FIDE: Probleme mit der Brust

von André Schulz
06.10.2021 – Das Schach hat es nicht leicht, in die Schlagzeilen zu kommen, außer es gibt skurrile Dinge zu berichten. Derzeit sorgt die Wahl eines "unpassenden" Sponsors für Empörung - vor allem in den Redaktionen der Yello Press Medien.

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Der internationale Schachsport ist notorisch unterfinanziert. Oder zumindest nicht so gut mit Preisgeldern ausgestattet wie andere Sportarten. Schach ist kein Publikumssport, jedenfalls nicht, wenn das Publikum zur Kasse gebeten wird. Die Schachfreunde weltweit sind es gewohnt, dass sie ihre großen Schachturniere kostenlos angeboten bekommen. Sonst bleiben sie weg. Aus diesem Grund lebte das Spitzenschach lange vor allem von zumeist schachbegeisterten Mäzenen. 

In jüngster Zeit hat sich das durch die Präsentation der Turnier im World Wide Web etwas geändert. Hier erreichen die Organisatoren mitunter große Reichweiten und Zuschauerzahlen, was die Übertragungen als Vehikel für Werbeeinblendungen interessant macht. Das gilt vor allem für die Turniere mit Beteiligung der Weltklassespieler. Frauenturnier, selbst wenn sie hochklassig sind, gehören eher nicht zu den Veranstaltungen, die viele Zuschauer anziehen.

Die FIDE richtet viele Topturniere aus und lobt dafür auch sehr ordentliche Preisfonds aus. Die beiden World Cups in diesem Jahr, das offene Turnier und das Frauenturnier, waren beispielsweise mit fast etwa 2,5 Mio. USD prämiert. Auf das Frauenturnier entfielen davon immerhin knapp 680.000 USD.

Die neue FIDE-Führung unter Arkady Dvorkovich ist bei ihrer Suche nach Sponsoren recht erfolgreich. Das vorherige FIDE-Präsidium unter Kirsan Iljumzhinov vermittelte seinerzeit nicht immer den Eindruck von seriöser Professionalität und hatte deshalb bei ihrer Suche nach Sponsoren weniger Erfolg. Die aktuelle FIDE-Führung ist in dieser Hinsicht deutlich besser aufgestellt. Ihr Managing Director Dana Reizniece-Ozola hat als Wirtschafts - und später Finanzministerin von Lettland auf nationaler und internationaler Ebene ein großes Maß an Kompetenz erworben.

Die FIDE präsentiert nun regelmäßig neue Sponsoren, zuletzt die Firma "Establishments Labs". Die Firma vertreibt Brustimplantate für Frauen, die sich kosmetisch verändern wollen oder aber solche Implantate aus medizinischen Gründen benötigen, beispielsweise nach einer Krebsoperation. Auf diesen Aspekt wurde in der Presseerklärung der FIDE besonders hingewiesen. Das Hauptgeschäft der Firma liegt aber in der Tat auf der kosmetischen Anwendung seiner Implantate. 

Establishment Labs beziehungsweise "Motiva" wird das Kandidatenturnier der Frauen und den Weltmeisterschaftskampf der Frauen finanziell unterstützen. 

Auf Lichess erschien nach Bekanntgabe des Sponsorenvertrages der FIDE mit Establishment Labs ein sehr kritischer Artikel, der sich nicht nur mit der aus Sicht des Autors unpassenden Sponsorenwahl für das Frauenschach, sondern auch mit unzureichenden Sicherheitsstudien und eine fragwürdigen Finanzierungen des Unternehmens beschäftigte. 

Als eine der ersten Nichtfach-Medien wurde danach The Guardian auf diese Geschichte aufmerksam. Von dort verbreitete sie sich auf die Yellow Press Seiten unzähliger weiterer Medien und bringt das Frauenschach auf diese Weise "ins Gespräch." Der FIDE wird unter anderem schlechte Kommunikation vorgeworfen. 

Als Reaktion auf die Vorwürfe zitierte Bild in seinem Beitrag Managing Director Dana Reizniece-Ozola mit einem Kommentar: "In jeder Kommunikation mit Motiva habe ich nur Respekt für die Frauen und das Schach vorgefunden. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, einen Sponsor zu gewinnen, der es uns ermöglicht, die Preise bei Frauenveranstaltungen zu erhöhen und das Frauen-Schach im Allgemeinen zu fördern."

Das Thema fand auch Eingang in die Redaktion der ARD-Sportschau und wurde in einem Beitrag in seinen unterschiedlichen Gesichtspunkten gewürdigt.

Es ist schade, das Schach von diesen Medien, das gilt auch für die ARD-Sportschau, meist nur dann in den Blickpunkt der allgemeinen Öffentlichkeit gerückt wird, wenn es skurrile Randereignisse zu berichten gibt. Zuletzt war es die Klage der altgedienten Schachweltmeisterin Nona Gaprindshvili gegen die Produzenten der Netflix-Serie "Queen's Gambit" wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte mit einem Minifehler, nun also ein Brustimplantat-Produzent als Sponsor der Frauenweltmeisterschaft. Von der Durchführung der Mannschaftsweltmeisterschaft der Frauen in Sitges und dem Sieg des russischen Teams oder dem Gewinn des Frauen Worldcups durch Alexandra Kosteniuk haben die Leser dieser Medien allerdings nichts erfahren. 

Pressemitteilung der FIDE...

Beitrag in The Guardian...

Artikel bei Bild...

Beitrag bei der ARD-Tagesschau


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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