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Die zentrale Endrunde der Schachbundesliga und der Frauenbundesliga hat am ersten Tag alle Erwartungen übertroffen, hier wurde ein Schachevent der Extraklasse auf die Beine gestellt. Ein fantastischer Spielsaal, dazu Livekommentierung von Klaus Bischoff, Übertragung aller 100 Partien ins Internet und die Möglichkeit für alle Zuschauer, ganz nah an die Spieler heranzukommen.
Klaus Bischoff
Dieser Artikel konzentriert sich auf die für die Meisterschaft vorentscheidende Begegnung der Frauenbundesliga zwischen Schwäbisch Hall und Deizisau. Zu Beginn richtete sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf die beiden absoluten Superstars der Runde: Für Baden Baden traten Levon Aronjan und Viswanathan Anand an den Spitzenbrettern gegen Speyer Schwegenheim an.
Dazu eine Anekdote am Rande: Frank Zeller, für Schwäbisch Hall heute an Brett 7 am Start, war mit dem Zug angereist und bemerkte dort einen Herren mit Laptop, der doch aussah wie Vishy Anand. Er warf einen kurzen Blick auf dem Laptop, sah dort aber ein Kartenspiel und keine Schachstellung und dachte, er habe sich geirrt – O-Ton Frank: „Anand fährt doch nicht 2. Klasse“. Angekommen in Berlin sprach ihn Hans-Walter Schmitt (guter Freund Anands und Mit-Organisator der Grenke Chess Classics) an, ob er denn Anand nicht erkannt habe, und Frank fiel aus allen Wolken.
Übrigens wird im Berliner Maritim-Hotel dieses Wochenende nicht nur Schach gespielt: in einem zweiten Saal, der nur wenig kleiner war, findet die German Bridge Team Trophy immerhin mit einem Preisfond von 4000€ statt.
Der Bridge-Cup
Doch nun zu den Geschehnissen im Schach in Berlin. Während Baden Baden mit einem glatten 7-1 die Meisterschaft bei den Männern unter Dach und Fach brachte (siehe Berichte an anderer Stelle), geht es bei den Damen noch knapper zu. Es war schon vorher klar, dass Deizisau wohl der größte Stolperstein für Tabellenführer SK Schwäbisch Hall auf dem Weg zur ersten Meisterschaft sein würde. Baden Baden lauerte in der Tabelle nur einen Punkt hinter Schwäbisch Hall und trat vor allem an der Spitze bärenstark an: beide Muzychuk-Schwestern, und erstmals diese Saison Viktorija Cmilyte, Parlamentsabgeordnete aus Litauen, spielten an den ersten 3 Brettern. Damit zeigte der Meister, dass er seinen Titel nicht kampflos aufgeben wollte. Allerdings reichte es „nur“ zu einem 4-2 gegen Reisepartner Karlsruhe, da Karlsruhe erstmals seine beiden Topspielerinne Inna Gaponenko und Jovanka Houska ans Brett brachte, die prompt jeweils ein Remis erreichten - Begründung für den Einsatz der Spitzenspielerinnen: „die anderen Spielerinnen konnten alle nicht“. Einen vollen Punkt machte Manuela Mader gegen Ketino Kachiani-Gersinska, bei der es diese Saison gar nicht läuft.
Zwischen Schwäbisch Hall und Deizisau wurde es dramatisch. Die ersten Entscheidungen fielen in der Zeitnotphase. Hanna Marie Klek gewann gegen Iva Videnova und sicherte sich mit diesem Sieg den eigentlich schon lange überfälligen WGM-Titel. Nachdem sie schon in der 2. Bundesliga der Männer eine Norm geschafft hatte, gelang ihr das Kunststück jetzt in der gleichen Saison auch bei den Frauen, und ihre erste Norm hatte sie schon vor einigen Jahren geholt.
Den Ausgleich schaffte Jovana Rapport gegen Mara Jelica, indem sie ihren Mehrbauern im Springerendspiel verwertete. Zu diesem Zeitpunkt lag aber ein weiterer Rückstand für Schwäbisch Hall in der Luft, Yuliya Naiditsch nutzte gegen Lela Javakhishvili einen taktischen Fehler aus und spielte mit einer Mehrfigur, und der Sieg war nur noch eine Frage der Zeit, obwohl sich die Partie noch lange zog. Nach einem Remis an Brett 2 liefen noch 2 Partien: die Schwäbisch Haller Mrs 100% Deimante Daulyte (6/6) hatte zwar einen Läufer mehr, aber nur noch einen Bauern übrig, und die Stellung sah eher wie eine Endspielstudie als wie eine normale Partiestellung aus. Und Petra Papp hatte gegen Natalia Straub ein kompliziertes Turmendspiel auf dem Brett, und wie man ja weiß, sind Turmendspiele „immer remis“.
Petra Papp
In der entscheidenden Phase waren die Partien dicht von Zuschauern umlagert, da jedem klar war, dass hier die wichtigste Entscheidung im Saal fallen würde. Zudem ging den Spielerinnen langsam die Zeit aus – bei den Damen wird ja im Gegensatz zu den Herren mit der „kurzen“ Fischer-Zeit gespielt, und die Nervosität war gerade bei den Schwäbisch Haller Spielerinnen und noch mehr beim Betreuerstab und den schon fertigen Spielerinnen nicht zu übersehen.
Spannung pur
Doch am Ende gelang es beiden Spielerinnen, die Partien zum hauchdünnen 3,5-2,5 Sieg zu gewinnen und das Tor zur Meisterschaft weit aufzustoßen. Beide Endspiele sind sicher auch für Endspiel-Guru Karsten Müller gerade aufgrund der hohen Bedeutung der Partien nicht uninteressant.
Jetzt geht es für Schwäbisch Hall „nur noch“ gegen die Tabellenschlusslichter Augsburg und München, und bei 2 Siegen würde die erste Meisterschaft für die Kocherstädter feststehen. Verfolger Baden Baden dagegen hat mit Rodewisch und Bad Königshofen noch zwei ganz starke Gegner vor der Brust.
Ganz zum Schluss ein weiteres Highlight: ab 19:30 gab Anatoli Karpov sichtlich gut gelaunt eine Autogrammstunde, ab morgen wird er sicher nochmal für Hockenheim ans Brett gehen.
1. | SK Schwäbisch Hall (Frauen) | 10 | 9 | 1 | 0 | 19 | 45 |
2. | OSG Baden-Baden (Frauen) (M) | 10 | 8 | 2 | 0 | 18 | 46.5 |
3. | SC 1957 Bad Königshofen | 10 | 7 | 1 | 2 | 15 | 37 |
4. | Rodewischer Schachmiezen | 10 | 5 | 2 | 3 | 12 | 36.5 |
5. | Schachfreunde Deizisau (Frauen) | 10 | 6 | 0 | 4 | 12 | 35 |
6. | Hamburger SK (Frauen) | 10 | 5 | 2 | 3 | 12 | 34.5 |
7. | Karlsruher SF 1853 | 10 | 4 | 0 | 6 | 8 | 27 |
8. | SK Lehrte 1919 | 10 | 4 | 0 | 6 | 8 | 25 |
9. | SV Medizin Erfurt (N) | 10 | 3 | 0 | 7 | 6 | 19 |
10. | TuRa Harksheide (N) | 10 | 2 | 0 | 8 | 4 | 20 |
11. | SG Augsburg 1873 (N) | 10 | 2 | 0 | 8 | 4 | 18 |
12. | FC Bayern München (Frauen) (N) | 10 | 1 | 0 | 9 | 2 | 16.5 |
Fotos: Dr. Thomas Marschner