Bier bringt FC Bayern in Schwung
Münchner gewinnen 36. Traditions-Mannschaftsturnier in Leutasch
„Jetzt trinken wir erst ein Bier“, entschied Christoph Renner mehr launisch als missmutig bereits nach der dritten Runde. Soeben hatte der FC Bayern München gegen den württembergischen Oberliga-Absteiger TG Biberach mit 1,5:2,5 den Kürzeren gezogen. Obwohl noch zehn Runden im Finale des 36. Internationalen Schnellschachturniers in Leutasch ausstanden, hatten der Internationale Meister und seine Gefährten um Spitzenspieler Andreas Schenk das Rennen um den Turniersieg abgehakt. Ein knappes 2,5:1,5 über Prügelknabe Kaufbeuren und das 2:2 gegen die Tschechen von Joly Lysa nad Labem hatten zuvor auch nicht gerade den Optimismus des Bundesligisten befeuert, zumal bei dem Traditionswettbewerb die Brett- und nicht die Mannschaftspunkte zählen.
Welcher edle Hopfen den Bayern neuen Schwung brachte, ist nicht bekannt. Man weiß aber, dass die Fußballer des „FC Ruhmreich“ während der Oktoberfest-Zeit noch schwerer als sonst zu schlagen sind. Ähnlich unbezwingbar blieben hernach die Schachspieler des FCB, das Bier entpuppte sich als wahrer „Zaubertrank“. Erst entzauberten die Münchner den Mitfavoriten Schenkbach, die mit Großmeister Michael Hoffmann und den drei IM Olaf Wegener, Michael Hammes und Olaf Heinzel noch stärker besetzt waren, mit 3:1. Gerieten dann noch einmal gegen Titelverteidiger Erfurt ins Straucheln (1,5:2,5), ehe das Bier wohl seine Wirkung entfaltete und die Bayern Sieg auf Sieg folgen ließen. Nur der Münchner Lokalrivale MSA Zugzwang trotzte dem entfesselten Quartett noch ein 2:2 ab. So ging der Erstligist am Ende mit immer breiter werdender Brust dank eines abschließenden 4:0 über Rochade Rum hauchdünn vor dem Erfurter SK über die Ziellinie.
Die Thüringer leisteten aber auch freiwillige Schützenhilfe! Der Tabellenvierte der Zweiten Liga Ost schlug zwar in der letzten Runde MSA Zugzwang mit 2,5:1,5 – doch ein 3:1 wäre erforderlich gewesen. Dann hätten die Erfurter ebenso 38,5 Einzelzähler aus 52 Partien gesammelt. Dank 23:3 Mannschaftspunkten hätten sie gegenüber den 20:6 der Bayern Platz eins verteidigt. Doch die 700 Euro Preisgeld für sein Team gab Peter Enders freiwillig aus der Hand. Obwohl der Großmeister in wenigen Sekunden durch Zeitüberschreitung gegen seinen GM-Kollegen Stefan Bromberger gewonnen hätte, akzeptierte er ein Remis! Der halbe Punkt fehlte Erfurt. Enders bekam für seine vorbildliche Haltung immerhin den verdienten Fairplay-Preis.
Bayern München | Foto: Gerhard Bertagnolli
Mit gebührendem Abstand folgte Joly Lysa nad Labem (35,5) vor MSA Zugzwang (34,5) und Schenkbach (34). Dahinter tat sich eine weitere Lücke auf. Die weiteren Preisträger waren die von IM Thomas Reich angeführten „Die Groben“ (27,5), Biberach (26,5) und Schwäbisch Gmünd (22,5). Letztere reisten wie zahlreiche andere Teams aus Schwaben und Bayern ins grenznahe Österreich, um an Pfingsten den wohl am besten besetztesten deutschsprachigen Zehn-Minuten-Mannschaftswettbewerb in Angriff zu nehmen.
MSA-Zugpferd Leon Mons gewann die Einzelwertung am ersten Brett. Mit souveränen 10,5/13 lag er einen vollen Zähler vor drei Verfolgern. Enders verzichtete mit dem Remis-Geschenk an Bromberger auch auf den ersten Brettpreis, den so Olaf Wegener (10) knapp einheimste. Die Nummer eins an Brett drei waren Renner und der Tscheche Tadeas Balacek (jeweils 11). Am vierten Brett dominierte der Erfurter Joachim Brüggemann (10,5) vor Olaf Heinzel (9,5). Setzte eine Mannschaft weitere Spieler ein, saßen sie stets am Brett des Pausierenden und erspielten auch die Zähler für diesen in der Einzelwertung (das wurde bei den Ergebnissen auf Chess-Result nicht berücksichtigt).
Endstand
1 |
FC Bayern München |
38,5 |
20 |
2 |
Erfurt 1 |
38,0 |
23 |
3 |
Joly Lysa nad Labem 1 |
35,5 |
18 |
4 |
MSA Zugzwang |
34,5 |
22 |
5 |
Schenkbach 1 |
34,0 |
19 |
6 |
Die Groben |
27,5 |
15 |
7 |
TG Biberach |
26,5 |
12 |
8 |
Schwäbisch Gmünd 1 |
22,5 |
9 |
9 |
Schenkbach 2 |
22,0 |
10 |
10 |
Obern-Moos |
20,5 |
12 |
11 |
The Undercookers |
18,5 |
7 |
12 |
Langenau 1 |
18,5 |
7 |
13 |
Rochade Rum |
15,0 |
4 |
14 |
Kaufbeuren |
12,5 |
4 |
Masken hoch | Foto: Gerhard Bertagnolli
Die (bösen) Hexen des Westens (?) | Foto: Gerhard Bertagnolli
Um ins A-Finale zu kommen, mussten die Mannschaften in den vier Vorrundengruppen mindestens Platz vier beziehungsweise teilweise gar Rang drei erreichen. Die Spitzenmannschaften wie die Bayern, die noch mit Thomas Rodewis und Thomas Lentrodt antraten, oder Erfurt (mit Franz Bräuer am Spitzenbrett und Matthias Müller auf Position drei) hatten am ersten Tag natürlich keinerlei Mühe. Das Gros der 53 Teams verteilte sich dann auf die Gruppen B, C und D, die ebenso noch um Preise kämpften. Casino-Marketingleiter Stefan Schertler, der die Vorrunden-Auslosung im Casino verantwortete, hofft bei der 37. Auflage darauf, mehr als 60 Teams anlocken zu können.
Wer bei dem zweitägigen Turnier am Ende leer ausging, versuchte häufig sein Glück am Abend an den Roulettetischen. Mancher „verdiente“ beim zweiten Turniersponsor mehr als am Brett – das Gegenteil war bei einigen Zockern aber natürlich auch der Fall. Hätten sie bei diesem Vierer-Turnier im rechten Moment einmal zwei Euro auf der „4“ für drei Runden liegen lassen, statt in ein Bier zu investieren, hätte dies im rechten Moment an einem der Roulettetische 93312 Euro eingebracht. Das versäumten die Zocker – gelohnt hat sich der Trip nach Leutasch dennoch wieder für alle.
Alpenpanorama | Foto: Hartmut Metz
Entgegen aufkeimender Gerüchte geht es auch weiter in dem malerischen Örtchen. Organisator Bernhard Jehle, der zum vierten Mal als Verantwortlicher das Traditionsturnier ausrichtete, verwies auf die erneut positive Rückmeldung des Hauptsponsors. Der Tourismusverband Seefeld durfte sich schließlich nicht nur über mehr als 200 Spieler freuen, sondern auch manchen zusätzlichen Partner der recken, die über Pfingsten länger blieben und in der malerischen Region Wanderungen oder die kulinarischen Angebote nutzten – die Gerüchte entpuppten sich als „Kaiserschmarrn“, der ohnehin abends als Nachtisch in den Restaurants besser schmeckte.
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