Alisa Gallimova gewinnt das
Superfinale der Russischen Frauenmeisterschaften zum zweiten Mal in Folge
Die Entscheidung fiel in einem Entscheidungsmatch, da drei
Spielerinnen nach dem regulären Turnier punktgleich an der Spitze lagen.
Bericht und Bilder von WGM Anna Burtasova

Die letzten beiden Runden zogen eine Menge Zuschauer an.
Der zweite Teil des Superfinales der Russischen
Frauenmeisterschaften verlief dramatisch und spektakulär. Nadezhda Kosintseva,
die ausgezeichnet ins Turnier gestartet war, durchlief eine Schwächephase und
war beim Kampf um die Meisterschaft bald aus dem Rennen.

Einer der Zuschauer – ein treuer Fan der Kosintseva-Schwestern – überreichte
Nadezhda ein von ihm gemaltes Porträt. Die ältere Schwester war über das
Ergebnis der Partie enttäuscht, aber das hübsche Geschenk heiterte sie ein wenig
auf.

Nadezhda Kosintseva als Gemälde
Anders ihre
jüngere Schwester, die sich von einem schlechten Start erholte und danach keine
einzige Partie mehr verlor.

Tatiana Kosintseva rettete sich in Runde Neun gegen Shadrina in einem
schlechteren Endspiel ins Remis. In der vorhergehenden Runde hatte Kosintseva
gegen Kosteniuk gewonnen. Die Frauenweltmeisterin hätte im 39. Zug ausgleichen
können, aber übersah diese Möglichkeit in Zeitnot.
In der siebten
Runde konnte sich Tatiana Kosintseva gegen Natalia Pogonina mit Mühe ins Remis
retten. Mit einem kreativen Figurenopfer, dem sich ein Qualitätsopfer anschloss,
brachte die mit Weiß spielende Pogonina ihre Gegnerin an den Rand einer
Niederlage, aber ermüdet von den Berechnungen der vielen komplizierten Varianten
willigte sie am Ende in einer Stellung, die man durchaus noch hätte weiter
spielen können (und in der Pogonina zwar einen Turm weniger, aber dennoch
Vorteil hatte!) ins Remis ein.

Anastasiya Bodnaruk verfolgt die Partie Pogonina – Tatiana Kosintseva, in der
Weiß einen Turm geopfert hat!
Nazi Paikidze
hatte Glück, gegen Olga Girya (deren Name auf manchen Webseiten mit
„Kugelhantel“ übersetzt wurde, was zwar im Wortsinne richtig, aber moralisch
fragwürdig ist – denn seit wann übersetzt man Nachnamen?) ins Remis entschlüpfen
und die Führung behaupten zu können. Ihre Stellung war verdächtig, aber die
Russin, die für den Schachverband Georgiens spielt, verteidigte sich gut und
rettete einen halben Punkt.
Alisa Galliamova
gewann gegen Bodnaruk und nachdem sie nach sieben Runden gemeinsam mit Pogonina
auf dem zweiten Platz gelegen hatte, begann sie damit ihren Schlussspurt an die
Spitze der Tabelle.
In der nächsten
Runde gewann sie gegen die Tabellenführerin Paikidze. Bis ganz zum Schluss hätte
Paikidze, die mit Turm und Bauern gegen das Läuferpaar spielte, Remis halten
können, einmal sogar einzügig, aber übersah in Zeitnot die
Rettungsmöglichkeiten.
In Runde 9 gelang
Galliamova dann noch ein weiterer Sieg – dieses Mal gegen Vera Nebolsina – und
damit setzte sie sich an die Spitze des Feldes.

Alisa Gallimova gewinnt in Runde Neun.
Zweite war
Paikidze mit 6 Punkten.

Nazi Paikidze gibt dem russischen Sportkanal ein Interview.
Es schien, als
sollte die Titelverteidigerin keine große Mühe mehr haben, auch dieses Jahr
Russische Meisterin zu werden, aber wie in einem guten Krimi geschahen nach
ruhigem Auftakt unerwartete Dinge. In Runde 10 ging alles drunter und drüber.
Alisa Galliamova verlor mit Schwarz gegen Valentina Gunina, die schlecht ins
Turnier gestartet war, aber im zweiten Teil wieder zu gewohnter Form fand.

Valentina Gunina verteilt ein Autogramm nach ihrem Sieg gegen Galliamova, der
die Meisterschaft spannend hielt.
Diese Partie
wurde durch die Nicht-Remis-Regel, in bei diesem Turnier angewandt wurde,
beeinflusst. Zunächst schien es, als müsste man die Frauen gar nicht zwingen,
Remisangebote durch den Schiedsrichter zu unterbreiten – denn die Mädels wollten
ja ohnehin kämpfen, aber ohne diese Regel wäre das gesamte Finale vielleicht
anders verlaufen! Nach 24… Le7 ging Alisa Galliamova zum Hauptschiedsrichter
Bolotinsky, um die Erlaubnis einzuholen, ihrer Gegnerin Remis anzubieten. “Ich
ging ans Brett, um mir die Stellung anzuschauen. Galliamova hatte einen Bauern
mehr, aber die Partie enthielt noch jede Menge Leben, also akzeptierte ich das
Remisangebot nicht”, erklärte der Schiedsrichter nach der Partie. Objektiv
gesehen muss man sagen, dass Galliamova trotz des Mehrbauern schlechter stand,
also hätte Gunina vielleicht ohnehin kein Remis angenommen, aber wer weiß, wer
weiß… Wie auch immer, in der Partie brach Schwarz in wenigen Zügen zusammen und
verlor erst einen Bauern und dann die Partie.
Damit wurde
Galliamova von Tatiana Kosintseva, die gegen Olga Girya gewann, und auch von
Nazi Paikidze eingeholt, die mit Minusbauern gegen Nadezhda Kosintseva Remis
halten konnte.
Hinter dem
Führungstrio mit 6,5 Punkten lag Natalia Pogonina mit 6 Punkten auf der Lauer.
Theoretisch hatte sie ebenfalls noch Chancen auf eine Medaille. Die letzte Runde
dieses hart umkämpften Frauenturniers hätte dann spannender nicht sein können!
Galliamova hatte
Weiß gegen Tatiana Kosintseva, Paikidze hatte Weiß gegen Nebolsina und Pogonina
spielte mit Schwarz gegen Shadrina.
Als man sie am
Abend zuvor nach dieser entscheidenden Partie fragte, antwortete Kosintseva
wiederholt, dass sie sich auf diese Partie wie auf jede andere vorbereiten
würde, und dass es zu einem ernsthaften und interessanten Kampf kommen würde.
Tatsächlich dauerte die Partie nur 18 Züge. Dieses Mal fand Galliamova eine
Zugwiederholung und dagegen konnte der Schiedsrichter nichts einwenden.
Anschließend gingen die beiden Führenden in den Ruheraum, um die anderen Partien
zu verfolgen.

Nadezhda Kosintseva verteilt ein Autogramm auf dem Programmheft des
Superfinales.

Dann ist ihre Schwester Tatiana an der Reihe.
Das Schicksal der
Meisterschaft lag in den Händen von Paikidze. Mit einem Sieg wäre sie alleinige
Erste gewesen. Aber sie war nervöser denn je, machte ein paar Fehler und verlor
schnell. Diese Niederlage kostete sie nicht nur die Goldmedaille, sondern
überhaupt alle Medaillen! Am Ende landete Paikidze auf dem undankbaren vierten
Platz.
Großen Kampfgeist
zeigte Pogonina, die nach sechs Stunden gegen Shadrina gewann. Am Ende zeigte
sie gute Technik, als sie das Endspiel Dame gegen Turm langsam und umsichtig zum
Gewinn führte.

Direkt nach dem Sechs-Stunden-Sieg gegen Shadrina, mit dem sich Pogonina für das
Tie-Break-Match qualifizierte. Natalia und ihr Mann Petr Zhdanov.
Damit teilten
sich drei Spielerinnen mit je 7 Punkten die Plätze 1 bis 3 – Tatiana Kosintseva,
Alisa Galliamova und Natalia Pogonina.
Den Regeln
zufolge mussten die beiden Erstplatzierten ein Entscheidungsmatch über den
Titelgewinn austragen. Über den dritten Platz entschied die Sonneborn-Berger
Zahl. Hier erwischte es Tatiana Kosintseva, die zur Bronzemedaillegewinnerin
erklärt wurde.
Nach einer Stunde
Pause begann der Entscheidungswettkampf zwischen Galliamova und Pogonina noch am
gleichen Abend.

Kurz vor Beginn der zweiten Tie-Break-Partie, der letzten Partie der russischen
Frauenmeisterschaft.
Gespielt wurden
zwei Partien mit einer Bedenkzeit von 15 Minuten für die ganze Partie plus 10
Sekunden Zeitaufschlag pro Zug. Sollte danach noch keine Entscheidung gefallen
sein, standen Blitzpartien auf dem Programm, und sollten die keine Siegerin
bringen, wäre es zum Armageddon gekommen.
Aber nach der
langen Partie, die Pogonina gespielt hatte, war sie zu müde. In der ersten
Partie konnte sie noch knapp entkommen, aber in der zweiten verlor sie mit Weiß
ohne viel Gegenwehr.
Alisa Galliamova,
die nach 2009 zum zweiten Mal in Folge Russische Meisterin geworden war,
erklärte, ganz glauben konnte sie das erst, als sie den Pokal in Händen hielt,
aber dass sie schon drei Runden vor Schluss, als sie die Tabellenführung
übernommen hatte, vom Sieg im Superfinale geträumt hatte.


Stichkampf:



Der Raum mit dem
großen Monitor ist während des Entscheidungswettkampfs gedrängt voll.

Großmeister
Eugeny Bareev kommentierte die laufenden Partien mit Humor und Leichtigkeit.
Unterstützt wurde er dabei von Aleksandra Kosteniuk. Die Zuschauer konnten
ebenfalls Züge vorschlagen und das machte das Ganze zu einer aufregenden
interaktiven Show.

Pokale und Blumen warten auf die Siegerinnen.

Händeschütteln nach dem Match.

16 Die
Drittplatzierte, Tatiana Kosintseva, die russische Meisterin Alisa Galliamova
und die russische Vize-Meisterin Natalia Pogonina.

Die Spielerinnen mit Arkady Dvorkovich, dem Vorsitzenden der Aufsichtskommission
des Russischen Schachverbands und dem Präsidenten des Russischen Schachverbands,
Ilya Levitov.

Zwei Mal in Folge russische Meisterin!

Natalia Pogonina mit ihrem einjährigen Sohn Nikolay und Vera Nebolsina.