Geheimwaffe: Skandinavisch mit 3...Dd6

von ChessBase
06.12.2011 – So geheim ist diese Eröffnung inzwischen nicht mehr. Seit Sergey Tiviakov 2005 angefangen hat, diese zuvor selten gespielte Variante in der Skandinavischen Verteidigung regelmäßig als seine Hauptwaffe gegen 1.e4 einzusetzen, hat sich ihre Beliebtheit dramatisch vergrößert. Kein Wunder: Von gut 100 Partien hat der frühere Europameister fast die Hälfte gewonnen und nur 14 Partien verloren. Wir reden über eine Verteidigung mit Schwarz. Unter den Gegnern befanden sich dabei absolute Topspieler wie Anand, Ivanchuk oder Shirov. In 14 Videoclips mit einer Laufzeit von über 4 Stunden erläutert der niederländische GM, worauf es in dieser Eröffnung ankommt und zeigt sein komplettes Repertoire. Als besondere "Schmankerl" hat Tiviakov zudem seine private Partiensammlung mit dieser Variante - fast 180.000 Partien und doppelt soviel wie in der Mega 2011 dazu gepackt, außerdem eine Sammlung eigener Partien und eine Datenbank mit selbst kommentierten Partien. Die DVD "Skandinavisch mit 3...Dd6" ist die ohne Zweifel die neue "Bibel" zum Thema. Klar: Hier "kocht" der Meister selbst! Skandinavisch mit 3...Dd6 - in 4 Stunden perfekt gelernt...Mehr Information...

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Skandinavisch mit 3...Dd6


Es ist noch gar nicht so lange her, da gehörte die Skandinavische Verteidigung keineswegs in den Kreis der vollends anerkannten Eröffnungen. Den Meistern des 20 Jahrhunderts war der frühe Ausflug der Dame ins Zentrum nicht richtig geheuer. Immerhin stammt die erste Erwähnung, die man in der Mega finden kann, aus dem 15. Jahrhundert. Allerdings gewinnt Weiß recht schnell. Aus dem Jahr 1858 ist eine Partie von Adolf Andersen überliefert, der im Wettkampf gegen Paul Morphy zur Skandinavischen Verteidigung griff und nach 3.Sc3 die Dame nach a5 zurück zog. In der frühern Turnierzeit wird die Skandinavische Verteidigung durchaus auch von starken Spielern immer mal wieder ausprobiert. In der Anwenderliste findet man Namen wie Tarrasch, Pillsbury, Blackburne, Schlechter, Marshall und besonders Mieses - nicht die schlechteste Referenzliste für eine Eröffnung. Später geriet die Skandinavische Verteidigung aber irgendwie in Verruf und verlor an Popularität. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts kommt sie zwar sporadisch vor, aber die Aufnahme in den Kreis der angesehenen Eröffnungen wird ihr verweigert. Mitte der 1970er Jahre fangen aber einige Australier an, so zu spielen: Cecil Purdy, Peter Parr und Ian Rogers, zum Bespiel. Der junge Yasser Seirawan probierte Skandinavisch aus und auf dem GM-Turnier von Montreal 1979 spielt Bent Larsen gleich zweimal 1...d5 gegen stärkste Gegner - Spassky und Karpov, und den amtierenden Weltmeister schlägt der originelle dänische Weltmeister damit sogar- oder trotzdem.

 

Das dürfte der Ausgangspunkt der dann zunehmenden Popularität der Skandinavischen Verteidigung gewesen sein, denn nun findet man die Skandinavische Verteidigung immer öfter. Die ganz großen Namen fehlen allerdings in der Liste der Anwender. Immerhin: 1995 wählt Anand gegen Kasparov Skandinavisch als Überraschungswaffe im WM-Kampf in New York und erreicht eine sehr gute Stellung.

Genau genommen ist die Skandinavische Verteidigung eine Verwandte der Caro-Kann Verteidigung und ebenso solide. Schwarz zieht irgendwann c7-c6, um die Dame von a5 nach nach c7 zu bugsieren und kann außerdem - wie in der Caro-Kann-Verteidigung - den weißfeldrigen Läufer außerhalb der Bauernkette entwickeln. Wenn Schwarz alles richtig macht, ist seine Struktur schwer zu knacken. Der Vorteil der Skandinavischen Verteidigung gegenüber der "großen Schwester" besteht darin, dass man die gewünschte Struktur häufiger erreicht - in der Caro-Kann-Verteidigung hat Weiß einige andere Optionen zur Verfügung und kann, z.B. mit dem Panov-Angriff, dem Spiel einen anderen Stempel aufdrücken.

Auf das Feld c7, wenn Schwarz zuvor c7-c6 gespielt hat, kann die schwarze Dame von a5 gelangen, aber auch von d6. Dame auf d6 - wie kommt sie da denn hin? Nun sind wir beim Thema der neuen DVD von Sergey Tiviakov angelangt. Nachdem die Schachfreunde sich daran gewöhnt hatten, dass Skandinavisch - mit 3...Da5 -eine vollwertige Eröffnung ist, begannen einige Spieler damit, die Schachgemeinde mit dem Zug 3...Dd6 zu erschrecken. Reine Provokation, oder? Nicht wirklich.

Es gibt ein paar Vorläufer, aber es scheint, als sei der Ursprung diese provokanten Damenrückzuges in der Hamburger Schachszene zu finden. Zumindest gab es in dem Kreis junger Spieler um GM Matthias Wahls, z.B. bei Stefan Sievers, großes Interesse an diesem Zug. Dem großen David Bronstein gefiel 3... Dd6 so gut, dass er ihn, als über 70-Jähriger, einige Male auf Turnieren anwandte. Die Idee blieb anfangs aber mehr oder weniger eine Episode, wenn auch mit einigen regelmäßigen Befürwortern wie der jungen Jovanka Houska, Vadim Zaitsevs, Dragan Sermeks oder des jungen Laurent Fressinet. Nach 2000 ist aber auch 3...Dd6 regelmäßiger Gast auf den Turnierbrettern.

Im Jahr 2005 wendet sich schließlich der niederländische Großmeister Sergey Tiviakov dieser Variante der Skandinavischen Verteidigung zu.

In der regelmäßig aktualisierten Mega 2011 sind 101 Partien von ihm enthalten. davon hat er  - wir reden über Schwarz - unglaubliche 48 gewonnen. 14 Partien gingen verloren. Dabei spielt Tiviakov 3...Dd6  nicht etwa als Überraschungswaffe, sondern als Hauptverteidigung, und zwar gegen jeden, auch stärkste Gegner, die sich vorher darauf einstellen und sich vorbereiten konnten. Tiviakov kam von der Drachenvariante, aber da der Wahlniederländer auch viel auf Open spielt, stellte sich diese Verteidigung als wenig nützlich heraus "Jeder Amateur weiß, wie man gegen den Drachen spielt", erläuterte Tiviakov gelegentlich. "Ich habe etwas gesucht, mit dem man als Großmeister gegen Amateure gut auf Gewinn spielen kann, das aber gleichzeitig sehr solide ist.



Tiviakov hat diese Variante populär gemacht, indem er sie z.B. in Wijk aan Zee 2006 gegen Anand oder 2010 gegen Ivanchuk "auf großer Bühne" spielte und relativ mühelos remis hielt. Es gibt einige wenige Rückschläge, von denen vielleicht die Niederlage gegen Shirov im letzten Jahr in Hoogeveen die spektakulärste ist. Auf der anderen Seite hat Tiviakov mit seiner Variante auch eine Reihe von Siegen gegen starke Gegner erzielt. Inzwischen wagen sich auch einige absolute Topspieler an diese Variante heran, manche nur im Blitzen oder Schnellschach, z.B. Kramnik, Ivanchuk, Polgar oder Gashimov.



Mit Tiviakovs DVD erhält man ein komplettes und lückenloses Repertoire gegen 1.e4. Alle Nebenvarianten, die Weiß nach 1.e4 d5 wählen könnte, werden vorgestellt. In den insgesamt 14 Clips mit einer Gesamtlaufzeit von über vier Stunden zeigt der frührer Europameister anhand beispielhafter Musterpartien alle Varianten, mit denen Schwarz rechnen muss und erläutert, wie man dagegen erfolgreich spielt, wobei sein eigenes Reperoire die Grundlage für die Empfehlungen bildet.



Außer den Video-Lektionen bietet die DVD weitere Highlights. Der Autor veröffentlich hier nämlich auch seine private Datenbank mit Partien zu Skandinavisch mit 3... Dd6. Es sind 177.896 und damit praktisch doppelt so viele, wie in der Mega Database zu diesem Thema enthalten sind. Außerdem eine Sammlung eigener Partien zur Variante, 181 Partien, und eine Datenbank mit 27 kommentierten Partien. 


 

 

 



André Schulz

 

 

 

 

 

 


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