Mit internationaler
Trainerausbildung der FIDE begonnen
In Abstimmung mit dem seitens
des Weltschachbundes zuständigen Trainers’ Committees fand vom 05. bis 11.
November 2004 eine erste Ausbildung für FIDE Trainer/Schachlehrer in den Räumen
der FIDE Trainerakademie in Berlin statt. Angeboten wurde ein kombinierter
Lehrgang, der eine Ausbildung zum FIDE Trainer oder FIDE Instructor ermöglicht.
Was wird mit einer
zentralisierten internationalen Ausbildung von Schachtrainern bewirkt? Die
ständig ansteigende Weiterentwicklung des Leistungsschachs erfordert in allen
erfolgsorientierten Ländern den hoch qualifizierten Trainer mit umfangreichen
sportartspezifischen Kenntnissen, starker kommunikativer Ausstrahlungskraft und
pädagogisch/psychologischen Fähigkeiten. Eine zentralisierte Ausbildung soll
möglichst ein gleich hohes Niveau in der methodischen Lehrtätigkeit und eine
Aufwertung des Trainerberufes gewährleisten.
Gleichzeitig sollen die
Teilnehmer an den Kursen befähigt werden, selbständig in schulischen
Einrichtungen und Schachclubs für den Nachwuchs/Leistungssport mit jungen
Talenten zu arbeiten sowie junge Trainer und Schachlehrer im eigenen Lande
auszubilden.
Um vor allem diesem
letztgenannten Ziel zu entsprechen, scheute Marcos Ivan Quintana die weite Reise
von Mexiko nicht. Er wollte beim Lehrgang viel schachspezifisches Wissen
erwerben, aber auch Informationen sammeln, wie man am in kurzer Zeit eine
effektive Trainerausbildung in Mexiko aufbauen kann. Mit seiner
Trainer-Hausarbeit will er bereits dazu den Grundstein legen.
Beim ersten internationalen
Trainer Course in Berlin handelt es sich, wie vorgesehen um einen kombinierten
Ausbildungslehrgang für FIDE Trainer und Instructoren. Der Ausbildungsgang zum
FIDE Trainer setzt im Gegensatz zur Schachlehrer-Ausbildung eine höhere
Ratingzahl (2300) voraus. Darüber hinaus muss eine Trainer-Hausarbeit
geschrieben werden. Die erweiterte Prüfung umfasst eine Lehrprobe mit
anschließenden Prüfungsfragen. Da alle Vorträge in Englisch gehalten wurden,
erforderten die Darlegungen erhöhte Aufmerksamkeit.
Erfreulicherweise waren mit
Horst Metzing, Geschäftsführer des DSB und Generalsekretär der ECU; PD Dr.
Marion Kauke, Diplompsychologin/Spieltheoretikerin sowie den Großmeistern Rainer
Knaak, Computerexperte/ChessBase-Mitarbeiter; Adrian Mikhalchishin,
stellvertretender Vorsitzender des FIDE-Trainer’Committees und Uwe Bönsch,
Bundestrainer/Direktor der FIDE-Trainerakademie, ein repräsentativer Kreis von
Dozenten vertreten.
Alle Teilnehmer waren sowohl
von dem Lektionsangebot, der hohen Qualität der Lehrveranstaltungen als
auch den vorteilhaften Bedingungen an der technisch gut ausgestatteten
Trainerakademie einschließlich des gebotenen Services begeistert.
Zum Verlauf des sechstägigen
Kurses:
Horst Metzing begrüßte am
Freitagabend als Vertreter des Deutschen Schachbundes die Trainer in Berlin und
wünschte allen einen erfolgreichen Abschluss bei der ersten internationalen
Trainerausbildung des Weltschachbundes.
GM Uwe Bönsch erläuterte als
Lehrgangsleiter den aktuellen Ablaufplan, der 35 bzw. 40 Unterrichtseinheiten
(je 45 Min.) umfasst. Zum besseren Kennen lernen stellten sich die Teilnehmer
vor und skizzierten kurz ihre schachliche Vita.
Anschließend sprach Horst
Metzing zum Thema: Strukturen, Funktionen und Aufgaben der Federation
Internationale des Echecs (gegründet am 20. Juli 1924 in Paris) und European
Chess Union (Neugründung 1998 in Budapest/Elista). Eindrucksvoll belegte er das
umfangreiche Aufgabenspektrum beider Schachorganisationen, zumal der FIDE
inzwischen 155 und der ECU 53 Föderationen angehören. Bemerkenswerterweise
befindet sich der Sitz der Europäischen Schachunion nur wenige Meter in der
gleichen Straße von der Trainerakademie entfernt.
Da H. Metzing erst kurz vorher
vom 75. FIDE-Kongress in Calvia zurückkehrte, erfuhren die Teilnehmer aktuell
wichtige Beschlüsse sowie interessante Hintergrundinformationen durch einen
Insider.
Am Samstag berichtete GM Uwe
Bönsch zu Beginn seiner Lektionen über Verlauf und Ergebnisse des während der
36. Schacholympiade in Calvia tagenden Trainer’s Committee. Dabei erhielten
folgende erfahrene und langjährige Toptrainer dem Titel „FIDE Senior Trainer“
verliehen: Alburt, Lev (USA), Asnov, Bolat (Kasachstan), Azmaiparashvili, Zurab
(Georgien), Boensch, Uwe (Deutschland), Beliavsky, Alexandr (Slovenien), Chernin,
Alexandr (Ungarn), Dorfman, Iosif (Frankreich), Gelfer, Israel (Israel),
Georgadze, Tamas (Georgien), Gulko, Boris (USA), Illescas, Miguel (Spanien),
Kuzmin, Aleksey (Katar), Leong, Ignatius (Singapur), Mikhalchishin, Adrian (Slovenien),
Marjanovic, Slavoljub (Griechenland), Mohr, Georg (Slovenien), Nikitin, Alexandr
(Russland), Petrosjan, Arshak (Armenien), Polgar, Zsuzsa (USA), Postovsky, Boris
(USA), Psakhis, Lev (Israel), Razuvaev, Yuri (Russland), Seirawan, Yasser (USA),
Sosonko, Genna (Niederlande), Schmidt, Wladimir (Polen), Ubilava, Elizbar
(Georgien), Vladimirov, Evgeny (Kasachstan), Zapata, Alonso (Kolumbien), Xie,
Yun (China).
Im Mittelpunkt seiner
strategischen Schulungslektionen stand das Thema „Die Karlsbader
Bauernstruktur“. Die breite Anwendbarkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass
fünf verschiedene Eröffnungssysteme zur gleichen Bauernstruktur auf dem
Damenflügel führen. Einen hohen Lehrgehalt bewirkte das anschauliche Vorführen
von Partiesegmenten, Ideen, Drohungen etc. unterstützt durch Computer und Beamer.
Die farbigen Diagramme an der Wand können durch ihre Größe gut von allen Sitzen
gesehen werden.
Im Anschluss an den
Strategievortrag erläuterte U. Bönsch eine neue technische Apparatur, mit deren
Hilfe Entspannungen eines Spielers bewirkt und auch gemessen werden können. Der
Entspannungstrainer „iSense“
gewährleistet durch Biofeedback Stress und Stressoren zu erkennen und in
positive Energie zu verwandeln. Aus einer Fülle von Entspannungsübungen kann
jeder Nutzer am Laptop einen individuellen Trainingsplan erstellen. Mehrere
Teilnehmer erkannten per angelegten Fingersensor ihre gegenwärtigen
Stresslevels und konnten genau sehen, wie sehr sie unter „Strom“ stehen.
Ein Sensor misst an der Fingerkuppe die
periphere Körpertemperatur und den Hautleitwert. Die Messwerte werden an den
Laptop weitergeleitet und direkt am Bildschirm als Kurve dargestellt.
Für den Sonntagvormittag wurde
die Thematik: „Psychologie für Trainer“ gewählt. Speziell gefragt war die
sportpsychologische Seite der Schachperformance in Turnieren und Wettkämpfen.
Dr. M. Kauke widmete sich besonders der „Psychologie der Motivation durch die
Regulation von Emotionen“.

Weil Schachspieler auf ihrer
Emotionsskala vielfältige Zustände erleben (Angst, Ärger, Furcht, Verzweiflung,
Schuld - psychische Sättigung, Unentschlossenheit, mangelnde
Anstrengungsbereitschaft - Freude, Glück, Erheiterung, Stolz), ist auf die
Herausbildung und Stabilisierung dieser Leistungsvoraussetzungen in der
Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Wettkämpfen sorgfältig zu achten.
Emotionen sollten weder ablenken, noch Denkprozesse stören, Fehler provozieren
oder erschöpfen, sondern vielmehr motivieren, Schwierigkeiten zu bewältigen,
Energie zu vergrößern und helfen, zweckmäßige Entscheidungen und geeignete
Lösungen in schwierigen Situationen zu finden. Emotionen zu identifizieren, zu
neutralisieren, gegebenenfalls zu verstärken oder kämpferisch zu ermutigen ist
eine conditio sine qua non für schachliche Spitzenleistungen. Trainer sollten
emotional und kognitiv stimulierende Prozesse in allen Phasen vor-, während und
nach Wettkämpfen sachkundig und einfühlsam unterstützen. Unverzichtbar ist
sozialkompetentes Trainerverhalten. Erfahrene Trainer sollten es verstehen,
psychologisch richtig aufzumuntern, auszugleichen, zu trösten und selbst
möglichst souverän Anteil nehmen.
Neben probaten
psycho-regulativen Verfahren für das mentale Training ist vor allem die
Aktivierung, das Ausgleichen und Regenerieren verbrauchter nervaler Ressourcen
durch ausgewählte Musik aus dem klassischen Repertoire (z.B. selektive Sätze aus
Beethoven-Sinfonien) zu empfehlen. Musik als „Sprache für Gefühle“ hilft
Spielstimmung, seelisches Gleichgewicht, Willenskraft und Konzentrationsausdauer
zu (re)generieren.
Aufschlussreiche Punkte des
Vortrags der Psychologin M. Kauke waren zudem: psychische Leistungskomponenten
für Schachwettkämpfe wie Setzen realistischer Ziele, Siegeswillen,
Konzentrationsausdauer, Lernoptimierung, Entscheidungsfindung (speziell in
Krisen), Stil, Umgang mit Fehlern und Misserfolgen u.a.m.
In persönlichen Gesprächen mit
den Teilnehmern konnten zahlreiche Fragen zu individuellen Problemen beantwortet
werden.
Am Nachmittag begann GM Adrian
Mikhalchishin seine Vortragsfolge mit dem ersten Teil „Wie studiert man
Eröffnungen?“ Der Lektor gilt als ein erfahrener Schachtrainer, der nicht nur in
seiner Heimat- und Geburtsstadt Lwow (Ukraine), sondern auch in seinem neuen
Betätigungsfeld Slowenien erfolgreich als Cheftrainer wirkt. Ausgehend von
seinen persönlichen Erfahrungen bestärkte er die Lehrgangsteilnehmer bei ihrer
Beratung junger Spieler in der Eröffnungswahl folgenden Weg zu gehen. Es sollen
nicht die eigenen Varianten, die man selbst spielt und am besten kennt, auf die
Schützlinge übertragen werden. Beginnende sollen prinzipiell offene Spielweisen
erlernen, also mit 1.e2-e4 entstehende Zugfolgen spielen. Damit werden die
gelehrten klassischen Grundsätze wie schnelle Entwicklung der Figuren,
Zentrumsbesetzung, Figuren nicht mehrmals ziehen etc. besser verstanden und
umgesetzt. Erst in einer späteren Phase sind eröffnungsmäßige Erweiterungen des
Repertoires sinnvoll. Vielfältige Beispiele am Demonstrationsbrett
veranschaulichten diese Maxime.
Der Montag war dem modernen
Schachtraining mit Hilfe der Computerunterstützung vorbehalten. GM Rainer Knaak,
der schon 1979 seine Diplomarbeit zu schachspielenden Computerprogrammen an der
Universität Leipzig schrieb, berichtete über aktuelle Möglichkeiten, wie uns
Computer noch sinnvoller zu unterstützen vermögen. Als Experte bei ChessBase
Hamburg und Redakteur des informativen ChessBase Magazins stellte er fachkundig
das neue Anwendungsprogramm ChessBase 9.0 vor.

v.l.: Dr. Ernst Bönsch, Ralf Schöne, Marcos Ivan Quintana, Heinrich Gutheil, Uwe
Bönsch, Rainer Knaak
Da sich in der Zwischenzeit neue Standards wie DVD-Laufwerke,
Internetverbindungen und leistungsstärkere Betriebssysteme durchgesetzt haben,
musste auch das ChessBase-Programm den neuen Entwicklungen Rechnung tragen.
Unter dem Motto „Sehen statt Suchen!“ gab es nicht nur eine neue Optik und
Benutzerführung, sondern zahlreiche detaillierte Anwendungsverbesserungen
erleichtern die Trainerarbeiten.

Für die zunehmende Anzahl am
Computer arbeiteten Schachtrainern eine kleine Auswahl von zweckmäßigen
elektronischen Verbesserungen: Ein neu gestaltetes Datenbankfenster lässt uns
übersichtlicher komplette Partienlisten und verschiedene Inhaltsverzeichnisse
erkennen. Besonders wichtig für Trainer und Spieler sind die Eröffnungshilfen.
Der komfortable Eröffnungsschlüssel erlaubt in Verbindung mit der
aussagekräftigen Eröffnungsreferenz blitzschnellen Zugriff zu gewünschten
Stellungsbildern in der Eröffnungsphase. Das Nachspielen von Partien wird in
seiner Wirkungskraft als Trainingspotential jetzt besonders unterstützt durch
die graphisch visualisierte Animation von verborgenen Drohungen. So werden für
taktisch nicht so versierte Spieler die in der Stellung unterschwellig
erkennbaren taktisch-kombinatorischen Möglichkeiten aufgezeigt und dadurch auch
geschult.
Da die von R. Knaak per Laptop
und Beamer an die Wand projizierten speziellen Funktionen gleichzeitig an vier
vorhandenen Computern von den Trainern praktisch nachvollzogen wurden, konnte
ein hoher Verständnisgrad erzielt und durch mögliche Rückfragen verfestigt
werden.

Am Dienstag und
Mittwochvormittag setzte GM Adrian Mikhalchishin seine Lektionen mit folgenden
Themen fort: Grundlagen der Taktik – Methoden des Lehrens von taktischen Ideen;
Zur Arbeit der Verbesserung der Technik von Berechnungen sowie
Entscheidungsfindung, Plan und kritische Momente.

Adrian Mikhalchishin
Diese anspruchsvollen und zum
Teil schwierigen Mittelspielthemen vermittelten den Teilnehmern eine Fülle von
Gedanken, Partiebeispielen und Lehrhilfen zum Mitschreiben. Zum anderen wuchs
bei den Zuhörern auch das spielerische Verständnis durch das mannigfaltige
Nachvollziehen der gebotenen Beispiele und Übungen. Sicher ist ein Effekt auch
die Verbesserung der individuellen Spielstärke nach dem Motto: „Wer lehrt, der
lernt!“
Da alle Teilnehmer zu Beginn
des Lehrgangs einen Katalog von englischsprachigen Fachvokabeln ausgehändigt
bekamen, konnten unbekannte Spezialbegriffe gezielt nachgesehen werden.

Den Mittwochnachmittag füllten
Lehrproben und Verteidigungen der Trainerarbeiten. Einige spezielle Fragen durch
die Lektoren Uwe Bönsch und Adrian Mikhalchishin zu den Lehrgangsthemen
komplettierten das Prüfungszeremoniell. Die Vorträge konnten wahlweise in
Deutsch oder Englisch gehalten werden.
Zur Erlangung des Titels „FIDE
Trainer“ war eine Voraussetzung, dass Trainerarbeiten geschrieben und verteidigt
werden mussten. Nachstehend die gewählten Themen.
IM Ralf Schöne (Teltow): Das
Damenopfer zwischen Intuition und Berechnung.
Heinrich Gutheil (Olpe): Thema
der Trainerarbeit: Untersuchungen über Eröffnungspakete anhand von bekannten
Spielern. Thema der Lehrprobe: 1. … g6 Beispiel für ein komplettes
Eröffnungsrepertoire für Schwarz (in Englisch).
Marcos Ivan Quintana
(Mexiko): Current situation of the
Mexican Chess. An Analysis of Rating (in Englisch).
Für den Titel „FIDE Instructor”
war eine Lehrprobe (15-20 Minuten) vorgegeben.
Stephan Luhm (Berlin):
Planfindung und Verwertung eines gleichfarbigen Läufer-Endspiels mit Mehrbauern.
Peter Trappmann (Guben):
Effektives Mattsetzen mit König-Läufer-Springer gegen König.
In einer abschließenden
Einschätzung verdeutlichte GM Uwe Bönsch als Lehrgangsleiter noch einmal das
Anliegen dieses ersten Kurses. Es konnten wertvolle Erfahrungen für eine
weiterführende internationale Trainerausbildung gesammelt werden. Als
Einführungslehrgang soll dieser Kurs eine Signalwirkung für zukünftige
Ausbildungsgänge mit sich bringen. Mexikos Vertreter Marcos Quintana wünschte er
viel Erfolg beim Umsetzen seiner Ideen im Heimatland, nämlich ähnlich wie in
Deutschland eine differenzierte Trainerausbildung aufzubauen.
GM Adrian Mikhalchishin dankte
in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des FIDE
Trainers’Committees den Organisatoren/Gastgebern für den reibungslosen Ablauf
der Veranstaltung und angenehmen täglichen Service. Gleichzeitig lobte er die
zweckmäßige und moderne Einrichtung in der ersten Trainerakademie des
Weltschachbundes. Er schlug vor, den nächsten Lehrgang im März 2005 zu
veranstalten und sprach die Überzeugung aus, dass dann eine hohe Beteiligung zu
erwarten sei (Zeitraum 25.-31.03.2005).

Neben dem
Kenntniszuwachs und Lizenzerwerb war für die Teilnehmer des Lehrgangs besonders
angenehm, täglich mit spielstarken Großmeistern, erfahrenen Trainern und
Fachexperten kommunizieren zu können. Auch kam der Gedankenaustausch in den
Pausen und Abendstunden zwischen den Trainern über ihr Hobby zu sprechen, nicht
zu kurz. Nicht zuletzt dürften die täglichen Lektionen und Pausengespräche in
englischer Sprache für viele eine wünschenswerte Auffrischung ihrer
Sprachkenntnisse sein.
Dr. Ernst
Bönsch