischen Schachvereins, erschien die erste
Ausgabe der Schweizerische Schachzeitung (SSZ) als Vereinsorgan.
1844 wurde die Zeitung "Allgemeines Intelligenzblatt der Stadt Basel" gegründet.
Diese Zeitung änderte 1856 ihren Namen um in Basler Nachrichten aus der
Schweiz und für die Schweiz. Die Basler Nachrichten entwickelten sich
zu einer der führenden Tageszeitungen der deutschen Schweiz. Jahrzehnte lang
erschien das Blatt sogar zweimal täglich in einer Morgen- und einer Abendausgabe
(bis 1972). 1977 fusionierte das Blatt mit der National-Zeitung zur
Basler Zeitung. Die erste Ausgabe der Basler Zeitung erschien am 31.
Januar 1977.
Die Nummerierung der Schachaufgaben in der Basler Zeitung wurde von der
National-Zeitung übernommen und fortgeführt. Rolf Notter entdeckte, dass
das Schachproblem mit der Nummer 1 von Dr. Moriz Henneberger am 2. Oktober 1920
in der National-Zeitung publiziert wurde.
In die Schach-Ecke wurden zeitweise sogar drei Probleme pro Woche aufgenommen.
So erklärt sich die heutige hohe Zahl von über 12.000 Aufgaben. Trotzdem stimmt
etwas nicht an dieser Zahl; sie ist zu hoch!
Einen Monat nach dem ersten Hinweis auf die Schach-Ecke berichtete die Basler
Zeitung (wieder in der Rubrik "Aeschenplatz 7") in der Ausgabe vom 8./9.
November:
"... wie unser Schachredaktor Rolf Notter herausfand, ist die heutige Zahl zu
hoch. Der Druckfehlerteufel ist schuld. Am 14. Juni 1962 wurde nach der Nr. 4568
das Problem Nr. 5469 (statt 4569) publiziert. Und fortan - falsch -
weitergezählt. Der Fehler wurde nie korrigiert."
Die Schach-Ecke der Basler Zeitung gibt es auch weiterhin.
Selbstverständlich ist das nicht. Aus Kostengründen erschien das "Basler
Magazin", eine am 5. Februar 1977 erstmals publizierte Wochenendbeilage der
Basler Zeitung, am 8./9. November zum letzten Mal.
Um noch etwas über Moriz Henneberger zu sagen... Die Basler Zeitung
schrieb den Vornamen des Problemkomponisten mit "t" (Moritz). Dessen Cousin Hans
Henneberger, der für das Jubiläumsbuch des Schweizerischen Schachverbandes (1889-1989
- 100 Jahre Schweizerischer Schachverband, Zug 1989) das Kapitel "Das
Problem" bearbeitete, schrieb den Vornamen seines Onkels ohne "t": Moriz. Dies
wird daher wohl die richtige Schreibweise sein.
Moriz Henneberger (1878-1959) war Mathematiklehrer und Schachmeister. Dreimal
gewann er die Landesmeisterschaft: 1899, 1906 und 1909. Von 1907 bis 1908 und
von 1916 bis 1917 leitete er die SSZ als Chefredakteur. 1915 und 1916
veröffentlichte der Problemkomponist Studien zu Endspielen mit ungleichfarbigen
Läufern, die seinerzeit einen wertvollen Beitrag zur Endspieltheorie
darstellten. Von 1949 bis 1956 war Moriz Henneberger Problemredaktor des SSZ.
Die umfangreiche Schach-Ecke der Basler Zeitung enthält übrigens nicht
nur Probleme, deren Lösungen und die Kommentare der Leser. Bestandteil der
Schach-Ecke ist auch ein Partienteil, der von IM Heinz Wirthensohn bearbeitet
wird. Die Partien Nr. 4.733 und 4.734 in der Ausgabe vom 29./30. November 2003
stammten aus dem Wettkampf zwischen Garri Kasparow und der 3D-Version des
ChessBase-Programms Fritz in New York. Zwei kommentierte Partien (Nr. 4.735 und
4.736) enthielt auch die Ausgabe vom 6./7. Dezember (Offene Bayerische
Meisterschaft).
Die Basler Zeitung (Auflage im Jahr 2000: über 114.000 Exemplare) wird
nicht nur in der Schweiz gelesen, sondern auch in Deutschland, wo der Vertrieb
über die Badische Zeitung erfolgt. Für denkbar hält man in Basel auch den
Schritt ins Elsass.
Gerald Schendel / 08.12.03