Frauen-Weltmeisterschaft: Gleichstand vor der letzten Partie

von André Schulz
21.07.2023 – Ju Wenjun und Lei Tingjie scheinen die Entscheidung bei der Frauenweltmeisterschaft im Stichkampf zu suchen. Heute spielten sie die 11. Partie ihres Wettkampfes, vermeiden dabei aber jedes Risiko. Die Partie endete Remis zum Stand von 5,5:5,5. Am Samstag wird die 12. und letzte reguläre Partie gespielt. | Fotos: Stev Bonhage (FIDE)

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Die Frauenweltmeisterschaft steuert auf einen Stichkampf zu. Auch in der elften und vorletzten Partie gelang es weder Titelverteidigerin Ju Wenjun noch ihrer Herausforderin Lei Tingjie, den vielleicht entscheidenden Sieg zu erringen. Nach den WM-Wettkämpfen Carlsen gegen Karjakin (zwei entschiedene lange Partien) und Carlsen gegen Caruana (keine entschiedene lange Partie) hatte die FIDE die Anzahl der Partien bei der absoluten Weltmeisterschaft auf 16 erhöht, weil man den Eindruck gewonnen hatte, dass zwölf Partien eine zu kurze Distanz sind und die Spieler aus Angst, mit einer Niederlage schon entscheidend in Nachteil zu geraten, kein Risiko eingehen wollen. Dabei spielte die Überlegenheit des Titelverteidigers Magnus Carlsen sicher eine gewisse Rolle, denn seine Gegner agierten besonders vorsichtig. Vielleicht ist aber auch in der Frauen-Weltmeisterschaft die Distanz von 12 Partien zu kurz, denn auch beim Wettkampf zwischen Ju Wenjun und Lei Tingjie hat man den Eindruck, dass die beiden Spielerinnen in manchen Phasen des Matches mit angezogener Handbremse agieren.

Bei Gleichstand nach 12 Partien entscheidet ein Stichkampf, erst mit Schnellschachpartien, dann mit Blitzpartien, zum Schluss mit der berühmten Armageddon-Partie. Ob das die richtige Entscheidungsformel für einen Weltmeisterschaftskampf zweier gleich starker Gegnerinnen ist - oder Gegner in der absoluten Weltmeisterschaft - ist fraglich. In früheren Zeiten reichte dem Titelverteidiger ein Unentschieden, um den Titel zu behalten. Das scheint ungerecht und den Herausforderer zu benachteiligen. Ja, aber es führt dazu, dass mindestens einer der beiden Spieler auf Sieg spielen musste, wenn er etwas erreichen wollte. Nur ein Herausforderer, der besser war als der Titelverteidiger und das im Match beweisen konnte, löste den bisherigen Weltmeister ab. So schlecht war das gar nicht. Und man sparte sich Entscheidungen im Blitzen oder gar Armageddon.

Bei der Eröffnung der Partien dieser rein chinesischen Weltmeisterschaft führen verdiente Menschen den symbolischen ersten Zug für Weiß und Schwarz aus. Man lernt dabei etwas, nämlich, welche Institutionen es alle im großen, für viele so unbekannten China gibt.

Diesmal eröffneten Luo Jianping, der stellvertretende Direktor des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses des Bezirks Changshou, und Yan Chunming, von der Liste der "Barmherzigen Samariter" die Parte. Auf dieser Liste werden nach Vorschlägen aus der Bevölkerung Menschen geführt, die sich durch Barmherzigkeit, Hilfe für notleidende Menschen oder besonderen Dienst an der Gesellschaft hervorgetan haben. 

Die von beiden Seiten sehr ruhig geführte 11. Partie gewann in der Zeitnotphase für einen kurzen Moment an Tempo, nachdem Ju Wenjun sich für 35...e4 entschieden hatte.

Ju Wenjun

Lei Tingjie

Nach dem Tausch mehrerer Figuren war die Luft jedoch raus und auch diese Partie endete remis.

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Morgen folgt die 12. Partie, am Sonntag wird evtl. der Stichkampf gespielt.

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.