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Die FIDE hatte für die kommende
Weltmeisterschaft, die nun vollständig vom 18.Juni bis 13.Juil in der libyschen
Hauptstadt Tripolis stattfindet, als zusätzlichen Austragungsort Malta
vorgesehen, für den Fall, dass es Schwierigkeiten mit der Einreise und
Sicherheit der israelischen und jüdischen Spieler geben werde. Nach dem die
libyschen Organisatoren schriftlich erklärt hatte, alle Qualifikanten seien
eingeladen und werden Visa erhalten, entschied die FIDE, dass die komplette
Veranstaltung in Tripolis stattfinden werde.
Auf einer Pressekonferenz im Mai äußerte jedoch
der Sohn des libyschen Staatschef Moammar Gadhafi Mohammed Gadhafi, dass die
israelischen Spieler nicht zur Weltmeisterschaften in Tripolis eingeladen.
Nachdem die israelische Presse empört davon berichtete, wurde diese Äußerung
über die FIDE so präzisiert, dass sie in dem Sinne gemeint war, dass israelische
Spieler nicht persönlich eingeladen seien. Sie würden Einreise-Visa erhalten,
nicht jedoch ihre Begleitpersonen.
Die doppelzüngigen Äußerungen und Erklärungen
libyscher Offizielle erreichten das wohl damit auch beabsichtigte Ziel.
Israelische Spieler und auch jüdischen Spieler aus anderen Ländern verzichteten
angesichts dieser Situation auf die Teilnahme. Trotz des Protestes mehrerer
Verbände, so des US-Verbandes und des Niederländischen Verbandes und der
Spielerorganisation ACP blieb die FIDE bei ihrer Politik und verteidigte ihre
Entscheidung. ACP-Präsident Joel Lautier wurde von FIDE-Präsident Kirsan
Illumshinov in einem offenen Brief als Antwort auf dessen Offenen Brief zurecht
gewiesen, dass er keine "Forderungen" zu stellen habe. Lautier hatte außerdem
die Informationspolitik der FIDE kritisiert und die von der FIDE entworfenen
Verträge mit den Spielern. Der israelische Verband erwägt inzwischen
laut Presseberichten eine Klage.
Für Irritationen sorgte auch die Vergabe der Einreise-Visa, die die Spieler, aus
Gründen der Einfachheit, wie es hieß, bei der Einreise am Flughafen in Tripolis
erhalte, die Pressevertreter jedoch in den libyschen Konsulaten ihrer
Heimatländer.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Sonderstellung,
die Illyumshinov Kasparov eingeräumt hat. Gemäß den Prager Vereinbarungen vom
Frühling 2002 zur Wiedervereinigung der Schachweltmeisterschaften sollte
Kasparov einen Wettkampf gegen den amtierenden FIDE-Weltmeister Ruslan
Ponomariov spielen. Dieser platzte als Ponomariov sich nach langem Hin- und Her
weigerte zu spielen. In einem Offenen Brief hat er sich jüngst erstmals zu
Details der Vorgänge geäußert.
Nach der Absage des Wettkampfes Ponomariov gegen
Kasparov soll Kasparov nun gegen den Sieger der der jetzt gespielten
FIDE-Weltmeisterschaft antreten, wobei bisher nirgendwo dargelegt wurde, welcher
Titel bei welchem Wettbewerb vergeben wird. Ist der Sieger von Tripolis
Weltmeister? Oder ist der Sieger des dann folgenden Wettkampfes Weltmeister?
Oder erst der Sieger aus diesem Wettkampf und dem zwischen Kramnik und Leko?
Aus diesen Gründen haben viele Spieler, vor allem
auch Spitzenspieler auf die Teilnahme in Tripolis verzichtet. Es ist eine
Weltmeisterschaft ohne einen einzigen Weltmeister, obwohl die FIDE sich seit
1997 redlich bemüht hat, möglichst viele in die Welt zu setzen. Es spielen
nicht: Kasparov, Kramnik, Karpov, Khalifman oder Anand. Von den Top-Spielern
spielen nur Topalov, Adams, Grischuk, Short und Ivanschuk. Morozevich, der auf
der "endgültigen Liste" der FIDE geführt wird, soll erklärt haben, ebenfalls
nicht anzutreten.
Angesichts der Absagenflut müssen Spieler nicht
mehr erläutern, warum sie nicht spielen, sondern warum sie antreten. Topalovs
Trainer Danailov gab in Chess Today auch politische Gründe an. So wurden vor
einiger Zeit fünf bulgarische Krankenschwestern in Libyenn zum Tode durch
Erschießen verurteilt, weil sie 400 Kinder in einem Kinderkrankenhaus mit HIV
infiziert hätten. Der Fall sorgte international für großes Aufsehen und
Proteste, besonders natürlich in Bulgarien. Mit seiner Teilnahme will Topalov
sich für das Leben der Krankenschwestern einsetzen.
Die FIDE-Weltmeisterschaft 2004 wird wie die
letzten WMs auch im K.O.- Modus mit 128 Spielern gestartet. In Mini-Matches mit
zwei Partien mit FIDE-Bedenkzeit und ggf. Stichkämpfen mit verkürzter Bedenkzeit
wird der Sieger ermittelt. Im Halbfinale erhöht sich die Anzahl der regulären
PArtien auf vier, im Finale auf sechs.
Drei Spieler aus Deutschland sind am Start:
Alexander Graf. Rustem Dautov und Leonid Kritz, die durch Bundestrainer Uwe
Bönsch betreut werden. Die erste Runde ist morgen, am 19.Juni. Die Partien
werden jeweils um 14.30 Uhr gespielt, Tiebreaks beginnen um 20.30 Uhr.
Austragungsort ist das Almahary Hotel in Tripolis.
Zeitplan bei der FIDE...
Libyen:


Tripolis
Auf einer Fläche von 1,8 qkm leben 5,5 Mio.
Menschen, davon in der Hauptstadt Tripolis 1,7 Mio. Das Land besteht zum größten
Teil aus Wüste. Im Westen grenzt Libyen an Tunesien und Algerien, im Osten an Ägypten, Im
Süden an Niger, Tschad und Sudan.
1911 wurde Libyen italienisches Protektorat. Auf
Beschluss der UNO wurde das Land 1951 unabhängig und eine Monarchie unter König
Idris I. Dessen korrupte Staatsführung führte 1969 zum Militärputsch von Muammer
al-Gaddhafi, der die "Arabische Republik Libyen" proklamierte. Seit Seit 1976
ist Libyen eine "islamisch-sozialistische Volksrepublik". Zu Beginn der
80er Jahre kommt es zu Spannungen zwischen den USA und Libyen. Am 15. April 1986
lässt Präsident Reagan einen Luftangriff auf Libyen ausführen und Bomben auf
Ziele nahe Tripolis und Benghazi abwerfen. Dabei stirbt auch Gaddafis
Adoptivtochter Hanna und zwei seiner Söhne werden verletzt. Er selbst entkommt
dem Angriff nur durch Zufall.
Gaddhafis Unterstützung des internationalen und
islamischen Terrors gipfelt in den Anschlag auf eine Pan-Am-Maschine, die am
21.Dezember 1988 bei Lockerbie explodiert (281 Tote). Als Libyen die Täter nicht
wie verlangt ausliefert, verhängt die UNO 1992 ein Luftverkehrs- und
Waffenembargo, das erst 2001 wieder aufgehoben wurde. Ein Wirtschaftsembargo der
USA hat weiterhin Bestand. Zuletzt hat sich Libyen vom Terrorismus distanziert
und sucht den Anschluss an die internationale Staatengemeinschaft.
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