Das Trompowsky-System, das mir erstmals in der Erstrunden-WM-Partie zwischen Magnus Carlsen und Sergej Karjakin (Newsblog WM Carlsen-Karjakin: Partie Nr. 1 Remis | ChessBase) bewusst auffiel, erschien mir lange Zeit nicht besonders gefährlich. Vor allem die Zugfolge 1.d4 d5 2.Lg5 wirkte wenig logisch und schien Schwarz kaum Probleme zu bereiten.
Der Internationale Meister Robert Ris, durch unzählige ChessBase-Videos und als renommierter Trainer niederländischer Talente bekannt, hat sich nun erneut der Aufgabe gestellt, ein komplettes (!) Weißrepertoire auf der Grundlage dieser Variante zu entwickeln. Der Schwerpunkt liegt auf hochkomplexen Stellungen, die moderne Engines ohnehin fast alle mit 0.00 bewerten. Wer sich also in komplizierten, verworrenen Stellungstypen wohlfühlt, ist hier genau richtig. Ris betont ausdrücklich, dass das Repertoire vor allem für schnellere Zeitkontrollen gedacht sei, doch ich würde es bis zu meinem Niveau, eigentlich sogar noch darüber hinaus, bedenkenlos auch in klassischen Partien spielen. Ziel ist es, die entstehenden Stellungen besser zu verstehen, um den Gegner unabhängig von konkreten Zugfolgen überspielen zu können. In einer Zeit, in der der Zugriff auf Eröffnungsdatenbanken nie einfacher war, wird es immer wichtiger, ein stabiles Verständnis „seiner“ Stellungen zu besitzen, statt nur Hauptvarianten auswendig zu lernen.
Der Kurs gliedert sich in zwei große Abschnitte: 1.d4 Sf6 und 1.d4 d5.
Kostenlose Videobeispiele:
Einführung
1.d4 Sf6 2.Se4 h4 c5
Bei 1.d4 Sf6 handelt es sich um das klassische Trompowsky. Eine der Hauptvarianten besteht darin, nach 2…d5 mit frühem …dxc5 zu reagieren. Dabei entstehen, wie bereits angekündigt, extrem chaotische Stellungen wie hier:

Was für eine Müllhalde an Figuren! Schwarz hat hier mehrere Optionen. Zunächst hängt zwar einfach der Springer auf g1, jedoch folgt dann Txg1!, um die Dame abzulenken, gefolgt von fxg7 und Se4, wonach Schwarz sehr präzise spielen muss, um nicht sofort zu verlieren. Wie Ihr merkt, lohnt es sich, bestimmte Varianten gut zu studieren. Ris fordert auch aktiv dazu auf, besonders wichtige Stellungen und Trainingspartien zu üben, sodass man in praktischen Partien einen realen Vorteil hat.
Kostenloses Videobeispiel: 1.d4 Sf6 2.Lg5 e6 3.e4 Le7/d5/c5
Eine weitere verrückte Stellung, die ich Euch nicht vorenthalten möchte, findet sich in der Zugfolge 1.d4 d5 2.Lg5 f6 wieder. Diese Variante galt lange Zeit als eine der besten Antworten auf das unsinnig wirkende 1.Lg5 vor allem nach 3.Lh4 Sh6! bewahrheitet sich das. Dementsprechend ist Lf4! der zu spielende Zug, nachdem Schwarz, mal wieder, sehr genau spielen muss.

So entsteht kurz darauf dieses Meisterwerk von einer Stellung: Weiß ist gezwungen, seinen Springer zu opfern. Jedoch erlangt er nach 9...exf5 10.cxd5 Sb8 genug Kompensation, da der schwarze König entblößt ist und Schwarz unterentwickelt zurückbleibt. Ich denke, die beiden Stellungen zeigen, worauf man sich in diesem Videokurs einstellen kann.
Mir gefällt besonders, dass es sich um ein vollständiges Repertoire handelt. Das bedeutet, wenn man irgendwann alles gelernt hat, gibt es keine Varianten mehr, mit denen Schwarz ausweichen könnte. Es werden nämlich selbst die Abspiele 1.d4 e6 2.e4, also französische Stellungen, behandelt. Das zeugt von der Ausführlichkeit und dem Qualitätsanspruch, den Ris an sich und seine Kurse stellt. Auch gegen Französisch findet er mit der Winawer-Variante Lösungen für Weiß, die spannende Stellungen garantieren.
Meine Empfehlung für dieses Repertoire richtet sich an Spieler, die bereits ein solides Hauptrepertoire besitzen und etwas Abwechslung sowie Überraschung einbringen möchten, allerdings mit der Vorwarnung, dass es durchaus viel Arbeit erfordert. Dies wäre auch mein einziger negativer Aspekt, da eine Alternativvariante gewöhnlich weniger Zeitaufwand erwarten lässt. Man kann die Dateien und Videos jedoch auch eher als Nachschlagewerk nutzen, denn gewisse Varianten werden deutlich häufiger gespielt als andere, auf die man sich dann gezielt fokussieren kann.
Natürlich gibt es auch wieder interaktive Tests, mit denen man noch einmal prüfen kann, ob man alles wirklich gründlich gelernt hat. Abgerundet wird das Ganze durch gezielte Stellungen, die Ris, wie oben erwähnt, zum Ausspielen herausgesucht hat.
Der Internationale Meister Robert Ris (Jahrgang 1988) hat sein Heimatland, die Niederlande, schon auf vielen Jugendmeisterschaften erfolgreich vertreten. Heute ist er vor allem als Schachtrainer in Schulen und Schachklubs aktiv und trainiert Schüler aus verschiedenen Ländern online. Auch als Livekommentator für die niederländische Meisterschaft und das Traditionsturnier in Wijk aan Zee ist er schon in Erscheinung getreten.
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