Frühstück bei "Yifany"
Text und Fotos: D. Kohlmeyer
Der Badeort Wijk aan Zee ist klein und überschaubar. Hotels gibt es wenige,
aber viele kleine Pensionen, die fast das ganze Jahr über ausgebucht sind. Neben
der Sommersaison gibt es ja das Schachfestival, das den Januar ausfüllt, ansonsten
wohnen dort viele Ausländer, die in Holland arbeiten.
Es ist meine vierte Herberge, die ich seit 1994 in Wijk bewohne. Mein eigentliches
Stammhotel "De Wijk", in dem ich die letzten Jahre logierte, ist verkauft worden.
Ich traf den ehemaligen Besitzer am Tresen des Restaurants in der De Moriaan
Halle. "Ich bin mit dem Deal zufrieden, sagte er, das Haus ist jetzt in polnischer
Hand". Andere Bewohner des Ortes sind es weniger. Wie zu hören war, wohnt jetzt
dort eine Unmenge polnische Arbeiter, die in Holland einem Job nachgehen, aber
zu viert auf einem Zimmer kampieren.
Durch den unfreiwilligen Wechsel erlebte ich nicht nur eine bessere Betreuung,
sondern habe dazu auch noch Reporterglück. Im kleinen Hotel "Haasduin", das
nur elf Zimmer hat, logierten beim diesjährigen Corusturnier auch zwei der stärksten
Schachdamen der Welt. Koneru Humpy aus Indien, die von ihrem Vater Ashok (49)
begleitet wird, und Hou Yifan aus China mit ihrem Coach Yu Shaoteng.
Koneru Humpy und Vater Ashok
Ein starkes Team für China: Hou Yifan (rechts) und ihr Coach Yu Shaoteng
(links)
Erste beim reichhaltigen Frühstück ist immer Koneru Humpy, die als Getränk gern
warme Milch zu sich nimmt. Punkt 8.30 Uhr sitzt die Weltranglisten-Zweite mit
ihrem Vater am Tisch.
Frühstück mit warmer Milch: Humy Konerus Vorbereitung auf die Partie
Jetzt sitzt auch der Fotograf (Dagobert Kohlmeyer, links) am Tisch
Hou Yifan kommt meist kurz nach 9 Uhr. Sie trinkt Tee. Ihre Haarspangen trägt
sie inzwischen nicht mehr. Aber jeden Tag einen schicken Nike-Trainingsanzug
und natürlich auch die passenden Turnschuhe dazu. "Die Sportkleidung bekommen
wir von unserm Schachverband", sagt die 13-Jährige stolz. Sie freut sich auf
den Länderkampf Deutschland-China im August und natürlich auf die Schacholympiade
in Dresden, wo sie zum zweiten Mal nach Turin 2006 für ihre Nation die Figuren
setzt.
Im Sommer 2007 wurde Hou Yifan zum ersten Mal chinesische Landesmeisterin und
damit die jüngste aller Zeiten im Reich der Mitte. Und das bei dieser Konkurrenz
im eigenen Land! "Ihr Weg geht kontinuierlich nach oben", sagt Trainer Yu Shaoteng,
der 29 Jahre alt und selbst Großmeister ist. "Vor allem im taktischen Bereich
ist sie sehr stark".
Der Coach war schon voriges Jahr mit Yifan in Wijk aan Zee, wo sie im C-Turnier
startete. Diesmal sorgt sie im B-Wettbewerb für Paukenschläge. So fegte sie
in der ersten Woche mit Weiß keinen Geringeren als den WM-Finalisten 1993 Nigel
Short vom Brett, und hielt gestern ihre schwierige Partie gegen den russischen
Jungstar Jan Nepomniatchi in einem komplizierten Endspiel mit zwei Bauern gegen
Läufer und Bauer remis. Beide Ladies haben bisher 3,5 Punkte erspielt.
Hou Yifan
Sicher können wir von Hou Yifan in nächster Zeit noch eine Menge erwarten. Die
Chinesen wollen sie zur Weltmeisterin machen. Starallüren hat sie keine, das
Mädchen verhält sich ganz normal wie ein Teenager. In Peking lebt sie mit ihrer
Mutter in einer riesigen Sportschule, wo auch Sportler anderer Disziplinen auf
Hochleistungen getrimmt werden. In Wijk aan Zee wird sie jeden Morgen von Herbergsmutter
Wilhelmine Haas mit leckeren holländischen Pfannkuchen verwöhnt.
Auch Koneru Humpy isst diese gern. Ich habe sie auch zweimal gekostet. Sie schmecken
großartig. Schachfreund, kommst du nach Wijk aan Zee und hast das Glück, im
Hause "Haasduin" zu wohnen, dann probier unbedingt diese Pfannkuchen! Nach zwei
Wochen hatten die beiden Gäste aus dem fernen Riesenreich aber doch einmal Appetit
auf heimische Küche. So fuhren Hou Yifan und ihr Trainer am spielfreien Montag
mit dem Bus ins benachbarte Bevervijk, um ein China-Restaurant aufzusuchen.
Dort waren Sauer-scharf-Suppe und Ente cross angesagt.
Koneru Humpy blieb lieber zu Hause und bereitete sich auf den nächsten Gegner
vor. Es ist ihr Landmann P. Harikrishna. Zu gern würde sie einmal gegen Judit
Polgar spielen, die in der De Moriaan Halle nur zwei Meter entfernt von ihr
am Tisch sitzt und ihr weibliches Vorbild ist. Aber die Ungarin, die seit 20
Jahren unangefochten die Weltrangliste anführt, spielt auf Grund ihrer Stärke
bekanntlich nur gegen Männer.
Indiens Schachkönigin beim TV-Interview
Andere Idole für Humpy sind, wen wundert es, ihr Landsmann Vishy Anand und Anatoli
Karpow. Befragt nach ihrer Lieblingsfigur, sagt Koneru: "Das ist der Läufer".
In Dresden könne die deutschen Schachfans die freundliche junge Dame wiedersehen.
Dann spielt die inzwischen 20-Jährige nach Calvia 2004 und Turin 2006 ihre dritte
Olympiade. Zum dritten Mal ist die indische Großmeisterin auch in Wijk aan Zee.
Den ständigen Nieselregen mag sie nicht, aber damit müssen ja hier alle Schachstars
leben. Ihren Landsmann Vishy Anand hat diese Tatsache jedenfalls nicht daran
gehindert, schon fünfmal in Wijk aan Zee zu gewinnen. Damit ist er Rekordhalter
vor Lajos Portisch und Viktor Kortschnoi, die im holländischen Schachmekka je
viermal siegreich waren.
Die Quartiereltern Ed und Wilhelmine Haas haben mir ein Internetkabel ins Zimmer
gelegt, so dass ich diesen Bericht problemlos nach Hamburg schicken kann, ohne
durch den heftigen Regen ins Pressezentrum stapfen zu müssen. Danke!
Wilhelmine Haas
Es geht auch friedlich: Holländischer Schachnachwuchs