Fotofinish bei der Europa-Mannschaftsmeisterschaft: Serbien knapp vor Deutschland

von André Schulz
20.11.2023 – Die deutsche Mannschaft gewann in der Schlussrunde mit 2,5:1,5 gegen Kroatien, aber zu Gold reichte es nicht. Serbien hatte nach einem Sieg gegen Griechenland eine minimal bessere Zweitwertung. Eine starke deutsche Mannschaft gewinnt Silber. Im Frauenturnier holte Bulgarien den Titel. Deutschland wurde Siebter. | Bild: Spieler und Offizielle verfolgen mit Spannung die Partien. | Fotos: Mark Livshitz (ECU) und Paul Meyer-Dunker (DSB)

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Die deutsche Mannschaft ging als Dritte der Startliste, hinter Aserbaidschan und Rumänien, in die Europa-Mannschaftsmeisterschaft und übernahm von Anfang an die Führung. Trotz zwischenzeitlicher Krankheitsfälle in der Mannschaft zeigte das deutsche Quintett mit Vincent Keymer, Rasmus Svane, Matthias Blübaum, Alexander Donchenko und Dmitrij Kollars eine sehr geschlossene Mannschaftsleistung, blieb bis zur letzten Runde ohne Niederlage und kontrollierte das Feld von der Tabellenspitze. Ein Kontrahent ließ sich jedoch nicht abschütteln - die serbische Mannschaft mit ihren Neuzugängen Alexandr Predke und Alexey Sarana, die aus dem russischen Verband in den serbischen Verband gewechselt waren. 

In der Schlussrunde lieferten sich die beiden führenden Mannschaften ein Fernduell um Gold und Silber. Serbien, mit einer etwas besseren Zweitwertung, spielte gegen Griechenland. Deutschland traf auf Kroatien. Da die beiden führenden Mannschaften schon einen Vorsprung von zwei Punkten hatten, reichte ihnen ein Remis in der Schlussrunde für die Silbermedaille. Aber natürlich wollten beide Teams mehr als Silber. 

Neben Bundestrainer Jan Gustafsson, der als Eröffnungsspezialist ja auch schon Magnus Carlsen geholfen hatte, wurde das deutsche Team auch noch von Frederik Svane unterstützt, der bei den Eröffnungsvorbereitungen half.

Zu Beginn der Runde gab er ein Interview zu seinen Aufgaben im deutschen Team:

Dmitrij Kollars brachte die deutsche Mannschaft mit einem Sieg gegen Marin Bosiocic in Führung. 

Kollars kam im Mittelspiel in Vorteil, spielte dann etwas ungenau und verursachte so noch ein spannendes Finale.

Nach der Partie stellte Dmitrij Kollars sich im Interview den Fragen von Paul Meyer-Dunker:

Rasmus Svane gab seine ausgeglichene Partie gegen Ante Brkic remis. Deutschland lag also nun mit 1,5:0,5 in Führung. Alexander Donchenko und Sasa Martinovic hatten eine Remis-Bauernendspiel auf dem Brett, aber Vincent Keymer besaß gegen Ivan Saric einen Mehrbauern im Endspiel mit Turm und Leichtfigur auf beiden Seiten und versuchte diesen in einen Gewinn zu verwandeln. Allerdings vergeblich.

Vincent Keymer

Am Ende stand ein 2,5:1,5-Sieg für Deutschland und nun hing die Entscheidung über die Verteilung von Gold und Silber vom Ergebnis des Matches Serbien gegen Griechenland ab.

Hier hatte Velimir Ivic die Serben an Brett vier in Führung gebracht. Dann punkteten auch Alexey Sarana und Aleksadr Indjic für Serbien. Evgenios Joannidis holte den Ehrenpunkt für Griechenland. Endstand 3:1 für Serbien.

Serbien und Deutschland beenden also das Turnier punktgleich mit überragenden 15 Punkten. Als Feinwertung wird bei Mannschaftsturnieren dieser Art die Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung mit einem Streichresultat angewandt, das heißt: Es werden die erzielten Brettpunkte jedes Matches mit der während des gesamten Turniers erzielten Matchpunktzahl des Gegners multipliziert und dann addiert. Das führt dann bisweilen zu dem kuriosen Ergebnis, dass man erst weiß, wer gewonnen hat, wenn alle Ergebnisse aller Mannschaften vorliegen, weil die Partien und Ergebnisse aller Mannschaften, gegen die die punktgleichen Sieger gespielt haben, in das Ergebnis einfließen.

In diesem Fall hing die Entscheidung darüber, ob Serbien oder Deutschland Gold gewinnt, von dem Ergebnis des Matches Island gegen Türkei und der Partie Gudmundur Kjartansson (Island) gegen Cemil Can Ali Marandi (Türkei) ab. Da Kjartansson das Endspiel remis hielt und das Match 2:2 endete, wurde Serbien Europameister. Hätte Ali Marandi gewonnen, wäre Deutschland Europameister geworden. Der Unterschied ist ein Punkt in der Feinwertung.

Keine andere Sportart hat so eine alberne Feinwertung.

Bronze hinter Serbien und Deutschland gewann Armenien, das in der letzten Runde gegen England gewann.

Magnus Carlsens norwegische Mannschaft war als achte der Startliste ins Turnier gegangen, konnte aber diese Einschätzung im Laufe des Turniers nicht bestätigen. Der Weltranglistenerste erspielte bis zur achten Runde mit fünf Siegen und drei Remis ziemlich genau seine Eloerwartung. Das gelang seinen zum Teil noch jungen Teamkollegen nur mit Abstrichen. Im letzten Wettkampf gegen Tschechien setzte Carlsen aus. Norwegen verlor und wurde 13ter.

Endstand

Rg. Snr Team Anz   +    =    -   Wtg1   Wtg2   Wtg3   Wtg4   Wtg5 
1 Serbia 15
2 Germany 15
3 Armenia 13
4 Poland 12
5 Czech Republic 12
6 England 11
7 France 11
8 Romania 11
9 Hungary 11
10 Croatia 11
11 Georgia 11
12 Greece 11
13 Norway 10
14 Moldova 10
15 Israel 10
16 Italy 9
17 Spain 9
18 Azerbaijan 9
19 Lithuania 9
20 Austria 9
21 Netherlands 9
22 Turkey 9
23 Slovakia 9
24 Iceland 9
25 Slovenia 8
26 Montenegro 8
27 Sweden 8
28 Switzerland 8
29 Belgium 7
30 Montenegro C 7
31 Kosovo 7
32 Denmark 6
33 Albania 6
34 North Macedonia 6
35 Finland 6
36 Montenegro Youth 6
37 Faroe Islands 4
38 Scotland 0

Partien

Frauenturnier

In der Europameisterschaft der Frauen hatte das bulgarische Team mit einem Punkt Vorsprung vor Aserbaidschan die besten Karten auf den Gewinn der Europa-Teammeisterschaft der Frauen.

Das deutsche Frauenteam mit Elisabeth Pähtz, Dilara Wagner, Josefine Heinemann, Hanna Marie Klek und Jana Schneider war ebenfalls als Dritte der Setzliste ins Rennen gegangen. Nach einem Remis und drei Siegen musste das deutsche Team eine Niederlage gegen Aserbaidschan hinnehmen. In Runde sieben gab es eine weitere Niederlage gegen Polen, nach der die deutschen Frauen ihre Medaillenhoffnungen mehr oder weniger begraben mussten. 

In der Schlussrunde hieß der Gegner Schweiz, inzwischen nach einem Verbandswechsel mit Alexandra Kosteniuk am ersten Brett. Ghazal Hakimifard hatte die Schweiz mit einem Sieg über Hanna Marie Klek in Führung gebracht, Elisabeth Pähtz  mit einem Sieg gegen Alexandra Kosteniuk ausgeglichen. Dinara Wagner und Jana Schneider hatten ihre Partien remis gespielt - 2:2 also. Damit wurde das deutsche Team Siebter.

Das deutsche Damenteam

Bulgarien gewann das Match gegen Georgien und sichert sich damit die Goldmedaille. Aserbaidschan holt Silber vor Frankreich, das mit der besten Feinwertung vor der Ukraine, Griechenland und Polen Bronze gewinnt.

Bulgarien gegen Georgien

Endstand

g. Snr Team Anz   +    =    -   Wtg1   Wtg2   Wtg3   Wtg4   Wtg5 
1 5
Bulgaria 9 7 2 0 16 236 23 179 160
2 2
Azerbaijan 9 7 1 1 15 227 22,5 183,5 149,3
3 6
France 9 5 2 2 12 210 22,5 184 116,3
4 4
Ukraine 9 5 2 2 12 199 23,5 167 109,3
5 19
Greece 9 5 2 2 12 181,5 20,5 180,5 118,5
6 8
Poland 9 6 0 3 12 175,5 19,5 175,5 111,5
7 3
Germany 9 4 3 2 11 178 20 172,5 99
8 15
Serbia 9 5 1 3 11 171,5 18,5 182 104,8
9 11
Switzerland 9 4 3 2 11 169,5 20 173,5 100,8
10 1
Georgia 9 4 2 3 10 180 19,5 181 95,5
11 7
Armenia 9 4 2 3 10 174,5 20 171,5 91
12 9
Spain 9 5 0 4 10 169 20 172 89
13 13
England 9 4 2 3 10 138 19 168,5 82,8
14 18
Slovenia 9 4 1 4 9 160,5 20,5 160,5 71,3
15 21
Turkey 9 4 1 4 9 137 18,5 162 67,8
16 20
Italy 9 4 1 4 9 126 17,5 163 69,8
17 14
Romania 9 4 1 4 9 122 19 159,5 73,5
18 17
Israel 9 3 3 3 9 115,5 18 152,5 69,5
19 10
Netherlands 9 3 2 4 8 164 20 172,5 72,8
20 12
Hungary 9 3 2 4 8 152,5 18 174,5 75,8
21 22
Estonia 9 3 2 4 8 126,5 16,5 168,5 67,5
22 24
Sweden 9 4 0 5 8 122,5 18,5 146 56,5
23 26
Croatia 9 3 1 5 7 100 15 157,5 53,3
24 23
Czech Republic 9 3 1 5 7 95,5 17 139 47,3
25 29
Belgium 9 3 1 5 7 81 14,5 147 52
26 27
Iceland 9 3 1 5 7 73,5 14 142 44,3
27 32
North Macedonia 9 3 1 5 7 64 12,5 148,5 51
28 16
Slovakia 9 2 2 5 6 104,5 16,5 149 43,8
29 31
Montenegro 9 3 0 6 6 75,5 13,5 136 43
30 30
Norway 9 2 1 6 5 64 11 141 34
31 25
Austria 9 1 2 6 4 89,5 15 139 26
32 28
Finland 9 1 1 7 3 67,5 12 135,5 21

Partien

Turnierseite

Ergebnisse bei Chess-Results


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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