Die Analyse der Hängepartie des Deutschen Schachbundes im Kampf um seine Fördermittel ist ist nicht einfach. So ist zum Beispiel schon nicht klar, wer denn auf auf der anderen Seite des Brettes sitzt. Auf den ersten Blick schien es, als sei das das Bundesinnenministerium der Gegenspieler des Schachbundes, doch offenbar sitzt dieses dort nicht alleine.
Was bisher geschah:
Das BMI erteilte dem Antrag des Schachbundes auf Sportförderung nach 38 Jahren, in denen der Schachbund gefördert wurde - zuletzt in Höhe von 130.000 Euro p.a. - , in diesem Jahr eine Absage und verwies auf die vom Deutschen Olympischen Sportbund neu gefasste Fördersystematik, in der unter anderem zugrunde gelegt wurde, dass eine Sportart als Voraussetzung für die Förderung
"... durch eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität des Sportlers gekennzeichnet sein (muss), die nicht überwiegend in der Bewältigung technischen, motorgetriebenen Geräts besteht. Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denksport-, Geschicklichkeits- und Glücksspielen, Bastel-, Funk-, Computer- und Modellbautätigkeiten."
Nach dieser Definition, die im Gegensatz zu früher nun uneingeschränkt gelten sollte, war Schach nicht mehr förderungswürdig, denn Schach ist nach herkömmlicher Vorstellung sicher eine "Denksportart". Und solche wurden hier explizit ausgeschlossen.
Das BMI begründete seine Absage an den Schachbund mit diesem Passus der neuen Fördersystematik, ignorierte dabei aber geflissentlich den gleichzeitigen Beschluss der DOSB-Mitglieder, dass Schach ungeachtet der neuen Fördersystematik in jedem Fall förderungswürdig bleiben soll. Nach vielen Protesten aus dem Schach beschäftigte sich der Haushaltausschuss des Bundestages, das Kontrollorgan der Volksvertreter, mit dieser Angelegenheit und erklärte durch seinen Sprecher Norbert Barthle:
"Ebenfalls verbessert haben die Haushälter der Großen Koalition die Situation des nichtolympischen Sports. Von den Mitteln, mit denen das Bundesministeriums des Innern die Jahresplanungen der Bundessportfachverbände und ihr Leistungssportpersonal bezuschusst bzw. die Ausrichtung von Wettbewerben unterstützt, sollen ab 2014 vier Prozent für die nichtolympischen Sportverbände zur Verfügung gestellt werden. Damit setzen wir ein klares Zeichen für die vielen Sportlerinnen und Sportler, die sich in nichtolympischen Sportarten engagieren. Auch hier findet Leistungssport auf hohem und höchstem Niveau statt.
Zudem haben wir Haushälter klar zu verstehen gegeben, dass die für 2014 vorgesehene Streichung des Bundeszuschusses für den Deutschen Schachbund, der aus den Mitteln für den nichtolympischen Sport bestritten wird, zurückgenommen wird. Zwar erfüllt der Schachsport nicht die im Dezember 2013 verabschiedeten neuen Förderkriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes, dennoch respektieren wir den einstimmigen Beschluss der DOSB-Mitgliederversammlung, dem Schachsport auch zukünftig einen Sonderstatus zuzubilligen.“
Bei einem Treffen der Vertreter des Schachbundes mit den zuständigen Vertretern des Bundesinnenministerium wurde dem Schachbund jedoch mitgeteilt, dass das Innenministerium sich durch diese Empfehlung zwar ermächtigt, keinesfalls aber verpflichtet fühle, den Schachbund nun doch finanziell zu unterstützen. Zudem wurde auch schon auf weitere Vorgaben des DOSB in seiner Fördersystematik verwiesen, wonach nichtolympische Sportarten in Bezug auf die World Games oder Weltmeisterschaften als Ziel der Förderung bestimmte Bedingungen zu erfüllen hätten, um förderungswürdig zu sein.
Ein interessanter Präzedenzfall: Welches Organ hat bei einer solchen Streitfrage eigentlich die Entscheidungsgewalt? Das Bundesinnenministerium oder der Haushaltsausschuss?
Norbert Bathle, Sprecher des Haushaltsauschuss, und sein Stellvertreter Martin Gerstner, die sich dankenswerterweise für die ebenfalls aus der Sportförderung gestrichenen Initiativen "Jugend trainiert für Olympia" und "Jugend trainiert für Paralympics" sowie das Schach eingesetzt haben, ließen die Sache nicht auf sich beruhen, sondern fragten im Innenministerium und beim DOSB nach.
In einem Antwortschreiben des DOSB - Geschäftsführers Michael Vesper, das Norbert Wallett von den Stuttgarter Nachrichten vorliegt, wird klar gestellt, dass für den DOSB "die einstimmige Feststellung der Mitgliederversammlung maßgebend (ist), der zufolge der Deutsche Schachbund wegen der Anerkennung seines Internationalen Verbandes durch den IOC auch weiterhin im Rahmen des genannten Förderkonzepts gefördert werden soll." Ob das nun auch für das BMI gilt, ist bisher nicht bekannt.
Der DOSB verweist aber im gleichen Schreiben auch auf den Verteilungsschlüssel, der im Zuge der neuen Fördersystematik ebenfalls neu gefasst wurde:
"Legt man das neue Förderkonzept zugrunde, so hätte der Deutsche Schachbund auf der Basis der bislang veranschlagten Gesamtsumme von 2 Mio. Euro für die Förderung der Nichtolympischen Verbände Anspruch auf eine Förderung auf eine Förderung in Höhe von 32.210 Euro für die Jahresplanung und von 34.300 Euro für das Leistungssportpersonal."
Dies bedeutet also eine Halbierung der Fördermittel für den Schachbund mit einer Option einer Erhöhung um bis zu 30.000 Euro, falls Medaillen gewonnen werden. Zuvor wurden dem Schachbund im Zuge der Förderung nach einem anderen Schlüssel pauschal die Mittel für die Stelle eines Sportdirektors und eines Bundestrainer bezahlt.
Die Aufteilung von Mitteln für die "Jahresplanung" und das "Leistungssportpersonal" wird ebenfalls in der vom DOSB veröffentlichten neuen Fördersystematik (s. unten) erläutert. Wer Zeit übrige hat, mag sich in die Mathematik des Verteilungsschlüssel einarbeiten. So richtig zufrieden ist man im DOSB bzw. bei den Fachverbänden aber mit dem beschlossenen Verteilungsschlüssel nicht, denn dieser soll, wie gegenüber dem Haushaltsausschuss erläutert wurde, 2014 noch einmal überarbeitet werden:
"Da ohnehin geplant ist, das Förderkonzept auf der nächsten Mitgliederversammlung des DOSB im Dezember 2014 zu überarbeiten und zu ergänzen, könnte eine entsprechende Klarstellung dann aufgenommen werden."
Gemeint ist offenbar (hoffentlich) eine Klarstellung über die Rolle des Schachs als Sportart innerhalb des DOSB.
Die Probleme, die der Schachverband derzeit hat, resultieren aus der vom Deutschen Olympischen Sportbund gefassten neuen Fördersystematik. Nach der Interpretation des BMI sollte der Schachbund zunächst ganz aus der Förderung fallen, nun werden also die Mittel halbiert. Der Schachbund hat den Beschlüssen selber zugestimmt, in der Befürchtung sonst per se aus der Sportförderung zu fliegen.
In früheren Jahren, als der Deutsche Sport noch im Sportbund (alle Sportarten) und das NOK (Olympische Sportarten) organisiert war, wurde die Rolle des Schachs nicht in Frage gestellt. Bei der Einweihung der damals neuen Geschäftsstelle des Schachbundes in Berlin im Jahr 2001 war als Vertreter des Sportbundes auch sein Präsident Manfred Freiherr von Richthofen zu Gast und erklärte die Rolle des Schachs im Sport. Demnach war Schach "dem Sport gleich gestellt" und werde als Gründungsmitglied des DSB auch immer Sport sein. Damals wusste von Richthofen allerdings noch nicht, dass er der letzte Präsident des Sportbundes sein würde und dieser als eigenständige Sportvertretung (aller Sportarten) verschwinden wird.
Mit der Zusammenlegung von DSB und NOK zum DOSB mag die Verwaltung des Sports einfacher geworden sein, zugleich wurde aber auch im DOSB die Einteilung in eine Zweiklassengesellschaft eingeführt, nämliche in Olympische und Nichtolympische Sportarten. Ehrlicherweise könnte man sie auch besser Fernsehsportarten und Nicht-Fernsehsportarten nennen.
Im DOSB sind neben den Landessportbünden und Verbänden mit besonderen Aufgaben 62 Fachverbände organisiert, davon sind 33 Verbände "Olympische Sportarten", 29 Verbände sind "Nichtolympische Sportarten". Die Fördermittel des BMI verteilen sich indes im Verhältnis 96% für die Olympischen und nur 4% für die Nichtolympischen Sportarten.
Die Bundesregierung möchte vor allem die Sportarten fördern, die bei Großveranstaltungen im Mittelpunkt (der TV-Übertragung) stehen. Die Dachorganisation der Sportverbände sollte allerdings alle ihre Mitglieder angemessen vertreten.
Sieht man die Zahlen, dann muss man sich fragen, ob der DOSB für den Schachbund, aber auch die anderen Nichtolympischen Sportverbände noch die richtige Vertretung ist. Vielleicht sollte man den 29 Nichtolympischen Sportverbänden besser raten, aus dem DOSB austreten und einen eigene Verband gründen. Man könnte ihn "Deutscher Sportbund" nennen. Der Name müsste doch frei sein.
Erklärung des Haushaltsauschusses...
Interview mit Norbert Barthle...
Die Fördersystematik des DOSB...
12. Sportbericht der Bundesregierung (2010)...