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Am Sonntag trafen sich im Rahmen der Schacholympiade in Chennai die Delegierten der FIDE-Mitgliedsländer zur FIDE-Generalversammlung. Unter anderem standen die Wahlen zum Präsidium auf dem Programm. Diese waren wegen des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine von vielen politischen Nebentönen begleitet, da der amtierende FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich nicht nur Russe ist, sondern als früherer Wirtschaftsberater von Vladimir Putin und Stellvertretender Ministerpräsident Russlands eng mit der politischen Führung in Russland verbunden ist.
Arkady Dvorkovich hat 2018 seinen russischen Vorgänger im Amt, den ehemaligen kalmückischen Präsidenten Kirsan Illyumzhinov abgelöst, nachdem dieser für die FIDE als Präsident untragbar geworden war. Illyumzhinov hatte als Anteileigner der russischen Alliance Bank gerne Privatgeschäfte und FIDE-Angelegenheit vermischt und war auf die schwarze Liste der US-Schatzamtes geraten, nachdem seine Bank Ölgeschäfte in Syrien finanziert hatte. Als dann auch der Weltschachbund keine Bank mehr fand, bei dem er ein Konto anlegen konnte, wurde Illyumzhinov zum Rücktritt gedrängt. Stattdessen bewarb sich Arkady Dvorkovich, der 2018 in Russland noch erfolgreich die Fußball-Weltmeisterschaft organisiert hatte. Man kann davon ausgehen, dass der russischen Führung ein russischer Präsident im Weltschachbund weiterhin wichtig war. In der Sowjetunion war Schach Volksport und ideologische Waffe im Wettstreit der Systeme. Für Russland gilt das in reduziertem Maße immer noch.
Dvorkovich setzte sich gegen Georgios Makropoulos durch und konnte in seiner ersten Amtszeit durch geschickte Auswahl der Funktionsträger und Umsetzung von Reformplänen einige Akzente setzen. Auch in der Hochzeit der Pandemie, als das reale Schachleben vollständig am Boden lag, gelang es der FIDE eine Reihe von hochkarätigen Internet-Events zu organisieren.
Bis Anfang 2022 galt Dvorkovich als sicherer Kandidat für eine zweite Amtszeit, doch der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine schien alles zu ändern. Zum einen musste die FIDE sich von allen russischen Geldgebern und Sponsoren trennen, zumeist Staatsbetriebe wie Gazprom, aber auch eng mit Putin verbundene Oligarchen. Zum anderen stellte sich die Frage, wie ein russischer Weltschachpräsident angesichts der Massaker, die die Führung seines Heimatlandes in der Ukraine anrichten lässt, für einen internationalen Sportverband tragbar sein kann.
Zwei ukrainische Gegenkandidaten warfen ihren Hut in den Ring, von denen aber nur der in den USA lebende Großmeister Andrii Baryshpolets übrig blieb. Er wurde vom dänischen Großmeister Peter-Heine Nielsen unterstützt, der das Amt des Vize übernehmen sollte. Außerdem bewarb sich Dvorkovichs Vize, der frühere Präsident des Französischen Schachverbandes Bachar Kouatly mit Ian Wilkinson als seinem Vizepräsident um das Amt, zog die Kandidatur aber unmittelbar vor dem Wahlgang zurück.
Arkady Dvorkovich hatte bei seiner Kampagne einen sehr schlauen Schachzug getätigt, indem er als seinen Stellvertreter den 15. Weltmeister und Sympathieträger Viswanathan Anand nominiert hatte.
Dvorkovich hatte sich zudem bald nach dem russischen Angriff aus seinen Ämtern und Aufsichtsratsposten zurückgezogen, um nicht auf eine der US-amerikanischen schwarzen Listen zu gelangen. In einem Interview hatte sich Dvorkovich zudem vom Angriffskrieg seines Landes distanziert, war dafür aber in Russland unter Druck geraten.
Einige Verbände, vor allem aus Skandinavien und dem Baltikum, aber auch der Deutsche Schachbund kündigten offen an, dass sie Andrii Baryshpolets und Peter-Heine Nielsen wählen würden. Für den Deutschen Schachbund wäre es gegenüber seinen Geldgebern, vor allem das für Sport zuständige Innenministerium, schwer vermittelbar, wenn bei offiziellen Turnieren des Weltschachbundes - im nächsten Jahr soll in München ein Grand Prix-Turnier der Frauen stattfinden - ein russischer FIDE-Präsident die offizielle Eröffnungsansprache halten würde oder als Ehrengast vor Ort wäre. Das gilt für andere westliche Länder vermutlich genauso.
Die Wahl am Sonntag führte jedoch zu einem sehr eindeutigen Ergebnis. Von den 179 abgegebenen Stimmen erhielten Dvorkovich und Anand 157 Stimmen. Das "Ticket" Andrii Baryshpolets und Peter-Heine Nielsen konnte nur 16 Stimmen sammeln. Das heißt, eine Reihe von Delegierten der 27 EU-Staaten und der 30 Nato-Staaten stimmten ungeachtet der russischen Aggression für den russischen Kandidaten.
179 abgegebene Stimmen
— Deutscher Schachbund (@Schachbund) August 7, 2022
Ticket @AndriyBar 16 Stimmen
Ticket @advorkovich 157
Enthaltung 5
ungültig 1#fidecongress pic.twitter.com/99z0CPSzq6
Dvorkovich wies darauf hin, dass er als Russe die Sanktionen der FIDE gegen den russischen Verband und die Trennung von russischen Geldgebern mitgetragen hätte. Die Situation sei auch für ihn persönlich nicht einfach.
Auf seine Agenda für die nächsten vier Jahre setzte Dvorkovich als Ziele eine bessere Präsentation der FIDE-Topevents, den Ausbau der Online-Projekte, eine bessere Unterstützung der Mitgliedsverbände, eine bessere Förderung des Frauenschachs, um den Anteil der weiblichen Spielerinnen zu steigern und den Ausbau der sozialen Programme.
Am letzten Spieltag der Schacholympiade äußerte sich der wiedergewählte FIDE-Präsident im Interview:
Die Wiederwahl des russischen Weltschachpräsidenten sorgte in der deutschen Presse für kritische Reaktionen. Holger Hank fragt sich bei der Deutschen Welle, wie es sein kann, dass die russischen Spieler bei der Schacholympiade oder anderen Events nicht dabei sein dürfen, der russische Präsident sich aber zur Wiederwahl stellen kann. Sport 1 zitiert Kasparov, der es ekelhaft findet, dass sogar Delegierte aus Europa Dvorkovich gewählt haben. Der Welt fiel auf, dass als einer von wenigen der Präsident des Deutschen Schachbundes Ullrich Krause sitzen blieb, als die Delegierten aufsprangen, um dem wiedergewählten Dvorkovich zu applaudieren.
DW: In der FIDE bleibt Putin König...
Kommentar bei Sport 1 (SID)...
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