FIDE vs. Freestyle: Kontroverse verschäft sich

von André Schulz
22.01.2025 – Nachdem die Freestyle Chess Organisation jetzt eine ganze Serie, den Freestyle Chess Grand Slam, auf die Beine gestellt hatte, suchte die FIDE den Kontakt und fragte nach Kooperationsmöglichkeiten. Allerdings schienen die Vertreter der FIDE vor allem an Zahlungen an den Weltschachbund interessiert zu sein. Nachdem sich die Verhandlungen hinschleppten, wurden plötzlich die Spieler unter Druck gesetzt. Mit einer FIDE-Erklärung und einem Video von Nakamura hat sich der Ton nun weiter verschärft.

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In einem aktuellen Video-Stream hat Hikaru Nakamura die Erklärung der FIDE zum Freestyle Chess Projekt kommentiert. Im Hintergrund steht der Wunsch der Freestyle Chess Organisation, ihre Freestyle Chess Tour zur Freestyle Chess Weltmeisterschaft aufzuwerten. Freestyle Chess ist ein neuer Markenname für Schach mit ausgelosten Anfangsstellungen, bisher Fischer Random Chess oder Chess 960 (für die Anzahl der möglichen Positionen) genannt. 

Der Hamburger Unternehmer Jan Henric Buettner und Magnus Carlsen haben beide Spaß an dieser innovativen Variante der Schachs und eine gemeinsame Firma gegründet, um Freestyle Chess populär zu machen. Im letzten Jahr gab es im Weissenhaus Luxury Resort ein prächtiges erstes Turnier mit Magnus Carlsen, vielen weiteren Spitzenspielern und Vincent Keymer als Vertreter des Gastgeberlandes. Buettner und Carlsen fanden Geldgeber, die eine richtige Tour finanzieren, den Freestyle Chess Grand Slam, und organisieren für 2025 fünf Turniere auf vier Kontinenten, mit den Turnierorten Weissenhaus, Paris, New York, Delhi und Kapstadt. Ein weiteres Turnier ist geplant. 

Vor der klassischen Schachweltmeisterschaft in Singapur gab es in Absprache mit dem Weltschachbund FIDE eine Kick Off Veranstaltung, u.a. mit Magnus Carlsen und Fabiano Caruana, in der die Tour angekündigt wurde. Auch über die Möglichkeiten einer Kooperation im Hinblick auf eine Freestyle Weltmeisterschaft wurde schon gesprochen und die FIDE war interessiert, die Organisation an Freestyle Chess zu übergeben. Gegen die Zahlung einer gewissen Gebühr natürlich.

Wer schon einmal ein offizielles Schachturnier der FIDE (mit-)organisiert hat, weiß, dass dies eine "herausfordernde" Erfahrung sein kein. Neben den echten Kosten für die Organisation werden zum Beispiel auch reichlich Gebühren und Honorare für FIDE-Funktionsträger aufgerufen, deren Funktionsbeschreibung auf dem Honorarzettel eindeutig ist, nicht aber deren Funktion. Zudem möchte die FIDE den Anlauf der Turniere in jedem Detail bestimmen.

Im Verlauf der Gespräche scheinen sich die Fronten verhärtet zu haben und manche Beobachter glauben, dass auch der Jeans-Vorfall bei der Rapidweltmeisterschaft in New York - Magnus Carlsen war gut gekleidet, aber für die FIDE nicht gut genug - damit in Zusammenhang stehen könnte. Carlsen reagierte jedenfalls sehr genervt. Carlsen, Nakamura und wohl auch Caruana sollen vor der Schnellschach- und Blitzweltmeisterschaft gedroht haben, nicht daran teilzunehmen.

Mit ihrer Erklärung auf allen Sozialen Medien hat die FIDE noch einmal Öl ins Feuer gegossen, auch wenn der Ton moderat scheint. Der Weltschachbund reklamiert auf ein Recht am Markennamen "Schachweltmeisterschaft", das juristisch aber vermutlich gar nicht durchsetzbar ist, und geht damit in Konfrontation zu vielen Spitzenspielern. Diese möchten gerne eine Weltmeisterschaft im Fischerschach spielen und verweisen darauf, dass die FIDE in den letzten zwei Jahren eine solche nicht in der Lage war zu organisieren. 

Das ist auch Hikaru Nakamuras Standpunkt, den er in einem kontroversen Video-Stream noch einmal betont hat. Nakamura kann die Position der FIDE nicht nachvollziehen: "Die FIDE hat offenbar Angst, die Kontrolle zu verlieren. Ihr Standpunkt ist nicht gut fürs Schach." Nakamura fordert die Schach-Spitzenprofis auf, sich gegen die FIDE und ihre Verhinderungspolitik in Stellung zu bringen.

Emil Sutovsky verweist in seiner Antwort darauf, dass die Spitzenspieler einen Vierjahresvertrag mit der FIDE unterschrieben haben, in dem sie sich verpflichten an keiner anderen Weltmeisterschaft teilzunehmen.

Emil Sutovskys Antwort auf Hikaru Nakamuras Video-Aufruf:

Deutsche Übersetzung

Da ich getaggt, muss ich das Folgende mitteilen:

A - alle Spieler, einschließlich Magnus und Hikaru, haben eine verbindliche Verpflichtung unterschrieben, vier Jahre lang nicht an einer nicht von der FIDE genehmigten „Weltmeisterschaft“ teilzunehmen. Magnus unterzeichnete sie 2023, die anderen Spitzenspieler 2024. Ja, man kann immer behaupten, dass man in erster Linie ein Streamer ist - aber das bedeutet nicht, dass man keine vertraglichen Verpflichtungen hat.

B - Chess960/Fischer Random ist seit mehr als 15 Jahren im FIDE-Handbuch aufgeführt, und die Verpflichtungen umfassen offensichtlich diese Variante.

C - Hikaru hat den wichtigsten Teil des Dvorkovich-Interviews mit Sagar ausgelassen, in dem Dvorkovich klar sagt, dass es bei dem Konflikt nicht um das Geld ging, sondern um die Anerkennung der FIDE-Rechte.

D - Die FIDE bietet den Spitzenspielern eine Menge Einkommen. Alle Zahlen sind öffentlich. Hikaru hat vielleicht keinen Betrag gewonnen, der für einen Spitzenspieler bedeutend genug ist - aber hier sind die Preisgelder: Weltmeisterschaftsmatch: 2,5 Mio. USD, Weltpokal 2 Mio.+, Rapid und Blitz 1,428 Mio., Grand Swiss hat fast 1 Mio., usw. 

Aber wir tun so viel mehr, als nur Veranstaltungen für die besten Spieler zu organisieren. Hunderte von Großmeistern profitieren von unserer Arbeit. Tausende von Junioren. Wir bieten so vielen begabten Spielern eine Chance. Schacholympiaden, bei denen Vertreter von über 180 Nationen die Chance haben, ihr Bestes zu zeigen, weil wir alle Kosten für ihre Teilnahme übernehmen. Wir veranstalten so viele Frauenveranstaltungen, wir führen soziale und pädagogische Programme durch. All das wäre unmöglich gewesen, wenn die FIDE nicht eine führende Rolle in der Schachwelt gespielt hätte.

Ich schreibe ausführlich darüber an meiner Wand.

E - Hikaru erwähnt die Grand Chess Tour, Stavanger usw. - aber eigentlich arbeiten wir schon seit mehreren Jahren mit diesen großen Veranstaltungen zusammen und stimmen unsere Zeitpläne zum Vorteil der Spieler aufeinander ab. Der ganze Punkt ist, dass Freestyle Chess keine Zusammenarbeit anstrebt. Nun gut. Sie können machen, was sie wollen, wir sind gerne bereit, den Kalender anzugleichen - aber wir werden ihnen nicht erlauben, ihre private Serie als „Weltmeisterschaft“ zu bezeichnen.

F - Die gesamte Darstellung der Initiatoren von Freestyle Chess konzentriert sich weitgehend auf die Negativität gegenüber dem regulären Schach, gegenüber der klassischen Zeitkontrolle und gegenüber der FIDE. Das ist in jedem Interview, jeder Pressekonferenz, jeder Veröffentlichung zu sehen.

Das schadet unserem Spiel - und wir werden es nicht akzeptieren.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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