Geschlechtertrennung im (Jugend)schach: Pro & Contra

von ChessBase
07.11.2023 – Schachmeisterschaften werden oft mit einer offenen Gruppe und einem Turnier für Frauen oder Mädchen ausgetragen. Ist die Geschlechtertrennung im Schach, besonders im Jugendschach, sinnvoll oder nicht? Für beide Meinungen gibt es gute Argumente. Harald Koppen und Jana Schneider tragen sie vor. | Foto: Sandra Schmidt/ Frank Hoppe

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Der folgenden Beitrag erschien zuerst auf der Seite des Bayrischen Schachverbandes.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung

Pro & Contra: Geschlechtertrennung im (Jugend)schach?

Obwohl Damen bei den sogenannten offenen Meisterschaften teilnehmen dürfen, tun sie es nicht – sie spielen in der Regel lieber ihren eigenen Wettbewerb. Aus offenen Turnieren werden Herrenmeisterschaften. Lange Zeit haben Jungs und Mädels in den unteren Altersklassen noch zusammengespielt, aber auch hier wurde – zumindest auf deutscher Ebene – eine komplette Trennung vollzogen. Ist dieser Trend der Richtige? Darüber diskutieren der Nationale Spielleiter Harald Koppen (Pro) und WGM Jana Schneider (Contra).

Pro

Die Diskussion über Vor- und Nachteile eigener Altersklassen bzw. Turniere für Mädchen ist nicht erst seit der zum Jahr 2016 erfolgten Einführung der separaten Turniere DEM U10w und DEM U12w ein regelmäßiges Gesprächsthema.

Ein großes Problem gemeinsamer Turniere liegt in einer grundlegenden Eigenschaft des Schweizer Systems. Dieses ist zwar gut zur gerechten Ermittlung des Siegers bzw. (bei größeren Turnieren) der Tabellenspitze geeignet, doch Platzierungen im Mittelfeld sind ohne Betrachtung der Gegner und des Turnierverlaufs nicht aussagekräftig. Auch wenn diese Aspekte durch die üblichen Feinwertungen in das Turnierergebnis einfließen, so entscheiden zunächst immer die erzielten Punkte.

Als Beispiel sei hier die gemeinsam ausgetragene DEM 2014 U10/U10w 
angeführt. Dort startete Sophia Brunner mit 6,5/8 in das Turnier, wonach sie die drei letzten Runden verlor und noch von Vitalia Khamenya (7,5/9) und Antonia Ziegenfuß (7/9) überholt wurde. Das obige Phänomen entstand, da die drei Mädchen im (oberen) Mittelfeld, an 18 (Sophia), 21 (Antonia) und 51 (Vitalia) von 98, gesetzt waren.

Da Kaderspielerinnen des DSB für ihre und die entsprechende offene Altersklasse einen Freiplatz zur DEM erhalten, ist zudem sichergestellt, dass die stärksten deutschen Mädchen sich zwischen der Titelchance mitsamt Qualifikationsmöglichkeit zur WM bzw. EM und einem starken Feld entscheiden können.

Die DEM 2022 U8 wurde gemeinsam ausgetragen. Dabei nahmen 42 Jungen und 21 Mädchen teil. Allerdings erreichte nur ein einziges Mädchen das erste Drittel der Abschlusstabelle, während im letzten Drittel 13 Mädchen zu finden waren. Insbesondere ergab sich für die meisten Mädchen ein unschönes Turniererlebnis, da sie gegen die Jungen stets verloren.

Auf regionaler Ebene bieten reine Mädchenturniere und die Umsetzung eigener Altersklassen den Vorteil, dass Mädchen aus Vereinen mit geringem Mädchenanteil auf viele weitere Schachspielerinnen treffen. Da diese im Grundschulalter oft gerne unter sich bleiben, bieten solche Turniere einen zusätzlichen Anreiz zur Teilnahme und unterstützen Vereine, die keine eigene Trainingsgruppe für Mädchen haben.

Ein weiterer Aspekt sind die Frauen-Turniere der Weltspitze – solange diese notwendig sind, damit Profi-Spielerinnen ihren Lebensunterhalt verdienen können, erscheint es unlogisch, die separaten Altersklassen für Mädchen auf nationaler und internationaler Ebene abzuschaffen.

Contra

Persönlich habe ich bis ich 13 Jahre alt war, bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in einem Turnier U10/U12 gespielt. Und ich hätte auch gerne weiter an einem solchen Turnier mit den besten deutschen Jugendlichen, Mädchen und Jungen, teilgenommen.
Dadurch entsteht die stärkste Konkurrenz und diese führt oft zur größten schachlichen Entwicklung und Verbesserung.
Und auch für die persönliche Entwicklung der Kinder ist es sicher gut, nicht nur gegen SpielerInnen des gleichen Geschlechts zu spielen. Mädchen können lernen, sich im Sport gegen Jungen durchzusetzen und auch mit Niederlagen umzugehen. Umgekehrt genauso.

Mir hat das frühere System der DSJ gefallen mit einem gemeinsamen Turnier, aber einer zusätzlichen weiblichen Wertung nach Tabellenstand. So werden Mädchen durch Erfolge motiviert, weiter Schach zu trainieren und zu spielen, haben aber trotzdem weiterhin die Konkurrenz mit den Jungen.

Ob ab einem gewissen Alter oder bei bestimmten Turnieren die Trennung in ein offenes und ein weibliches Turnier sinnvoll ist? Ja vielleicht.
Aber wenn wir irgendwann mal ein Mädchen, die offene Deutsche oder Bayerische Meisterschaft gewinnen sehen wollen, dann sollten wir sie auch dort spielen lassen.

Zumindest ist das meine Meinung. Ich persönlich habe sogar in der U18 mehrmals “bei den Jungs” mitgespielt, musste aber dafür Chancen auf den weiblichen Titel und damit verbundene Qualifikation für internationale Meisterschaften aufgeben.

Ich möchte noch betonen, dass es auch viele nachvollziehbare Argumente für eine Trennung zwischen Jungen und Mädchen bei verschiedenen Turnieren gibt. Meine Meinung zu dem Thema ist dabei sehr von meinen eigenen Erfahrungen beeinflusst.

Harald Koppen ist nicht nur Internationaler Schiedsrichter, sondern auch Spielleiter der Deutschen Schachjugend.
In dieser Aufgabe trägt er wesentlich zum Gelingen der nationalen Jugendmeisterschaften bei. An der Basis ist er als Jugendleiter in München aktiv und spielt in Deisenhofen.

Großmeisterin Jana Schneider ist Deutsche Nationalspielerin und holte auf der Schacholympiade in Chennai 2022 die Goldmedaille in ihrer Einzelwertung.
Die junge Psychologiestudentin spielt für den SC Bavaria Regensburg in der 2. Bundesliga und für Bad Königshofen in der Frauenbundesliga.

Für beide Positionen gibt es viele weitere sehr gute Argumente. Zusätzlich werden in unseren europäischen Nachbarländern noch anderen Modelle praktiziert, die auf deren Erfahrungen und kulturelle Prägung zurückgehen. 

Zum Original-Beitrag...


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