Gedanken zum Schach-Sponsoring

von André Schulz
04.03.2016 – Die Hamburger PR-Agentur P.U.N.K.T. unterstützt die Jugendarbeit des Hamburger Schachklubs und möchte mit ihrem finanziellen Engagement nach dem Vorbild des Prinzenmodells des Schachbundes gezielt Hamburger Schachtalente fördern. In einer Gesprächsrunde beleuchteten Siegmund Kolthoff, Geschäftsführer der Punkt PR, HSK-Vorsitzender Christian Zickelbein und André Schulz Grenzen und Möglichkeiten des Schach-Sponsorings. Gespräch über das Schach-Sponsoring...

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André Schulz: Herr Kolthoff, können Sie als erstes etwas über sich und die Punkt PR erzählen.

Siegmund Kolthoff: Gerne, eigentlich bin ich Volljurist und habe mir während des Studiums etwas dazu verdient. Ich habe in Bremen studiert und dort nebenher im Weserkurier journalistisch gearbeitet. Eigentlich wollte ich Wirtschaftsanwalt werden und hatte auch schon an der Uni eine Promotionsstelle. Durch Zufall habe ich dann aber eine Stelle in einem Verlag in Düsseldorf bekommen, der Anwälte mit journalistischem Background suchte. Das habe ich zwei Jahre gemacht, habe für Unternehmen im PR-Bereich gearbeitet und dann 1991 meine eigene Agentur gegründet. Für unsere Kunden machen wir ausschließlich PR, also so gut wie keine Werbung im klassischen Sinne. Wir haben 20 Mitarbeiter und betreuen ungefähr 30 Kunden, darunter ein paar bekannte Marken, vor allem im Food-Bereich. In Hamburg gibt es etwa 600 PR-Agenturen, wird sind von der Größe ungefähr Nummer zehn.

Die Punkt PR, mit Sitz in Hamburg Altona, unweit des Ablegers des Thalia-Theaters in der Gaußstraße

Blick in den Hof

Siegmund Kolthoff vor seiner Agentur...

... und mit seinen Mitarbeitern

Die Punkt PR unterstützt die Jugendarbeit im Hamburger Schachklub. Ist das ein allgemeines Sponsoring für die Jugendarbeit oder ist die Unterstützung an bestimmte Projekte gebunden?

Christian Zickelbein: Wir definieren das Sponsoring für die Jugendarbeit allgemein, und so ist ja auch, aber an sich war die Idee, besonders solche Spieler zu unterstützen, die sich stark entwickeln können. Deshalb wurde zum Beispiel die WM-Teilnahme von Dmitrj Kollars, von Luis Engel und von Jakob Weihrauch besonders gefördert. Leider waren die Resultate dann nicht so, wie wir uns das gewünscht hätten.

Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

Siegmund Kolthoff: Ich hatte diesen Gedanken eigentlich schon länger, zum einen weil ich mit dem Schach seit Langem verbunden und zum anderen, weil wir uns als Hamburger Unternehmen in Hamburg engagieren wollten. Die Idee dahinter war, unseren Bekanntheitsgrad zu erhöhen und sich auch einmal außerhalb unseres normalen Business zu betätigen. So kam es zum Gespräch mit Herrn Zickelbein und wir haben uns dann einmal Gedanken gemacht, auf welche Weise wir uns einbringen könnten. Die Grundidee war zunächst, etwas für die Bundesligamannschaft zu tun. Nachdem wir uns ausgetauscht hatten, entstand dann aber doch die Idee, etwas im Jugendbereich zu unternehmen.

Christian Zickelbein, Vorsitzender des Hamburger Schachklubs, und Siegmund Kolthoff, Geschäftsführer der Punkt PR

Die Motivation für das Sponsoring war es also, etwas für das Unternehmen Punkt PR zu tun und nicht etwa als Mäzen für den Hamburger SK aufzutreten?

Siegmund Kolthoff: Ganz genau. Vielleicht wird es das am Ende doch so sein, aber eigentlich wollen wir hier kein Mäzenatentum betreiben, sondern für uns ist es ein Sponsoring, das wir als eine moderne Kommunikationsform sehen, um unseren Bekanntheitsgrad zu erhöhen mit Hilfe von Deutschlands größtem Schachklub, das stimmt doch, Herr Zickelbein, das kann man so sagen? Natürlich ist mir bewusst, das ist ja unser Grundproblem, dass Schach kein öffentlichkeitswirksamer Sport ist. Aber auf der anderen Seite ist der Hamburger Schachklub hier in der Stadt schon eine Nummer und die Budgets, die wir jetzt hier zur Verfügung haben, sind natürlich nicht vergleichbar, mit dem von richtig großen Unternehmen, Versicherungen zum Beispiel, aber auch von Firmen wie Grenke Leasing.

Das war die Grundidee, deshalb haben wir auch ein gewisses Leistungsspektrum definiert, die Jungs tragen T-Shirts mit einem Claim von uns - "Punktesammler"-, um die Verbindung zur Agentur herzustellen. Deshalb steht auch nicht mein Name im Vordergrund, sondern das ist ein Engagement von Punkt PR. Wir sehen das auch ein bisschen unter dem Stichwort "soziales Engagement", das kann man ja unterschiedlich definieren und muss nicht unbedingt ein Hilfsprojekt sein. Das, was die Jungs da rund ums Schach tun, hat ja auch soziale Aspekte, da geht es um Konzentration, Verbesserung der Lernfähigkeit, strategisches Denken. Das sind ja alles Fähigkeiten, die man letztendlich auch für die Schule braucht und auch fürs Leben. Da wollten wir uns engagieren und das dann auch auf unserer Webseite und den sozialen Kanälen, in denen wir aktiv sind, bespielen. Damit wir nicht nur als eine, sagen wir mal, rein technische oder vielleicht gar leidenschaftslose Agentur darstellen, sondern so auch Eigenengagement haben.

Also eine klassisches Sponsoring mit wirtschaftlichen Hintergedanken und kein Engagement aufgrund des privaten Hintergrundes - weil Sie selber einen Bezug zum Schach haben.

Siegmund Kolthoff: Beides, sagen wir mal. Die Kommerzialisierung des Themas, da machen wir uns nichts vor, ist natürlich sehr schwierig. Wir können jetzt nicht sagen, durch das Engagement  - es läuft ja noch nicht so lange, erst seit Juli - haben wir jetzt, sagen wir mal, zwei neue Kunden gewonnen. Das Verhältnis der beiden Aspekte ist also vielleicht 50:50. Es geht auch darum, etwas fürs Schach zu tun. Die Jugendarbeit finde ich besonders spannend. Die Zeit der Schachklubs geht ja auch ein bisschen zu Ende, nicht in Bezug auf den HSK, das ist ja ein großer Klub. Aber dieses aktive Leben, das wir früher hatten, auch in den kleinen Klubs, diese Schachkultur haben wir nicht mehr. Deshalb ist ja auch die Jugend- und Nachwuchsarbeit so wichtig, die jetzt woanders geleistet werden muss. Das liegt mir sehr am Herzen.

Am Anfang der Gespräche war es zunächst je erst einmal ein Austausch, und ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt von dem war, was im HSK seit Jahrzehnten geleistet wurde und was Herr Zickelbein auf die Beine gestellt hat. Er ist mit so viel Eifer und Liebe und Engagement bei der Sache und ihm liegt die Jugendarbeit sehr am Herzen und das war auch ein Grund, dass wir gesagt haben, hier möchten wir etwas beitragen.

Christian Zickelbein: Als Lehrer liegt mir das nahe. Ich weiß aber, dass es auch viele Lehrer unter den Schachspielern gibt, die nichts im Jugendbereich machen, weil sie in ihrer Freizeit nicht auch noch mit Schülern zu tun haben möchten. Das war aber für mich nie ein Gesichtspunkt. Ich habe ja schon als Schüler mit Jugendarbeit im Schach begonnen.

Kann man das Volumen der Unterstützung beziffern... ?

Christian Zickelbein: Warum nicht?

Siegmund Kolthoff: Ja, wir haben da keine Geheimnisse. Das sind 10.000 Euro, die wir in dieses Engagement investieren, für einen Zeitraum, der zunächst auf ein Jahr festgelegt ist. Wir haben erst im letzten Juli mit der Förderung begonnen.

Das klingt erst einmal wie eine Menge Geld. Allerdings kosten Turnierteilnahmen, zum Beispiel bei Weltmeisterschaften auch sehr viel Geld und vermutlich ist der Topf schneller leer als man denkt...?

Christian Zickelbein: Ja, natürlich. Aber trotzdem ist es ein Unterschied, ob wir diese 10.000 Euro haben oder eben nicht. Es ist natürlich eine große Hilfe. Es weckt aber auch bei den Eltern Begehrlichkeiten. Die hören: Da gibt es 10.000 Euro - ich rede im Klub dann gerne von den "Kolthoff-Millionen" -, die dann gerne mehrfach ausgegeben werden sollen. Jeder will was haben. Das geht natürlich nicht. Wenn wir unser Engagement anschauen, zum Beispiel jetzt bei den Deutschen Vereinsmeisterschaften: Wir sind mit neun Mannschaften an den Start gegangen. Diese Teilnahme, mit neun Teams, kostet 12.000 Euro.

 

Das meiste kosten vermutlich die organisatorischen Dinge: Anreise, Unterkunft ...?

Christian Zickelbein: ... und Training! Aber natürlich sind die Eltern auch sehr stark an den Kosten beteiligt. Ohne Beteiligung der Eltern geht gar nichts. Insofern sind diese 10.000 Euro schon eine deutliche Hilfe. Natürlich wird ständig im Klub diskutiert: Wofür geben wir das Geld aus? Und der Sponsor soll auch etwas zurückbekommen. Da waren die Ergebnisse bei den letzten Europa -und Weltmeisterschaften etwas enttäuschend. Aber die Leistungskurve von Dmitrij Kollars zum Beispiel zeigt doch jetzt deutlich nach oben. Bei unserer Jugendarbeit gibt es eine starke soziale Komponente, Jugendliche können hier in einer Gruppe Verantwortung übernehmen und erhalten Anleitung zum erfolgreichen Handeln. Wir fördern Leistungssportler, aber wir fördern auch die Sozialen Talente, die wir genauso brauchen. Wichtiger als fünf Großmeister ist einer, der organisiert, mit Lust dabei ist und die Gruppe zusammenhält.

Warum ist Schach für die Wirtschaft als Werbeträger so uninteressant? Warum ist es so öffentlichkeitsunwirksam, obwohl es im Internet bei Schachturnieren Unmengen von Zuschauern gibt?

Siegmund Kolthoff: Ja, wenn ich es richtig gesehen habe, gab es bei der Zuschauer-wirksamen Blitz- und Schnellschach-WM in Berlin auch keinen richtigen Sponsor. Ich denke, Veranstaltungen wie eine Weltmeisterschaft, auch im Blitz- oder Schnellschach könnte man vermarkten, auch im Schach, wahrscheinlich sogar ganz gut. Alles andere ist aber schwierig. Bundesliga zum Bespiel, da läuft Schach "out of records", die Community ist einfach zu klein. Man sieht ja, da gibt es keine potenziellen Partner. Auch Herr Grenke macht sein Engagement ja nicht, vermute ich, um Grenke Leasing nach vorne zu bringen, sondern aus persönlichem Interesse, weil er Schachspieler ist. Wenn er kein Schachspieler wäre, würde wohl nicht darauf kommen, im Schach etwas zu machen.

Christian Zickelbein: Das ist aber durch auch in anderen Sportarten so. Auch, wo mehr Geld fließt. Wenn es nicht durch den Bauch geht, dann fließt auch kein Geld.

Siegmund Kolthoff: Ja, das stimmt natürlich auch. Damit will ich nicht sagen, dass es gar keine Möglichkeiten gibt - die Klientel ist halt relativ klein. Und wenn man Schach vermarktet, müsste man es natürlich öffentlichkeitswirksam inszenieren. Wir sehen ja, es gibt Themen, die funktionieren, zum Beispiel Linkes gegen Rechtes Alsterufer, das große Schulschachturnier, aber an sich ist Schach ein sehr ruhiges Ereignis, das sitzen zwei am Brett und denken nach.

Es fehlt also Action?

Siegmund Kolthoff: Richtig. Man braucht Veranstaltungen, bei denen die Menschen sich auch emotional angebunden fühlen, wo etwas passiert. Das müsste man sicher etwas anders inszenieren. Allerdings: Auch andere haben ja Probleme. Hier in Deutschland wird ja nur Fußball richtig vermarktet. Alles andere ist schwierig. Handball, zum Beispiel: Obwohl die Nationalmannschaft gerade Europameister geworden ist, konnte sich zum Beispiel die Hamburger Handballmannschaft nicht halten, weil sie auch nur einen Mäzen im Rücken hatte, den Herrn Rudolph. Ohne ihn war sofort Schluss. Im Basketball ist es ähnlich. Meist sind es Einzelne, die sich aus persönlichen Gründen für einen Sport einsetzen.

Kann man für alles ein Interesse erzeugen, wenn man sich dafür einsetzt und es immer wieder anbietet?

Siegmund Kolthoff: Schon, vielleicht. Aber: Man muss Schach auch für die Wirtschaft übersetzen. Wir betreuen zum Beispiel ein Leasingunternehmen. Da würde Schach passen, denn zum Schach gehören Strategie und Planung, ebenso wie zu finanziellen Transaktionen. Zur Frage, was ist die beste Finanzierung, Kauf, Miete, Leasing, gehört ebenfalls die richtige Beurteilung und die richtige Strategie. Auch in anderen Bereichen kann man sich Schach gut als Werbeträger vorstellen, zum Beispiel bei Versicherungsunternehmen, Banken, aber auch bei Consumer-Products, vielleicht Coca Cola, Kaffee, Red Bull - hier werben ja Hikaru Nakamura in den USA und Tania Sachdev in Indien. Allerdings: Für die Entscheider im Marketingbereich ist Schach ganz weit weg - das sind ja keine Schachspieler. Wer noch nie Schach gespielt hat, der weiß ja überhaupt nicht, dass es so was wie Turnierschach gibt. Das sind Hürden, die man erst einmal überwinden muss. Selbst eine Deutsche Meisterschaft ist ja unglaublich schlecht zu vermarkten. Ich glaube, deren Format ist auch total langweilig. Man muss da also in ganz andere Kategorien kommen.

Megaevents wie Rechtes gegen Linkes Alsterufer oder neulich gab es eine Wissenssendung mit diesem jungen Spieler, Vincent Keymer, im Fernsehen - das ist ganz interessant. Aber die Frage ist: Wie kann man das für die Wirtschaft übersetzen? Im Kleinen gibt es das ja punktuell auch schon: Was sehr schön funktioniert, soweit ich das beurteilen kann, ist der von Dr. Dirk Jordan initiierte Ramada-Cup. Eine win-win-Geschichte, klein, aber sehr konkret. Das Hotel stellt die Zimmer, die Turniere gehen in Zeiten rein, wo die Hotels nicht ausgebucht sind. Die Zimmer werden zu Sonderpreisen verkauft - das kennen die Hoteliers aber von Großveranstaltungen. 100-150 Zimmer werden gebucht, das Hotel hat das ganze Catering und noch einen zusätzlichen Werbeeffekt. Es sind auch viele interessante Leute unter den Schachspielern, die bei anderer Gelegenheit vielleicht wiederkommen. Das ist eine Supergeschichte, in diese Richtung muss man denken.

Muss man sich dann im Schach also fragen: Wie können wir unser Produkt so gestalten, dass es für die Wirtschaft interessant ist, statt einfach Schach irgendwie nach eigenem Geschmack einzurichten und dann zur Wirtschaft zu gehen und sagen: Gebt uns dafür Geld. Und zweitens: Kann man mit Persönlichkeiten arbeiten, so wie Magnus Carlsen zum Beispiel? Den kann man doch überall verkaufen?

Siegmund Kolthoff: Carlsen, ja! Aber keinen anderen. Carlsen ist ein Megastar, aber dann ist auch schon Schluss. Wen kann man sonst vermarkten? Bei Carlsen ist es der Weltmeistertitel, der ihn so hypt. Sein großes Talent, mit dem er schon in jungen Jahren so gut geworden ist. Und Carlsen ist ja auch gut vermarktet. Kasparow hätte man auch gut vermarkten können, aber da ist ja nicht so viel gelaufen. Doch dann wird es schon schwierig.

In Deutschland?

Siegmund Kolthoff: Da gibt es keinen. Bei Randsportarten geht es nur durch herausragende Leistungen. Dann kann man etwas machen. Wir haben mal mit Kati Wilhelm gearbeitet, sie war herausragend im Biathlon oder denken Sie mal an Skispringen. Niemand hat davon Notiz genommen. Bis es dann vor einigen Jahren diese großartigen Erfolge gab, durch Hannawald und seine Kollegen.

Ist dann Fernsehen das entscheidende Vehikel? Geht es nur mit Fernsehberichterstattung?

Siegmund Kolthoff: Fernsehen ist wichtig. Mit Fernsehen ist vieles gut machbar. Man braucht aber vor allem eine sportlich überragende Qualität.

Könnte man einen deutschen Spieler vermarkten, wenn er jetzt beim kommenden Kandidatenturnier mitspielen würde?

Siegmund Kolthoff: Wenn er Potenzial hätte, zu gewinnen! Ein Vincent Keymer, in fünf oder sechs Jahren vielleicht, wenn er dort mit Gewinnchancen mitspielen würde, oder wenn Giri ein Deutscher wäre, damit könnte man natürlich ausgezeichnet arbeiten. Wichtig ist auch die konstante Leistung. Nur einmal Jugendweltmeister werden reicht nicht. Solche Persönlichkeiten, damit könnte man arbeiten oder man hat eine kreative Idee, wie man Schach popularisieren kann, oder ein gutes System. Das System der Talentförderung mit den jungen Prinzen des Deutschen Schachbundes, das war ein sehr, sehr gutes Modell. Darauf basiert ja auch etwas unser Hamburger Modell: Wir machen das nur etwas im Kleinen, auf Hamburg bezogen, mit einigen Talenten, die wir fördern.

Einen Namen gibt es für das Fördermodell nicht, oder?

Christian Zickelbein: Wir haben keinen gefunden. Hamburger Schachgenies, oder etwas in der Art, schien uns zu hoch gegriffen.

Siegmund Kolthoff: Was ich mir übrigens auch gut vorstellen könnte, um die Wirtschaft punktuell zu begeistern, wäre eine Schacholympiade. Wenn man das noch einmal in Deutschland am richtigen Ort inszenieren könnte, dann könnte man sicher Sponsoren finden. Woran es aber in der Tat mangelt, ist TV-Präsenz. Das war beim Schach auch schon besser.

Die Sendungen mit Helmut Pfleger und Vlastimil Hort...?

Siegmund Kolthoff: Zum Beispiel. Den Bereich TV und Medien beobachten wir natürlich sehr genau. Hier hat sich aber auch vieles verändert. Heute muss alles irgendwie "quick and dirty" sein. Oder man ist originell. Wenn man etwas sehr Großes, Verrücktes inszeniert, etwas sehr Buntes, wo Schach auch eine Rolle spielt, dann könnte man auch die Medien dafür interessieren. Sven Noppes zum Beispiel, mit seinem Neckar-Open, hat immer eine super Berichterstattung, weil er sagen kann: Das ist das größte Open. Er ist natürlich auch superaktiv. Das spricht für ihn. Es kämpfen allerdings sehr viele um diese öffentliche Wirkung und viele bekommen die gewünschte Aufmerksamkeit nicht.

Wie sehen Sie das Internet als Medium für Schach?

Siegmund Kolthoff: Das Internet ist natürlich sehr interessant. Das Problem ist, dass die Zugriffszahlen vielleicht nicht richtig kommuniziert werden. Wenn es da tatsächlich monatliche Zugriffe auf die Seiten in der Größenordnung von einer halben Million gibt, da kann man sich natürlich alles Mögliche an Werbung vorstellen. Das können natürlich gerne auch internationale Zugriffe sein, denn die großen Unternehmen denken ja alle global. Den Live-Charakter hat man zwar nicht - 1000 Zuschauer in Berlin bei der Blitz-WM ist für Schach gigantisch, aber beim Fußball wäre das verschwindend gering, aber wenn man so viele Besucher im Internet hat, dann kann man darüber natürlich auch nachdenken. Da fehlen aber die Kenntnisse über die Zahlen. Und man weiß oft nicht, wer für die internationale Vermarktung der Ansprechpartner ist.

Die FIDE hat ja kürzlich den Verkauf von Fernsehrechten an der kommenden Weltmeisterschaft an das norwegische Fernsehen für viel Geld verkauft...

Siegmund Kolthoff: Da sieht man es. Wo bietet denn sonst das norwegische Fernsehen mit? Jetzt hat das kleine Norwegen einen Schach-Weltmeister und nun ist Schach ein Thema. Wobei Carlsen ja offenbar auch eine interessante Persönlichkeit ist. Da kommt einiges zusammen: Carlsen sieht gut, er ist jung, er ist erfolgreich, er hat Ecken und Kanten.

Wie könnte man denn nach ihrer Erfahrung am besten eine Art systematische Förderung oder ein systematisches Sponsoring für das Schach auf die Beine stellen?

Siegmund Kolthoff: Nun, es gibt Sponsoren oder auch Mäzene, die dem Schach verbunden sind und die das Schach auf die eine oder andere Weise unterstützen möchten, Leute wie Grenke oder Gauglitz, der unter anderem die deutsche Nationalmannschaft unterstützt. Es gibt sicher einige mehr, die nicht so bekannt sind. Wenn man hier vielleicht einmal einen Sponsorenpool schafft, dann hätte man eventuell eine Basis für eine Großveranstaltung, welche auch immer, eine Schacholympiade vielleicht, oder etwas anderes und könnte damit dann weitere Sponsoren hinzu gewinnen.

Christian Zickelbein: Es heißt ja auch immer: Die Wirtschaft sucht guten Nachwuchs. Junge Leute, die im Schach gut sind, die wollen ja nicht unbedingt Profis werden. Die sind aber ziemlich sicher auch in anderen Bereichen engagiert. Da gibt es in den Schachklubs eine Reihe von High Potentials. Hier gäbe es ja für die Wirtschaft eine ausgezeichnete Möglichkeit, über das Schachsponsoring auf diesen Nachwuchs zugreifen zu können, zum Beispiel im Rahmen einer dualen Ausbildung, oder wie auch immer. Indem Firmen auf einen Schachklub zugehen, sich finanziell einbringen und dadurch eine Bindung zu ihrem Unternehmen erzeugen. So wie Sie, Herr Kolthoff das ja jetzt mit ihrer Punkt AG machen. In unserer Jugendbundesliga-Mannschaft haben wir zum Beispiel so einen jungen Mann, Julian Grötzbach. Ein guter Schachspieler, der aber natürlich nicht etwa Profi werden will, sondern jetzt in einer Hamburger Privatbank ein duales Studium beginnt. Er hat noch einen Zwillingsbruder, Daniel, da ist es ähnlich. Von diesen vielfach talentierten jungen Leuten gibt es aber noch mehr bei uns, auch Jonas Lampert, der in der Bundesliga-Mannschaft spielt, einer der weltbesten Jugendlichen, der aber ebenfalls kein Profi werden will.

Siegmund Kolthoff: Sehr interessant. Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der bisher noch gar nicht so sehr kommuniziert wurde.

Ich möchte noch einmal die Idee aufgreifen, dass man sein Produkt, für das man Sponsoren aus der Wirtschaft gewinnen möchte, so ausrichten muss, dass es für die Wirtschaft interessant ist. Das teuerste Turnier in Deutschland ist sicher die Bundesliga, wenn man die Gesamtkosten der einzelnen Vereine für ihre Mannschaften addiert. Wenn man mit diesem Geld ein "normales" Turnier machen würde, hätte man eine gewaltige Aufmerksamkeit. In der Bundesliga spielen einige internationale Stars mit . Bekommt die Bundesliga aber die öffentliche Aufmerksamkeit, die bei dem Aufwand angemessen ist? Mein Eindruck ist, nein. Und die Frage ist, woran liegt das? Und kann man das verbessern?

Christian Zickelbein: Das ist ein schwieriges Thema. Aus der Bundesliga, deren Sprecher ich früher einmal war, bin ich inzwischen ja raus - trotzdem einige Gedanken: Es gibt in jedem Fall einige Ideen und vielleicht auch positive Entwicklungen. So muss man mal abwarten, was aus der kommenden Berliner Veranstaltung wird - da ist eine zentrale Schlussveranstaltung geplant, erstmals auch mit der Frauen-Bundesliga gemeinsam, drei Runden, im Hotel Maritim, Nähe Potsdamer Platz, am Ende der nächsten Saison, also 2017. Die Frage ist, geht von dieser Veranstaltung dann etwas aus, kommt da was nach? Die zentralen Runde in Mülheim und Eppingen seinerzeit waren schön, aber es ist nichts daraus entstanden. Berlin wird noch eine Klasse besser sein, sicher mit erstklassigen Spielbedingungen. Man muss sehen, ob von dieser Veranstaltung etwas ausgeht. Aber es gibt durchaus eine Reihe von Bundesligaklubs in kleineren Städten zumeist, die mit der Bundesliga einige Aufmerksamkeit erzielen.

In der Bundesliga gibt es immer wieder eine Reihe sehr schöner Events. Das ist aber vielleicht zu punktuell. Ist die Bundesliga in ihrem ganzen Format nicht zu kompliziert, so dass nur noch Spezialisten sie verstehen? Wer spielt in den Mannschaften? Viele kennen die Spieler nicht. Wann wird gespielt? Wann gibt es Heimkämpfe, wie oft? Doppelrunde, Einzelrunde, vorgezogene Einzelrunde, schräge Tabelle, etc. Till Schelz-Brandenburg, früher Abteilungsleiter Schach bei Werder Bremen, hat sich viel damit beschäftigt und sagte: "Wir haben im Stadion ein tolles Spiellokal, aber wir haben höchstens zwei Heimspiele pro Saison. Und ich kann der Presse nicht einmal sicher sagen, wann die sind. Die Sportpresse versteht das Format nicht."

Christian Zickelbein: Till Schelz-Brandenburg hatte einige Ideen und Vorschläge - Hin-und Rückrunde, etc., aber diese waren nicht finanzierbar.

Aber es gibt ja noch andere verwirrende Dinge, zum Beispiel: acht Spieler, das ist ganz schön viel. Internationale Wettkämpfe werden mit vier Spielern gespielt, das ist viel griffiger. Oder die Aufstellungen: Da sind Stars in der Mannschaft, aber keiner weiß, ob die kommen. Zum Teil wird das mutwillig geheim gehalten, damit sich bloß keiner vorbereiten kann. Dann sind die Stars da und spielen mit, aber vorher hat es keiner gewusst.

Christian Zickelbein: Acht Spieler, das ist die klassische Anzahl im Vereinsschach. Die Anbindung an die Vereine ist auch der Grund dafür, dass es keine zentrale Mannschaftsmeisterschaft gibt, so wie in Russland oder Spanien. Das sind dort vom Vereinsschach völlig losgelöste Veranstaltungen. Das wollen wir hier nicht.

Die Anbindung an die Vereine ist aber nicht überall gegeben, weil in manchen Mannschaften ja nur Gastspieler aktiv sind, die mit dem Verein gar nichts zu tun haben.

Christian Zickelbein: Bei uns in Hamburg ist das nicht so, aber das gibt es und das ist tatsächlich nicht wirklich glücklich.

Die Spieltermine sind ja ebenfalls etwas unglücklich. Samstagnachmittag, den viele zum Einkauf nutzen. Sonntag früh, wo manche gerne ausschlafen. Hinzu kommt: Viele Schachfreunde spielen ja am Sonntag früh selber Schach in ihren Mannschaften. Und wenn ich Bundesligapartien gucken möchte, kann ich das im Internet sehr gut. Hier sehe ich, wie es steht, vor Ort bisweilen nicht.

Christian Zickelbein: Das stimmt. Der verbesserte Service der Bundesliga im Internet über das Bundesliga-Portal führt zu einer ständigen Abnahme der Zuschauerzahlen vor Ort. Schach ist ein Internet-Sport. Es hängt auch damit zusammen, dass man um die Wettkämpfe herum sehr viel mehr anbieten müsste, also nicht nur Kommentieren. Es gibt viele, die wollen nicht nur zuschauen, sondern selber etwas machen. Getragen wird die Organisation eines Bundesliga-Wochenendes aber zumeist von Ehrenamtlichen in den Vereinen und so ein Doppelwettkampf ist eine echte Herausforderung. Manchmal sind es nur wenige, die sich hier einbringen und das geht dann bisweilen an den Rand der Kräfte. Das ist auch der Grund, warum manche Vereine aufgehört haben, obwohl sie in der städtischen Wirtschaftsszene ganz gut vernetzt waren. Sie hatten aber einfach die Kraft nicht mehr.

Siegmund Kolthoff: Wenn man noch einmal zu den Vermarktungschancen zurückkommt. Schach ist schwierig, aber es gibt Potenzial. Es gibt vermutlich viele Leute mit Bezug zum Schach, die an entscheidenden Stellen sitzen, ein entsprechendes Screening wäre notwendig. Die hat aber noch nie jemand professionell angesprochen. Die Schachvereine als Recruitment-Plattform zu sehen, ist eine interessante Idee. Großveranstaltungen durchzuführen ist vielleicht ein Weg, aber darauf hat man vielleicht wenig Einfluss. Leistungsstarke Persönlichkeiten heranzubilden ist ein anderer. Man könnte vielleicht auch ein Projekt gründen, indem man eine Bewerbung ausschreibt und die besten Nachwuchsspieler Deutschlands ermittelt, einen Sponsorenpool bildet und diese Spieler oder auch nur einen davon, versucht an die Weltspitze heranzuführen. Ähnliche Projekte gab es früher auch schon mal im Tennis. Mit einer starken Geschichte, also zum Beispiel: Deutschland will in den nächsten acht Jahren, sagen wir mal, einen Weltmeister im Schach produzieren. Damit könnte man trommeln gehen.

Ich danke für das Gespräch.

 

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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