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Urteile der FIDE-Ethikkommission
FIDE-Ethikkomission
Vorsitz: Mr. Roberto Rivello
Members: Mr. Ralph Alt
Mr. Laurence Ball
Mr. Dirk J.A. De Ridder
Mr. Noureddine Tabbane
Mr. Ian Wilkinson
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Die Ethikkomission bei ihrer Sitzung Ende Juli in Athen, v.l.n.r. :
Ms. Elli Sperdokli (Fide-Sekretariat in Athen), Lawrence Ball (Südafrika),
Ian Wilkinson (Jamaika),
Dirk JA De Ridder (Belgien), Roberto Rivello (Italien, Vorsitz), Ralph Alt
(Deutschland),
Noureddine Tabbane (Tunesien). Foto: Michalis Kaloumenos, Dimitris
Skyrianoglou
Aufgabe der FIDE-Ethikkommission ist es, auf Einhaltung des FIDE-Ethikkodex
zu achten und Beschwerden gegen Personen zu prüfen, die dagegen verstoßen
haben bzw. verstoßen haben sollen. In der Einleitung zu ihrem Ethikkodex hat
die FIDE ausgeführt, dass eine völlig exakte Beschreibung von Ethikrichtlinien
nicht möglich ist, aber im Weiteren auch umrissen, welche Handlungen als
Verstöße gewertet werden und welche Strafen ausgesprochen werden können.
Außerdem wurden die formalen Vorschriften formuliert, denen die
Ethikkommission bei der Verhandlung von Beschwerden zu folgen hat. So prüft
die Kommission zunächst ihre Zuständigkeit, nimmt im positiven Fall
Beschwerden an und führt ggf. Anhörungen durch, in denen die Beschuldigten
Gelegenheit haben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Aufgrund der
ermittelten Fakten und der eingereichten Unterlagen spricht sie ihr Urteil und
verhängt je nach Schwere des Falles nach einem festen Katalog Strafen.
Strafenkatalog:
- "warning" (Verwarnung)
- "reprimand" (strenger Tadel)
- "fine" (up to twenty five thousand U.S. Dollars or up to the sum stated
by a specific FIDE regulation, if existing).
(Geldstrafe bis 25.000 Dollar oder bis zu einer von der FIDE festgelegten
Summe)
Bei schweren Fällen kann auch eine Sperre verhängt werden. |
Die Ethikkommission traf sich Ende Juli in Athen, beriet dort über fünf
Beschwerden und führte über Telefon eine Anhörung durch, bei der Veselin
Topalov und sein Manager Silvio Danailov zu den gegen sie von Vladimir Kramnik
und dessen Manager Carsten Hensel erhobenen Vorwürfen Stellung nahmen. Diese
Beschwerde (judgement 04/06) ist von den fünf verhandelten Fällen ohne Zweifel
die bedeutendste.
In einer ausführlichen Erklärung hat die Ethikkommission die relevanten
Vorgänge und Fakten, die mit dieser Beschwerde in Verbindung stehen,
aufgelistet (s. Links). Einen Teil der Beschwerde hat sie abgelehnt, da die
Kommission sich hier nicht zuständig fühlte, einen Teil der Beschwerde hat die
Kommission angenommen. Ausgangspunkt sind die Vorgänge während des WM-Kampfes
in Elista im Herbst 2006 zwischen Veselin Topalov und Vladimir Kramnik.
Topalov und sein Team hatten Vladimir Kramnik vorgeworfen, während der Partien
zu häufig von seinem Video überwachten Ruheraum in den nicht Video überwachten
Toilettenraum gegangen zu sein. Da das bulgarische Team meinte, Kramnik hätte
dort die Möglichkeit, externe Hilfe zu empfangen, reichte es Protest ein, der
zum Beschluss des amtierenden Appelationskomitee führte, die Toilette zu
schließen. Dagegen gab es Proteste von Kramnik, der zur fünften Partie nicht,
zu den folgenden nur unter Protest antrat. Der Wettkampf wurde schließlich mit
Mühe zu Ende geführt, wobei in dessen Verlauf von allen beteiligten Seiten
eine Reihe von Presseerklärungen veröffentlicht und Beschwerden eingereicht
wurden.
Nach dem Urteil der Ethikkommsion waren Topalov bzw. Mitglieder seines Teams
in Elista zwar berechtigt, aufgrund ihrer Beobachtungen einen Protest
einzureichen und auch als möglichen Beweis Übereinstimmungsstatistiken der
Züge Kramniks mit einem Schachprogramm vorzulegen. Diese hätten jedoch dem
zuständigen FIDE-Organ, z.B. dem Schiedsrichter, und nicht der Presse
übermittelt werden müssen, wodurch ein klarer Verstoß gegen den Etkikkodex
vorliegt.
Die Aussagen, die Veselin Topalov in seinem Interview für ABC getätigt hat
und in denen er Kramnik des Betruges während des Wettkampfes bezichtigte,
wertete die Ethikkommission als Ruf schädigend gegen Kramnik und ebenfalls als
Verstoß gegen die Ethikregeln 2.2.9 und 2.2.11.
In Bezug auf beide Beschwerden beantragten Danailov und Topalov einen
Aufschub des Urteil, um noch Beweise für ihre Anschuldigungen gegen Kramnik
vorzulegen, doch die Ethikkommision erklärte, dass bereits genügend Zeit
verstrichen sei, Beweise zu erbringen, und dass beide Handlungen zu den
jeweiligen Zeitpunkten offenbar ohne evidenten Beweis vorgenommen wurden.
Auch gegen Topalov wurde indirekt der Verdacht erhoben, er würde
möglicherweise externe Hilfe in Anspruch nehmen. Ein Artikel von Martin
Breutigam in der
Süddeutschen Zeitung sorgte für großes Aufsehen. Infolgedessen kam es
Anfang des Jahres zu heftigen Reaktionen auf verschiedenen Webseiten, in
Zeitschriften und zu einigen weiteren
Artikeln zu diesem Thema. Unter anderem wurde Nigel Short vom indischen
Journalisten Vijay Tagore befragt. Short war als Augenzeuge bei der WM in San
Luis 2005 zugegen und äußerte sich in dem Sinne, dass dort zumindest die
Gelegenheit gegeben war, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. In besagtem
Interview, das bei der indischen DNA (online nicht mehr verfügbar) in
englischer Sprache erschien, hatte Short auch die FIDE-Vizepräsidenten Zurab
Asmaiparashvili und Georgios Makropoulos angegriffen, die während der Partien
nicht einmal im Turniersaal gewesen wären, und die beiden FIDE-Offiziellen als
"Dunderheads" bezeichnet. Zurab Asmaiparashvili hat daraufhin Beschwerde gegen
Short eingelegt.
Die Ethikkommision bestätigte Shorts Recht, sich in einem Interview kritisch zu
äußern. Das Wort "Dunderheads" (Schwachköpfe) zur Charakterisierung der beiden
FIDE-Vizepräsidenten, sei jedoch unangemessen und beleidigend gewesen. Short
wurde deshalb verwarnt.
Außerdem wurde eine Beschwerde von Ali Nihat Yazici gegen Dimitrije Bjelica
verhandelt. Bjelica hatte verschiedene FIDE- und ECE-Offizielle beleidigt und
verleumdet. Er wurde mit einem Tadel belegt. Der Beschwerde von Arthur Kogan
gegen den südafrikanischen Organisator Mr. Jackie Ngube wegen
Vertragsverletzung wurde stattgegeben. Ngube wurde für drei Jahre für alle
Aktivitäten im Zusammenhang mit der FIDE gesperrt. Im Fall von Fälschungen von
Qualifikationsunterlagen für eine Reihe marrokanischen Schiedsrichter durch
Offizielle des Marokansichen Verbandes sprach die FIDE-Ethikkommission
mehrjährige Sperren aus.
André Schulz
Links:
Aufgaben der Ethikkommission...
FIDE Ethic Rules...
Roberto Rivello:
How the Ethic commission works...
Beschwerden:
Urteil: 04/06,
Topalov und Danailov (Beschwerde von Kramnik und Hensel)...
Urteil 02/07,
Short (Beschwerde von Asmaijparashvili)...
Urteil 01/06,
Dimitrije Bjelica (Beschwerde von Ali Nihat Yazici)...
Urteil 01/07,
Jackie Ngubeni (Beschwerde von Arthur Kogan)...
Urteil 03/06,
Marokkanische Schiedsrichter (Beschwerde des Schiedsrichter-Versammlung)...