FIDE-Wahlkampf: Nigel Shorts Brief an die Verbände

von ChessBase
11.07.2018 – Ende September findet in Batumi die Schacholympiade statt und auf dem FIDE-Kongress wird ein neues Präsidium gewählt. Diesmal gibt es drei Kandidaten. Nigel Short wirbt mit einem Offenen Brief an die Verbände für seine Kandidatur und seine Kampagne #cleanhands4fide. | Foto: africachess.net

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Nigel Short, der sich neben Georgios Makropoulos und Arkady Dvorkovich als Kandidat für das Amt des FIDE-Präsidenten bewirbt, hat sich in einem Offenen Brief an die Verbände gewandt, prangert Misstände an und wirbt für seine Kandidatur. 

 

 

Wir veröffentlichen den Brief hier in deutscher Übersetzung. Am Ende des Beitrages befindet sich ein Link zum englischen Original.

 

Athen, 10. Juli 2018

An alle nationalen Schachverbände, Mitglieder der FIDE

Liebe Schachfreunde,

Es ist höchste Zeit, die FIDE grundlegend zu ändern: von einem undurchsichtigen, durch Sanktionen behinderten Paria zu einer offenen, ordnungsgemäß geführten Organisation, die weltweit respektiert wird.

Erfolgreiche internationale Sportorganisationen ziehen viele Millionen, manchmal Milliarden Dollar von kommerziellen Sponsoren an. Dieses Geld wird dann an die Verbände verteilt, um das Spiel zu fördern. Während es unwahrscheinlich ist, dass Schach jemals die Popularität von, sagen wir, Fußball erreichen wird, erfordert es keine besondere Fantasie, um zu verstehen, dass solch ein nützliches  Geschäftsmodell auch für die FIDE absolut möglich ist. Schließlich wird Schach auf der ganzen Welt von Hunderten von Millionen Menschen gespielt und gilt als der ultimative Geistessport. Es wurde sprichwörtlich in Hunderten von wissenschaftlichen Studien in den letzten 45 Jahren bewiesen, dass Schach einen hohen pädagogischen Wert hat. Schach passt zudem bestens in das Internetzeitalter. Viele der schlauesten und erfolgreichsten Unternehmer lieben Schach. Um nur einige Beispiele zu nennen: Sir Richard Branson von Virgin lobt das Schachspiel regelmäßig in Artikeln und Tweets, während zwei der reichsten Männer der Welt - Bill Gates und Mark Zuckerberg - sogar eine Partie gegen den Weltmeister Magnus Carlsen gespielt haben. Aber unterstützen ihre Unternehmen das Spiel? Leider nicht. Zwar sollte man die Schwierigkeiten beim Abschuss solcher Werbeverträge nicht unterschätzen, doch es ist enormes Potenzial vorhanden - mit der Möglichkeit, unser bekanntes Spiel grundlegend zu verändern. Trotz jahrzehntelanger Amtszeit hat es die Ilyumzhinov/Makropoulos-Führung verfehlt, diese reichen Ressourcen zu erschließen. Änderungen wird es keine geben, es sein denn die Verbände stimmen dafür.

Bei der FIDE ist es fast genau anders herum, als es sein sollte. Aufgrund der Inkompetenz und des schlechten Rufs der derzeitigen Leitung macht das kommerzielle Sponsoring nur einen erbärmlich kleinen Prozentsatz der Einnahmen aus. Anstatt dass der Weltschachbund die Verbände unterstützt, müssen die Verbände den Weltschachbund unterstützen. Alles, was mit Gebühren belegt werden kann, wird auch von der FIDE mit Gebühren belegt. Es gibt Gebühren fürs Spielen, für den Schiedsrichter, für die Organisation und für das Training. Mit den Gebühren für gewertete Partien werden die aktiven Verbände gemolken und die armen Verbände gelähmt. So kann das Schach nie sein ganzes Potenzial entfalten. Das muss aufhören und wird das erste sein, was ich als Präsident ändern werde.

Ein frischer Ansatz: Saubere Hände für die FIDE

Kirsan Ilyumzhinov hat die FIDE buchstäblich an den Rand des Abgrundes gebracht. Als er 2015 auf die Sanktionsliste des US-Finanzministeriums gesetzt wurde, war klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die FIDE mit ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Tatsächlich hat die UBS im April 2018 die Bankkonten der FIDE geschlossen. Nicht weniger als 18 Banken weigerten sich, sich überhaupt mit der FIDE zu treffen, und die, die es taten, lehnten eine Geschäftsverbindung ab. Ohne Zustimmung der Generalversammlung hat die Makropoulos-Administration das gesamte Vermögen unserer Organisation an eine geheime Stelle gebracht und dies so lange wie möglich verschwiegen. Erst nach ständiger öffentlicher Befragung gaben sie schließlich nach zwei Wochen preis, was sie damit gemacht hatten - sie hatten eine höchst unbefriedigende und teure Vereinbarung mit einem Treuhandfonds in Hongkong verabredet. Absurderweise behandelte der Schatzmeister der FIDE diese Fragen von immenser öffentlicher Bedeutung als einen Angriff auf seine persönliche Integrität.

Arkady Dvorkovich hat jetzt Ilyumzhinov als Präsidentschaftskandidat abgelöst. Angesichts seiner viel wichtigeren und prestigeträchtigeren Jobs als stellvertretender Ministerpräsident Russlands und Organisator der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2018 ist es schwer vorstellbar, dass er, wenn er gewählt wird, etwas anderes als eine repräsentativer Präsident wäre. Beunruhigenderweise hat er Kirsan Ilyumzhinov zu einem Berater ernannt, womit klar ist, dass dem Kreml eine Kontrolle wichtiger ist als eine Reform.

Wie sieht der andere Kandidat, Georgios Makropoulos, die Kirsan-Ära? In einem Brief an eine kanadische Softporno-Website Anfang des Jahres, sagte er: "Ich habe Kirsan bis Anfang 2017 immer unterstützt, da seine Leistungen für die FIDE und für das Schach enorm waren."

Ja, das ist derselbe Kirsan, der ein WM-Match in Saddam Husseins Bagdad angekündigt hatte, der sich selber einen 51%igen Anteil an Agon (dem Rechte-Verwerter der FIDE) sicherte, die jedes Jahr Hunderttausende von Euro an FIDE-Geld - UNSER Geld - für seine persönlichen Reise ausgegeben hat, der einen Afrika-Fonds in Höhe von 500.000 Dollar versprach und keinen einzigen Cent ablieferte, der in Tromsö 2014 unverhohlen die Generalversammlung beleidigte, indem er versprach, 20 Millionen Dollar an die FIDE zu übertragen, aber nichts gab, derselbe Kirsan, der den Namen der Organisation beschmutzt und die FIDE an den Rand der Bedeutungslosigkeit gebracht hat.

Es ist offensichtlich, dass man von Makropoulos, der 22 Jahre lang Kirsans loyaler Leutnant war, keine sinnvollen Reformen erwarten kann. Hätte er es gewollt, hätte er es längst getan. Und doch braucht die FIDE dringend Verfassungsänderungen wie die Beschränkungen der Amtszeit des Präsidenten. Eine solche Änderung wurde 2010 von Makropoulos abgelehnt. Proxies - das System, mit dem bei den Verbänden die Stimmen für Vergünstigungen getauscht werden- sollten sofort abgeschafft werden. Die Wahlkommission muss vollkommen unabhängig sein, um jede Voreingenommenheit zu vermeiden. Delegierte sollten Mitglieder der Verbände sein, die sie vertreten (und nur einen Verband vertreten). Wir sollten uns nicht länger mit solchen absurden, undemokratischen Schauspielen beschäftigen müssen, dass ein Algerier die Komoren repräsentiert oder ein Grieche die Salomon-Inseln.

Ein frischer Ansatz: Saubere Hände für die FIDE

Der IOC-Code sollte beachtet werden und die FIDE-Statuten müssen eingehalten und nicht regelmäßig missachtet werden, wie es jetzt der Fall ist. Turniere oder Spiele dürfen niemals an Länder vergeben werden, die unsere Regeln nicht befolgen. Der Missbrauch, bei dem man politische Unterstützer mit Jobs belohnt, während man die Gegner durch Ausgrenzung bestraft, muss aufhören. Der Agon-Vertrag muss sofort beendet werden.

Nur mein Team - Lukasz Turlej (Polen), Lekan Adeyemi (Nigeria), Paul Spiller (Neuseeland), Ruth Haring (USA) und Panu Laine (Finnland) - hat die Hingabe, die Vision und die Energie, um diese Veränderungen herbeizuführen. Wir werden die Integrität der Organisation wiederherstellen, ohne die es unmöglich ist, Hauptsponsoren zu gewinnen oder sogar ein Bankkonto zu eröffnen.

In meiner bisherigen Kampagne habe ich oft den Refrain gehört: "Wir mögen deine Ideen, Nigel, aber was sind, realistisch gesehen, deine Chancen? Warum sollten Sie Erfolg haben, wo Kasparov, Karpov und Kok versagt haben?"

Die Antwort darauf ist sehr einfach: Die Arithmetik in einer Wahl mit drei Bewerbern ist ganz anders. Kein einziger Kandidat wird voraussichtlich in der ersten Wahlrunde gewinnen. In diesem Szenario, wenn ich es so "schlecht" wie Kasparov, Karpov oder Kok mache, werde ich das Gleichgewicht halten. Eine Stimme für mein Team ist nicht verschwendet, weil keiner der anderen Kandidaten ohne unsere Unterstützung gewinnen wird. Damit wird dafür gesorgt, dass wir uns durchsetzen und wenigstens einige der oben genannten grundlegenden Reformen durchgeführt werden.


Ein Stimme für Veränderung. Abstimmen für # cleanhands4fide

Nigel Short
Großmeister, Vizweltmeister,
2018 FIDE Präsidentschaftskandidat
 

 

 

Übersetzung aus dem Englischen: André Schulz

Der englische Originaltext erschien hier...

 


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