Fischer gegen Karpov oder Kortschnoj - eine Spekulation

von Stephan Oliver Platz
16.04.2021 – Was wäre wenn... Spassky 1972 zum Beispiel nicht so geduldig mit Fischers Eskapaden gewesen wäre. Dann hätte Spassky 1975 gegen Karpov seinen Titel verteidigen müssen. Und warum trat Fischer gegen Karpov nicht an? Und wie wäre Fischers Entscheidung ausgefallen, wenn nicht Karpov, sondern Kortschnoj der Herausforder gewesen wäre? Spekualtionen von Stephan Oliver Platz.

Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..

Bobby Fischer's Chancen gegen Karpov und Kortschnoj

Von allen Wettkämpfen, die nie gespielt wurden, wären Fischer gegen Karpov oder Fischer gegen Kortschnoj vielleicht die interessantesten gewesen. Was wäre geschehen, wenn sich Bobby Fischer nach seinem Sieg gegen Spassky 1972 nicht vom Schach zurückgezogen hätte? Mit dieser Frage und ihren psychologischen Hintergründen möchte ich mich in diesem Artikel beschäftigen.

Bobby Fischer steigt aus

Leider spielte Bobby Fischer nach seinem WM-Sieg über Boris Spassky 1972 in Reykjavik 20 Jahre lang kein Turnierschach mehr. Erst 1992 trat er zu einer Revanche gegen Spassky an und siegte mit 10:5 bei 15 Remisen. Es folgten danach aber keine weiteren Turniere oder Wettkämpfe mehr. 2008 starb Fischer in seinem isländischen Exil zwei Monate vor seinem 65. Geburtstag. Welche Auswirkungen hatte dieser Rückzug auf das Spitzenschach?

Kein anderer Weltmeister erreichte auch über die Schachwelt hinaus eine derartige Bekanntheit wie Bobby Fischer. Auf dieser DVD führt Ihnen ein Expertenteam die Facetten der Schachlegende vor und zeigt Ihnen u.a die Gewinntechniken des 11.Weltmeisters

Hätte Fischer weitergespielt, so wäre es 1975 zu einem WM-Kampf gegen Anatoli Karpov und 1978 vielleicht sogar zu einem WM-Kampf gegen Viktor Kortschnoj gekommen. Beide Wettkämpfe wären für die Schachwelt zweifellos sehr interessant gewesen und wahrscheinlich sehr aufregend und spannend verlaufen, nicht nur in schachlicher Hinsicht. So aber machten seit 1974 Anatoli Karpov und Viktor Kortschnoj in drei Wettkämpfen den Weltmeistertitel praktisch unter sich aus, ehe 1984 mit dem 21-jährigen Garry Kasparow erstmals ein neuer Anwärter auf den WM-Titel hervortrat.

Warum eigentlich zog sich Bobby Fischer so plötzlich zurück? Wenn wir den wahrscheinlichen Gründen auf die Spur kommen wollen, müssen wir zunächst in  das Jahr 1972 zurückgehen.

Warum Spassky 1972 gegen Fischer verlor

Über diese Frage ist viel spekuliert worden. Vor dem Wettkampf hatte Bobby noch nie gegen Spassky gewonnen. Die Bilanz lautete 3:0 bei 2 Remisen zugunsten des Russen. In der ersten WM-Partie 1972 in Reykjavik ließ sich Bobby Fischer unnötigerweise einen Läufer einsperren und verlor im Endspiel. Damit stand es im WM-Kampf 1:0 für Spassky und 4:0 in der persönlichen Bilanz zwischen den beiden. Dann kam die zweite Partie. Nach Auseinandersetzungen über die Fernsehkameras, welche den Wettkampf übertragen sollten, erschien der exzentrische Amerikaner nicht zur Partie, und Spassky ging mit 2:0 in Führung.

Nur mit äußerster Mühe konnte Fischer zum Antreten in der dritten Partie überredet werden. Er bestand jedoch darauf, dass die Partie nicht im dafür eigentlich vorgesehenen Spielsaal, sondern in einem Tischtennisraum ohne Zuschauer ausgetragen würde. Der gutmütige Spassky stimmte zu. Doch das reichte Fischer noch immer nicht. Da ihn wiederum die Kamera störte, welche die Partie für die Zuschauer übertragen sollte, weigerte er sich erneut zu spielen. Dabei kam es zu einem lautstarken Streit zwischen Fischer und dem Schiedsrichter Lothar Schmid, der Spassky völlig aus der Fassung brachte. Er stand auf, um den Raum zu verlassen, doch Schmid bedrängte ihn heftig, doch dazubleiben. Was dann geschah, schilderte er mit folgenden Worten: „Ich packte beide und drückte sie an der Schulter auf ihre Plätze und sagte: Spielt jetzt!“ Das war Spasskys Untergang. Von den ermüdenden Streitereien zermürbt verlor er zum ersten Mal in seinem Leben eine Turnierpartie gegen Bobby Fischer und war bis zur 10. Partie nicht mehr wiederzuerkennen: 0:5 bei 3 Remisen lautete die katastrophale Bilanz dieser acht Partien.

Spassky-Fischer, 1972

Spassky brauchte lange, um sich von dem psychologischen Schlag zu erholen. Mit Beginn der elften Runde hatte er das Trauma überwunden und konnte in den Partien 11 – 20 das Match ausgeglichen gestalten (1:1 bei 8 Remisen). Die 21. Partie gewann Fischer nach 41 Zügen zum 12,5:8.5-Endstand. Wenn wir von der kampflosen Niederlage Fischers in der 2. Partie und der für Spassky traumatischen Wettkampfphase von der 3. bis 10. Partie einmal absehen, erkennen wir einen ausgeglichenen Wettkampfverlauf (2:2 bei 10 Remisen). Ich glaube daher nicht, dass Spassky 1972 rein schachlich gesehen schwächer spielte als Fischer. Bei normalem Verlauf ohne die aufreibenden Auseinandersetzungen um Fernsehkameras, Spielsaal und die Zuschauer wäre ein hochspannender und sehr ausgeglichener Wettkampf zu erwarten gewesen, den beide hätten  gewinnen können.

Spasskys entscheidender Fehler bestand darin, dem auf ihn ausgeübten Druck nachzugeben und sich bereit zu erklären, die dritte Partie unter den oben geschilderten Begleitumständen in einem Tischtennisraum auszutragen. Er musste sich damit dem Willen seines Gegners und des Schiedsrichters Lothar Schmid beugen und verlor sein inneres Gleichgewicht. Das führte zu dem psychologischen Zusammenbruch, den man in den Partien 3 – 10 klar erkennen konnte.

Spassky hätte besser nicht weitergespielt

Da wir heute wissen, welche Folgen Bobby Fischers Gewinn des WM-Titels für die Schachwelt hatte, könnte man sich wünschen, dass Spassky an jenem 16. Juli 1972 den Tischtennisraum verlassen und seine Sachen für den Heimflug nach Russland gepackt hätte.  So wäre sehr wahrscheinlich Bobby Fischer der Schachwelt erhalten geblieben und hätte zwar vielleicht keinen WM-Kampf mehr bekommen, aber sehr wahrscheinlich doch weiterhin an hochkarätigen Turnieren teilgenommen. So hätte er sehr wahrscheinlich nicht nur mit Karpov, sondern auch noch mit Garry Kasparow die Klingen kreuzen können, was zweifellos für die Schachwelt ein großer Gewinn gewesen wäre.

Schließlich möchte ich auch noch auf Lothar Schmids Rolle als Schiedsrichter der WM 1972 eingehen. So sehr man anerkennen muss, dass er den WM-Kampf retten wollte, so sollte man doch einmal klar sagen, dass er meiner Meinung nach seiner Verantwortung an jenem 16. Juli 1972 nicht gerecht wurde. Die dritte Partie fand unter für Boris Spassky ganz und gar unzumutbaren Bedingungen statt. Wenn ein Spieler im dafür vorgesehenen Spielsaal nicht antreten will, sogar nachdem hinsichtlich der Kameras Zugeständnisse gemacht worden und diese am Spieltisch nachweislich nicht mehr zu hören waren, hätte der Schiedsrichter den Wettkampf abbrechen und Fischer disqualifizieren müssen. Das wird vielen Schachfreunden nicht gefallen, aber stellen wir uns einmal vor, bei einer Leichtathletik-WM würde einer der Finalisten darauf bestehen, dass er den 5000-Meter-Lauf nicht im Stadion, sondern nur auf dem Sportplatz einer nahegelegenen Volksschule ganz ohne Zuschauer und Fernsehkameras auszutragen bereit wäre. Ein solcher WM-Aspirant würde sehr schnell durch einen anderen Teinehmer ersetzt werden, zu Recht! (a)

Warum Fischer 1975 gegen Karpov nicht antrat

Nachdem Bobby Fischer 1972 Weltmeister geworden war, hatte er, psychologisch gesehen, nichts mehr zu gewinnen, sondern nur noch alles zu verlieren. Mit dem WM-Titel hatte sich bewahrheitet, wovon er nämlich bereits seit spätestens 1963 überzeugt gewesen war, dass nämlich er und kein anderer der beste Schachspieler der Welt sei. Als 1975 die Titelverteidigung anstand, hätte es für Bobby zum Super-GAU kommen können, nämlich zu einer Niederlage im anstehenden WM-Kampf. Der Nimbus des weltbesten Spielers wäre mit einem Male zerstört, sein Ego schwer angeschlagen worden. Noch dazu hatte er drei Jahre lang kein Turnierschach mehr gespielt. Er wird sich also überlegt haben, wie seine Chancen in einem WM-Kampf gegen seinen Herausforderer standen, und das ließ Schlimmes befürchten. Warum?

Karpov hatte das Interzonenturier in Leningrad 1973 gemeinsam mit dem punktgleichen Viktor Kortschnoj gewonnen und dabei ein herausragendes Ergebnis von 79.4 % erzielt (13.5 aus 17). Im Kandidatenviertelfinale setzte er sich gegen Großmeister Lew Polugajewsky mit 3:0 bei 5 Remisen durch. Bei der Schacholympiade 1974 in Nizza spielte Karpov bereits auf Brett 1 für die Sowjetunion und erzielte ein sensationelles Ergebnis von 10:0 bei 4 Remisen. Dann kam das Kandidatenhalbfinale gegen Boris Spassky, und Karpov siegte (ganz ohne psychologische Mätzchen) klar mit 4:1 bei 6 Remisen.

Karpov-Kortschnoj, Tilburg 1986 | Foto: Dutch National Archive

Im Finale gegen Viktor Kortschnoj lief es zunächst auch wunderbar: Nach 18 Partien führte Karpov bereits 3:0. In der Schlussphase allerdings brach er ein, verlor noch zwei Partien und rettete sich mit Remisen in den Partien 22 – 24 am Ende in einen knappen 3:2-Erfolg.

Viktor Kortschnoj gehörte für Jahrzehnte zu den besten Spielern der Welt und hat mit seinem Kampfgeist Generationen von Schachspielern inspiriert. Auf dieser DVD spricht er über sein Leben und stellt interessante und wichtige Partien seiner Karriere vor.

Viktor Kortschnoj gehörte für Jahrzehnte zu den besten Spielern der Welt und hat mit seinem Kampfgeist Generationen von Schachspielern inspiriert. Auf dieser DVD spricht er über sein Leben und stellt interessante und wichtige Partien seiner Karriere vor.

Karpovs einzige Schwäche: Die Kondition

Wir können davon ausgehen, dass Fischer, wenn er sich auch aus der Turnierarena zurückgezogen hatte, dennoch Karpovs Werdegang aufmerksam verfolgte. Er konnte also feststellen, dass Karpov in den Jahren 1973 und 1974 von insgesamt 131 Turnier- und Wettkampfpartien nur 4 verloren, aber 52 gewonnen hatte. Damit stellte der 24-jährige Russe eine ernste Gefahr für Fischers WM-Titel dar. Sicher hat er auch Karpovs Partien eingehend studiert und festgestellt, dass diesem Herausforderer wohl nur schwer beizukommen sein würde. Eine Schwäche Karpovs wird Bobby Fischer allerdings sehr wohl erkannt haben, denn zwei dieser vier Niederlagen kamen zustande, nachdem Karpov 18 anstrengende Wettkampfpartien gegen Kortschnoj gespielt hatte und offenkundig mit Konditionsproblemen zu kämpfen hatte. Er musste also, um Karpov sicher schlagen zu können, einen WM-Kampf gegen ihn unbedingt in die Länge ziehen. Je länger er dauerte, desto größer wäre die Chance ihn zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund wird plötzlich nachvollziehbar, warum Fischer gegenüber dem Weltschachbund darauf bestand, den WM-Kampf 1975 auf neun Gewinnpartien anzusetzen. Damit konnte er hoffen, dass er lange genug dauern würde, um Karpov zu ermüden. Als er dann aber auch noch forderte, dass der  Wettkampf bei einem 9:9 als unentschieden abgebrochen werden müsste, wobei Fischer den Titel behalten würde, war das Maß voll. Dass die Sowjets solche Forderungen ablehnten, zeigt, dass sie aus dem Debakel von 1972 gelernt hatten. Auch der Weltschachbund wollte nun nicht mehr mitmachen, und so wurde Karpov 1975 kampflos Weltmeister.

Warum Fischer Kortschnoj weniger fürchtete

Viktor Kortschnoj war 1931 geboren und damit 20 Jahre älter als Anatoli Karpov. Schon lange gehörte er zur absoluten Weltspitze. Im Interzonenturnier Leningrad 1973 hatte er ebenso viele Punkte gemacht wie Karpov und gegen ihn selbst unentschieden gespielt. Im Kandidatenviertelfinale besiegte er den brasilianischen Großmeister Henrique Mecking mit 3:1 bei 9 Remisen, im Halbfinale bezwang er Exweltmeister Tigran Petrosjan mit 3:1 bei einem Remis. Bei der Schacholympiade 1974 in Nizza spielte Kortschnoj auf Brett 2 und erzielte ein Ergebnis von 8:0 bei 7 Remisen. (b) Er hatte damit also nicht ganz, aber immerhin beinahe ebenso gut abgeschnitten wie Karpov, gegen den er, wie schon erwähnt, das Kandidatenfinale über 24 Partien mit 2:3 bei 19 Remisen verlor. Wenn man sich jedoch Kortschnojs Gesamtbilanz der Jahre 1973 und 1974 ansieht, so lässt sich doch ein deutlicher Unterschied feststellen. In der Mega Database von ChessBase fand ich aus diesen beiden  Jahren insgesamt 117 Turnier- und Wettkampfartien, von denen Kortschnoj 40 gewann, aber immerhin 18 verlor. Demgegenüber steht Karpovs Bilanz von 52 Siegen bei nur 4 Niederlagen!

Fischer hätte also klar erkennen können, dass ein Herausforderer Kortschnoj verhältnismäßig leichter zu schlagen gewesen wäre. Ebenso wäre ihm wohl klar geworden, dass Kortschnoj umso stärker spielte, je länger ein Wettkampf dauerte. Also können wir davon ausgehen, dass Fischer, wenn Kortschnoj 1975 sein Herausforderer gewesen wäre, wahrscheinlich nicht auf neun Gewinnpartien bestanden hätte, sondern mit einem kürzeren  Format einverstanden gewesen wäre.

Ein weiterer Grund für meine Vermutung, dass sich Fischer viel eher auf einen WM-Kampf gegen Viktor Kortschnoj eingelassen hätte, besteht darin, dass er ihn aus früheren Begegnungen kannte. Von 1960 bis 1970 hatten sie insgesamt acht Turnierpartien gegeneinander gespielt, von denen jeder zwei gewann, während vier unentschieden ausgegangen waren. Außerdem spielten Kortschnoj und Fischer bei einem Blitzturnier in Herceg Novi 1970 zweimal gegeneinander. Die erste Blitzpartie gewann Kortschnoj, verlor aber die zweite. Gegen Karpov allerdings hatte Fischer noch nie auch nur eine einzige Partie gespielt, so dass dieser Gegner für ihn viel schwieriger einzuschätzen gewesen wäre.

Zweimal Fischer gegen Kortschnoj

Sehen wir uns die zwei interessantesten Partien zwischen Fischer und Kortschnoj an:

 
New ...
Open...
Share...
Layout...
Flip Board
Settings
MoveNResultEloPlayers
Replay and check the LiveBook here
Im Kandidatenturnier Curacao 1962 treffen Fischer und Kortschnoj insgesamt viermal aufeinander. In der ersten Begegnung spielt Kortschnoj mit Schwarz ausnahmsweise die Pirc-Verteidigung, weil er glaubt, Fischer durch eine vorbereitete Eröffnungsneuerung in Schwierigkeiten bringen zu können. Der Amerikaner ahnt nichts Böses und geht Kortschnoj mit 13.g4? in die von langer Hand vorbereitete Falle: 1.e4 d6 2.d4 Nf6 3.Nc3 g6 4.f4 Bg7 5.Nf3 0-0 6.Be2 6.Bd3! 6...c5 7.dxc5 Qa5 8.0-0 8.cxd6? Nxe4! 8...Qxc5+ 9.Kh1 Nc6 10.Nd2 a5! 11.Nb3 Qb6 12.a4 Nb4! 13.g4? Kortschnoj gibt 13.Nd2 als verhältnismäßig beste Fortsetzung an, vgl. "Meine besten Kämpfe", Düsseldorf und Kempten 1979, S. 39 13...Bxg4! Eine böse Überraschung für Fischer! 14.Bxg4 Nxg4 15.Qxg4 Nxc2 Nun hängen Sb3 und Ta1. 16.Nb5 Nxa1 17.Nxa1 Qc6 18.f5 Qc4! Doppelangriff auf Tf1 und Ba4. 19.Qf3 Qxa4 20.Nc7 Qxa1 21.Nd5 21.Nxa8 wollte Kortschnoj mit Rxa8 22.fxg6 fxg6 23.Qf7+ Kh8 24.Qxe7 Qb1 25.Qxb7 25.Qxd6? Qxe4+ 26.Kg1 Bd4+ 25...Re8 26.Re1 Qd3-+ beantworten. Es droht dann Dd3-f3+ und Lg7-d4+. Spielt Weiß, um dies zu verhindern 27.Qa7 , so Rf8! 28.Qe3 28.Qg1 Bd4! 28...Rf1+ 29.Rxf1 Qxf1+ 30.Qg1 Qe2 31.Qg2 Qe1+! 32.Qg1 Qxe4+ und gewinnt. 21...Rae8 22.Bg5 Qxb2 23.Bxe7 Be5 24.Rf2 Qc1+ 25.Rf1 Qh6 26.h3 gxf5 27.Bxf8 Rxf8 28.Ne7+ Kh8! 28...Kg7? 29.Nxf5+ würde die Dame kosten. 29.Nxf5 Qe6 30.Rg1 a4 31.Rg4 Qb3 32.Qf1 a3 0–1
  • Start an analysis engine:
  • Try maximizing the board:
  • Use the four cursor keys to replay the game. Make moves to analyse yourself.
  • Press Ctrl-B to rotate the board.
  • Drag the split bars between window panes.
  • Download&Clip PGN/GIF/FEN/QR Codes. Share the game.
  • Games viewed here will automatically be stored in your cloud clipboard (if you are logged in). Use the cloud clipboard also in ChessBase.
  • Create an account to access the games cloud.
WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Fischer,R-Kortschnoj,V-0–11962B09Kandidatenturnier5
Kortschnoj,V-Fischer,R-0–11962E62Kandidatenturnier12

Meine Prognose: Ein offener Kampf mit leichten Vorteilen für Fischer

Wer die zehn Kortschnoj-Fischer-Partien genauer betrachtet, stellt fest, dass Kortschnoj eine leichte Inititative hatte, wenn auch das Endergebnis insgesamt ausgeglichen war. Hier ist aber zu bedenken, dass Fischer zum Zeitpunkt der ersten Partie gegen Kortschnoj erst 17 und während der fünf 1962 gespielten Partien gerade mal 19 Jahre alt war. Für den zwölf Jahre älteren Viktor Kortschnoj bedeutete dies zweifellos einen Vorteil, da er über wesentlich mehr Erfahrung verfügte als sein jugendlicher Gegner. Wären Kortschnoj und Fischer 1975 oder 1978 in einem WM-Kampf aufeiandergetroffen, hätte sich dies umgekehrt, denn in dem Falle wäre ein 32- oder 35-jähriger Fischer einem 44 oder 47 Jahre alten Herausforderer gegenübergestanden, was mit großer Wahrscheinlichkeit den jüngeren Fischer begünstigt hätte.

Wenn also 1975 oder 1978 tatsächlich ein WM-Kampf Fischer gegen Kortschnoj stattgefunden hätte, glaube ich, dass ungeachtet der Wettkampflänge ein sehr spannendes und offenes Rennen zu erwarten gewesen wäre. Entscheidend in diesem Zusammenhang wäre die Frage, wie Fischer die mehrjährige Spielpause weggesteckt hätte. Aber selbst wenn Kortschnoj zu Beginn eines solchen Wettkampfes mit zwei Punkten in Führung gegangen wäre, hätte Fischer meiner Meinung nach gute Chancen gehabt, am Ende doch die Nase vorn zu haben. Wenn es allerdings Kortschnoj gelungen wäre, Fischer in der „Aufwärmphase“ empfindlich zu treffen (drei oder mehr Punkte Vorsprung), so hätte Kortschnoj gegen Fischer durchaus gewinnen können.

Karpov hätte es schwerer gehabt

Anders sehe ich die Lage bei einem WM-Kampf Fischer – Karpov über neun Gewinnpartien. Trotz seiner ungeheuren Spielstärke glaube ich nicht, dass Karpov einem langen Wettkampf mit Fischer über 30 oder mehr Partien gewachsen gewesen wäre. Sowohl im Kandidatenfinale gegen Kortschnoj 1974, als auch bei der WM 1978 und sogar noch 1984/85 im ersten WM-Kampf gegen Kasparow hatte Karpov ernste Probleme, sobald der Wettkampf anfing, sich in die Länge zu ziehen.

Zweimal Fischer gegen Karpov

Leider kann ich unseren Lesern keine authentischen Partien zu dem Thema vorstellen, aber immerhin einen kleinen Vorgeschmack geben auf das, was möglicherweise bei einem Wettkampf Fischer gegen Karpov passiert wäre. Vor ein paar Jahren machte ich mir nämlich den Spaß, eine Computersimulation des WM-Kampfes 1975 durchzuführen mit Hilfe der Fischer- und Karpov-Persönlichkeiten des Schachprogramms Rebel 13 von Ed Schröder. Diese ergab beim Spiel auf sechs Gewinnpartien einen 6:4-Sieg für Bobby Fischer, beim Spiel auf zehn Gewinnpartien allerdings ein deutliches 10:4 zugunsten von Fischer. Dieses Experiment darf man natürlich nicht allzu ernst nehmen, aber es kamen doch einige hübsche Partien zustande. Sehen wir uns zwei davon an:

 
New ...
Open...
Share...
Layout...
Flip Board
Settings
MoveNResultEloPlayers
Replay and check the LiveBook here
1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.Bc4 In der Mehrzahl der Wettkampfpartien bevorzugte Rebel 13 "Fischer" 3.Bb5 . 3...Be7 Der frühere WM-Kandidat Reuben Fine ließ sich gegen Bobby Fischer auf das Evans-Gambit ein und ging mit wehenden Fahnen unter: 3...Bc5 4.b4!? Bxb4 5.c3 Ba5 6.d4 exd4 7.0-0 dxc3 8.Qb3 Qe7 9.Nxc3 Nf6? 9...Bxc3! 10.Qxc3 f6 11.Ba3 d6 10.Nd5! Nxd5 11.exd5 Ne5 12.Nxe5 Qxe5 13.Bb2 Qg5 14.h4 Qxh4 15.Bxg7 Rg8 16.Rfe1+! Kd8 16...Bxe1 17.Rxe1+ Kd8 18.Qb2+- 17.Qg3! 1:0 Bobby Fischer - Reuben Fine, New York 1963 4.d4 d6 5.d5 5.c3 Nf6 6.dxe5 Nxe5 7.Nxe5 dxe5 8.Qc2 0-0 9.Bg5 c6 10.Bxf6 Bxf6 11.Nd2 Qe7 12.0-0-0 b5 13.Be2 Be6 Ziuliarkin - Karpov, Zlatoust 1962 5...Nb8 6.Nc3 Nf6 7.a4 0-0 8.0-0 a5 9.h3 Nfd7 10.Be3 Nb6 11.Bxb6 cxb6 12.Nb5 Na6 13.Nd2 Nc5 14.Be2 g6 15.Bg4 f5! 16.exf5 gxf5 17.Be2 Der schwarze Königsflügel ist aufgerissen, aber dafür hat er die offene g-Linie und ein starkes Zentrum. Bd7 18.c3 Ne4!? 19.Nc4 19.Nxe4 fxe4 20.Bg4 könnte nach Bxb5 21.axb5 Qe8 zu einem Endspiel mit ungleichen Läufern führen 19...Rc8 20.Bd3 Rc5 21.Re1 21.Qe2! 21...Bh4! 21...Rxd5? 22.Ne3! Rc5 23.Bxe4 fxe4 24.Nxd6± 22.g3? Schwächt die Königsstellung. Besser wäre 22.Bxe4 Bxb5 23.axb5 Bxf2+! 24.Kxf2 fxe4+ 25.Kg1 Rxc4 26.Qg4+ Kh8 27.Rxe4= 22...Qg5! 23.Re2 23.Qf3 Bxb5 24.axb5 Nxg3! 25.fxg3 e4 23...Nxf2! Ein schönes Springeropfer zerstört die Bauernfront vor dem weißen König. 24.Rxf2 Bxg3 25.Rc2? Bessere Überlebenschancen bot 25.Rg2 f4 26.Qf3 e4! 27.Bxe4 27.Qxe4? Bf5 28.Qf3 Bxd3 wäre nicht so gut 29.Qxd3? f3!-+ 27...Rxc4 28.Bd3 28.Nxd6 Rc7 29.Nb5 Rc5 30.Nd4 Bxh3 28...Bxb5 29.axb5 Rc7 30.Re1! 30.Qg4? Rg7!-+ 30...Qh4 31.Re6 Qxh3 32.Rxd6 a4! Nun scheitert 33.Rxb6? an a3! 34.bxa3 34.d6? a2! 34...Rxc3 35.Rxb7 Rc1+ 36.Bf1 Re8!-+ 25...e4 26.Nxb6 26.Bf1 f4-+ 26...exd3 27.Qxd3 Bxb5 28.axb5 Rc7 29.Qf3 Nach 29.Qxg3!? Qxg3+ 30.Rg2 Rg7 31.Rxg3 Rxg3+ 32.Kh2 f4 gewinnt Schwarz das Endspiel. Wenn sich Weiß den Bauern a5 einverleibt, wird er mattgesetzt: 33.Rxa5? Rf6! 34.Ra8+ Kg7 35.Rd8 Rh6 36.Rd7+ Kf8 37.Rd8+ Ke7 38.Rd7+ Ke8-+ 29...Qh4 30.Ra4 f4 31.Qg4+ 31.Kg2? Rg7-+ 31...Qxg4 32.hxg4 Re7! Präzise gespielt. Obwohl die Partie materiell immer noch ausgeglichen steht, wird die weiße Stellung bald zusammenbrechen. 33.Kg2 33.Rxa5 f3-+ 33...Bh4 34.Kh3 Be1! Jetzt droht schon f4-f3-f2-f1D. Wie soll Weiß das verhindern? 35.Nd7 Ein verzweifelter Versuch, den schwarzen Turm von der e-Linie zu entfernen, aber es gab schon keine Rettung mehr, z. B. 35.Rxa5 f3-+ oder 35.b3 Re3+ noch besser als 35...f3 36.Raa2 f2 36.Kg2 f3+ 37.Kf1 Bh4! (droht Matt) 38.Ra1 f2 39.Rcc1 Re1+! 40.Rxe1 fxe1Q+ mit Doppelschach, weshalb der weiße Turm die Dame nicht schlagen darf. 35...Re3+ Nach 35...Rxd7 36.Re4 Bg3 käme Schwarz nicht so schnell zu f4-f3. 36.Kh2 Rf7 37.Rg2 Hübsch ist 37.Nb6 f3 38.Nc4 Re2+ 39.Rxe2 fxe2 40.Ra1 oder 40.Nxd6 Bg3+! und e2-e1D 40...Bxc3! 41.bxc3 Rf1-+ 37...f3 38.Rg1 f2 und Weiß gab auf. 0–1
  • Start an analysis engine:
  • Try maximizing the board:
  • Use the four cursor keys to replay the game. Make moves to analyse yourself.
  • Press Ctrl-B to rotate the board.
  • Drag the split bars between window panes.
  • Download&Clip PGN/GIF/FEN/QR Codes. Share the game.
  • Games viewed here will automatically be stored in your cloud clipboard (if you are logged in). Use the cloud clipboard also in ChessBase.
  • Create an account to access the games cloud.
WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Rebel 13 -Fischer-2780Rebel 13 -Karpov-27050–1 C50Computersimulation der WM 19755
Rebel 13 -Karpov-2705Rebel 13 -Fischer-27800–1 B92Computersimulation der WM 19758

Erstaunlicherweise gewann die Karpov-Persönlichkeit von Rebel 13 nach ihrem vierten Sieg keine einzige Partie mehr. Das hätte allerdings auch in einem tatsächlichen WM-Kampf Karpov gegen Fischer so kommen können (oder auch nicht!?). Wenn der Bobby Fischer-Express nach dreijähriger Spielpause erst einmal Fahrt aufgenommen hat, ist er eben nur schwer zu stoppen! Das klingt doch eigentlich ganz plausibel. (c)

Vielleicht hätte Karpov 1981 Fischer geschlagen

Die besten Chancen gegen Fischer hätte Karpov meiner Meinung nach bei einer WM 1981 gehabt. Zu dem Zeitpunkt wäre Karpov nämlich 30 Jahre alt, Fischer dagegen bereits 38 gewesen. Den 50-jährigen Kortschnoj jedenfalls besiegte Karpov in Meran 1981 zum ersten mal deutlich mit 6:2 bei 10 Remisen, während er die beiden anderen Wettkämpfe 1974 und 1978 nur mit jeweils einem einzigen Punkt Vorsprung knapp gewonnen hatte.

Was meinen die ChessBase-Leser?

Die Gedanken sind frei, so heißt es in einem alten Lied. Daher wäre es schön, wenn die schachhistorisch interessierten ChessBase-Leser ihre Einschätzung mitteilen würden. Wie wäre Ihrer Meinung ein WM-Kampf Bobby Fischer gegen Anatoli Karpov oder Viktor Kortschnoj ausgegangen? Ich bin gespannt!

Anmerkungen:

(a) Eine gute Schilderung der Vorkommnisse rund um die schicksalhafte dritte Partie bietet der folgende auf ChessBase erschienene Artikel von Frederic Friedel:

https://de.chessbase.com/post/vor-45-jahren-bobby-fischer-in-island-4

(b) Einige Partien spielte Kortschnoj auch auf Brett 1, wenn Karpov pausierte oder nicht mit Schwarz spielen wollte, so z. B. gegen Torre und Timman (vgl. Kortschnoj, Ein Leben für das Schach, Düsseldorf 1978, S. 110).

(c)  https://en.chessbase.com/post/fischer-beats-karpov-10-4-a-simulation

Die niedrige Remisquote in der WM-Simulation könnte damit zusammenhängen, dass ich die Eröffnungsbücher für die Karpov- und Fischer-Persönlichkeiten von Rebel 13 ausschließlich aus Gewinnpartien von Fischer bzw. Karpov erstellt hatte. Andererseits zeigen die 6:0-Ergebnisse Fischers in seinen Kandidatenwettkämpfen gegen die damaligen Spitzen-Großmeister Bent Larsen und Mark Taimanow im Jahre 1971, dass Bobby Fischer selbst gegen so starke Gegner zwölf Partien hintereinander gewinnen kann, ohne auch nur ein einziges Remis abzugeben.

 


Stephan Oliver Platz (Jahrgang 1963) ist ein leidenschaftlicher Sammler von Schachbüchern und spielt seit Jahrzehnten erfolgreich in der mittelfränkischen Bezirksliga. Der ehemalige Musiker und Kabarettist arbeitet als freier Journalist und Autor in Hilpoltstein und Berlin.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren

Wir verwenden Cookies und vergleichbare Technologien, um bestimmte Funktionen zur Verfügung zu stellen, die Nutzererfahrungen zu verbessern und interessengerechte Inhalte auszuspielen. Abhängig von ihrem Verwendungszweck können dabei neben technisch erforderlichen Cookies auch Analyse-Cookies sowie Marketing-Cookies eingesetzt werden. Hier können Sie der Verwendung von Analyse-Cookies und Marketing-Cookies widersprechen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.