Master Class Band 12: Viswanathan Anand
Als Viswanathan Anand auf der europäischen Schachbühne erschien, hatte er in Indien schon einige Erfolge erzielt, die indischen Jugendmeisterschaften und als Jugendlicher auch die Landesmeisterschaften der Erwachsenen gewonnen. Mit gerade einmal 14 Jahren wurde Anand 1984 für die Schacholympiade in die indische Nationalmannschaft berufen. 1987 wurde er Juniorenweltmeister, 1988 verlieh die die FIDE dem 19-jährigen den Titel eines Großmeisters.
Als Jugendlicher verblüffte Anand die Schachwelt durch sein schnelles Spiel. Immer wieder fegte er erfahrene und starke Großmeister vom Brett und verbrauchte dabei oft nicht mehr als zehn oder 15 Minuten seiner Bedenkzeit.
Mit zunehmender Erfahrung und beim Aufstieg in die Weltspitze ging Anand in klassischen Partien weniger verschwenderisch mit seiner Bedenkzeit um, aber die Kunst des schnellen Spielens hatte er dabei nicht verlernt und im Schnellschach war er lange Jahre der unangefochten beste Spieler der Welt. Von 1997 bis 2008 gewann Anand elf Mal die Chess Classic Turniere in Frankfurt und in Mainz, die damals als inoffizielle Schnellschachweltmeisterschaften galten und 2003 gewann er die offizielle FIDE-Schnellschachweltmeisterschaft, ein Erfolg, den er 14 Jahre später, 2017, noch einmal wiederholen konnte.
Auch am ersten Tag des Superbet Turniers der Grand Chess Tour hat der 52-jährige Ex-Weltmeister gezeigt, dass er trotz seines Alters und einer fünfmonatigen Pause vom Turnierschach immer noch schnell und gefährlich ist.
Anand begann den Tag mit einem Sieg gegen seinen ehemaligen Sekundanten Radoslaw Wojtaszek und setzte sich dann gegen die beiden Schnellschach-Spezialisten Wesley So und Anton Korobov durch.
Gegen So hatte Anand mit Schwarz in der Eröffnung einen Bauern geopfert, um in einem scharfen Mittelspiel Angriff zu bekommen.
So hatte ein neues Konzept ausprobiert und im 12. Zug lang rochiert, aber Anand behielt in der zweischneidigen Stellung die Übersicht. So hatte in der Diagrammstellung gerade 24.e6 gespielt, um nach 24...fxe6 25.The1 die Türme auf der e-Linie zu verdoppeln.
Aber Anands Angriff am Damenflügel erwies sich als gefährlicher als das weiße Spiel im Zentrum. In der Partie folgte 25...Tc6+ 26.Sc3 (Besser war 26.Kd1 oder 26.b3) Da1+ 27.Kd2 Dxb2
28.Tb1 Da3 mit überwältigender Stellung für Schwarz. In einer Stellung, in der er kaum noch sinnvolle Züge hatte, gab So zwei Züge später auf.
Anand und So nach der Partie | Foto: Lennart Ootes
In der nächsten Runde spielte Anand mit Weiß gegen Anton Korobov und dieses Mal funktionierte der Bauernvorstoß e6 sehr viel besser.
25.e6 ist die stärkste Fortsetzung in dieser Stellung. Nach Korobovs Konter 25...f4 investierte Anand vier Minuten seiner Bedenkzeit, um dann 26.gxf4 zu spielen, die einzige Fortsetzung, mit der Weiß seinen Vorteil festhält. Nach den weiteren Zügen 26...fxe6 27.Tg3 hielt Korobov dem Druck nicht mehr stand und spielte 27...Dxh4?.
Das naheliegende 28.Txg6+ gewinnt für Weiß, aber der Partiezug 28.De5 ist sogar noch stärker — die Dame greift den schwarzen Turm auf c7 an und stellt zugleich tödliche Drohungen gegen den exponierten schwarzen König auf. Korobov spielte noch 28...Tc4, aber gab gleich danach auf.
Gespielt wird im Museum für die Geschichte der polnischen Juden in Warschau | Foto: Lennart Ootes
Tag 1 brachte viele aufregende Partien und kämpferisches Schach: 11 der insgesamt 15 Partien wurden entschieden.
Der junge ukrainische Großmeister Kirill Shevchenko spielt mit Weiß gegen Richard Rapport | Foto: Bryan Adams
Ex-Weltmeister Garry Kasparov, seit Jahren ein scharfer Kritiker des Regimes von Vladimir Putin und Vorsitzender der Human Rights Foundation, nahm das Turnier als Anlass zu einem Besuch in Warschau und traf sich dabei auch mit dem polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki.
A pleasure to meet Polish prime minister Mateusz Morawiecki today. We discussed helping Ukraine against Putin's war, and not repeating the mistakes of the past. https://t.co/FrfWe4imUT pic.twitter.com/hFYWuj3N4I
— Garry Kasparov (@Kasparov63) May 18, 2022
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