Gewinnen mit Spanisch

von ChessBase
19.07.2012 – Der spanische Mönch und Pfarrer Ruy López de Segura (1530 bis 1580) war einer der stärksten Schachspieler des 16. Jahrhunderts und im Jahre 1561 veröffentlichte er ein Buch, in dem er als Erster die bekannten Eröffnungen der damaligen Zeit analysierte. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Spanischen Eröffnung, die im englischsprachigen Raum auch als Ruy Lopez bekannt ist und die der Oxford Companion to Chess als "berühmteste aller Eröffnungen" bezeichnet. Tatsächlich haben alle Weltmeister irgendwann einmal mit Weiß oder mit Schwarz Spanisch gespielt und auch heute noch ist die Eröffnung ein beliebter Gast bei Spitzenturnieren. Den Spanier kennen und bewundern ist eine Sache, mit oder gegen Spanisch punkten eine andere. Wie man das macht und warum diese Eröffnung auch heute noch fasziniert, verrät der Weltklassespieler Viktor Bologan auf seiner Spanisch-Trilogie. Frank Grosse hat sich die drei DVDs angeschaut.Viktor Bologan im Shop...Zur Rezension...

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Viktor Bologan - Gewinnen mit Spanisch-Trilogie
Von Frank Große

Der moldawische Spieler Viktor Bologan ist schon seit Jahren Dauergast in der Weltelite. Seit 1991 ist er Großmeister und errang seitdem zahlreiche Siege und ELO-Punkte. Im Juli dieses Jahres erreichte er mit 2732 ELO seinen Höchstwert und befindet sich damit auf Platz 20 der aktiven Spieler der Weltrangliste. Bereits im Alter von zehn Jahren hatte er einen aktiven Trainer. Ein "Umstand", der ihn in dauerhaft in seiner Entwicklung begleiten sollte. Mit Veröffentlichung dieser DVD-Reihe wechselt er die Seiten, indem er sein Wissen zur Spanischen Partie an die Wissbegierigen vor dem Rechner weitergeben möchte. Mit dem Wechsel von der Italienischen zur Spanischen Partie begann seine rasche Weiterentwicklung. Spanisch war in den vergangenen zwanzig Jahren Begleiter im Variantenkoffer des Topspielers, sodass der Zuschauer sich eines Top-Referenten gewiss sein kann. Ob er auch alle Geheimnisse lüftet …? Die DVDs werden nachfolgend im Einzelnen vorgestellt.

Gewinnen mit Spanisch - Teil 1: Berliner Mauer und andere



Erfreulicherweise hat Bologan die Inhalte der Medien nach Varianten sortiert. Neben einer Einleitung finden sich 25 Videos wieder, bei denen er - ganz im Sinne klassischer Eröffnungsliteratur - mit den selteneren dritten Zügen startet. Je ein Video widmet er den Abspielen 3… Sd4, 3… Lc5, 3… Sge7 und 3… a6/4… Sge7. Darauf folgen die Systeme mit 3… g6 (2 Videos) und das Jänisch-Gambit (3 Videos). Bei letzterem wird nicht nur die Hauptvariante besprochen, sondern auch ausführlich mögliche Fallstricke für den Weißspieler aufgezeigt. Bologan sieht keine ausreichende Kompensation für den Schwarzspieler in den Varianten nach 9. Sxa7+ (auf seinem Niveau wohlgemerkt ;)).

Bevor die Berliner Mauer die zweite Hälfte der Videos auf dieser DVD einnimmt, kommen noch ein paar seltene Abspiele mit 3… a6 und 3… Sf6 4. 0-0 Lc5 auf den Schirm. Generell gibt sich Bologan Mühe, die Varianten nicht nur anhand einer Hauptpartie zu bekräftigen oder zu widerlegen. Sein Betrachtungsstil kann als weitestgehend objektiv eingeschätzt werden. Er verfolgt auch nennenswerte Abspiele ohne sich gleich im Variantendickicht zu verlieren, wozu auch die akzeptable Länge eines einzelnen Clips beiträgt. Damit nimmt er dem Neuling etwas die Angst vor dem Theoriemonster "Spanische Partie".

Die "Berliner Mauer" wird direkt nach dem gegenwärtigen populären 9. Zug angesetzt: 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 Sf6 4. 0-0 Sxe4 5. d4 Sd6 6. Lxc6 dxc6 7. dxe5 Sf5 8. Dxd8 Kxd8 9. Sc3. Damit haben sich die Inhalte gegenüber der kürzlich erschienen und hier besprochenen DVD von Alexei Shirov "Gewinnen gegen die Berliner Verteidigung" zu bewähren. Bei beiden Datenträgern fehlt die Rio-de-Janeiro-Variante (5. d4 Le7 6. De2 Sd6 7. Lxc6 bxc6 8. dxe5 Sb7). Während sich Shirov intensiv dem Zug 9… h6 widmet, findet man bei Bologan dazu nur eine einzige Partie. Der Moldawier behandelt dafür frühe Nebenvarianten (inklusive 7…. Se4). Des Weiteren konzentriert er sich mit fünf Videos auf 9… Ke8, woraufhin er die verschiedenen schwarzen Abspiele nach 10. h3 intensiv untersucht. Auf beiden DVDs werden die Züge 9… Se7 und 9… Ld7 behandelt. Shirov geht bei geringerer Variantenanzahl etwas weiter in die Tiefe, während Bologan dem Konzept "Digitales Eröffnungsbuch" treu bleibt.

Gesamt-Videolaufzeit: 04 Stunden 42 Minuten
Beispielvideo


Gewinnen mit Spanisch - Teil 2: Steinitz, Anti-Marshall, Offen und Co.




Getreu dem Motto der ersten DVD nähert sich der Autor systematisch den populären Systemen. Mit jeweils einem Video, aber keineswegs nur als Randerscheinung, streift er die zum Teil eher historischen Abspiele der Steinitz-Variante und der Modernen Steinitz-Variante: 3… d6, 3… a6 4. La4 d6 5. 0-0 Ld7, 5… Lg4 und 5… Sf6. Einen Seitensprung in die Siesta-Variante (5. c3) wagt Bologan nicht, sondern hält am "logischen" 5. 0-0 fest und vertraut dem Entwicklungsvorsprung des Weißen.

Der Marschall-Angriff 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 0-0 8. c3 d5 zählt zu den beliebtesten Waffen des Nachziehenden. Da dieser aufgrund seiner ausufernden Theorie und forcierten Charakters nicht in das Gesamtkonzept des Autors passt, empfiehlt Bologan dem Spanisch-Jünger eine positionelle Alternative: 8. h3. In den nachfolgenden sechs Videos widmet er sich der schwarzen Hauptantwort 8… Lb7, nachdem er den schwarzen Zug 8… d5 in seine Schranken verweist. Die kritischste Variante entsteht aus seiner Sicht nach 9. d3 d5, in der der Nachziehende einige Verteidigungsaufgaben zu lösen hat. Diese sind aber nicht Bestandteil der DVD.

Ähnlich komplex, aber von ganz anderer Charakteristik, ist die Offene Verteidigung: 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Sxe4 6. d4 b5 7. Lb3 d5 8. dxe5 Le6. Fünf Trainingseinheiten untersuchen die möglichen Antworten auf Bologans Empfehlung 9. Sbd2. Neben 9… Le7 und …Lc5 wird hauptsächlich 9… Sc5 untersucht und mit 10. c3 beantwortet.

Den Abschluss bildet die Moderne Variante, die durch rasche Entwicklung des schwarzfeldrigen Läufers nach c5 charakterisiert wird: 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 4. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 b5 6. Lb3 Lc5. Der Videotrainer untersucht intensiv einige Abspiele dieser seiner Ansicht nach nicht zu unterschätzenden Waffe des Schwarzspielers. Die Abtauschvariante (3… a6 4. Lxc6 dxc6) ist nicht Bestandteil des Eröffnungsrepertoires von Bologan und somit auf keinem der drei Datenträger zu finden. Besonders die Inhalte dieser DVD zeigen die Komplexität dieses Eröffnungssystems auf! Schwarz verfügt über vielfältige Optionen, die die Charakteristik der entstehenden Stellungen stark modifizieren und Weißspieler mit ihren Feinheiten stark fordern. Hier gilt es teilweise, Varianten zu büffeln und sich dem gegenwärtigen Stand der Theorie der Hauptvarianten analytisch zu nähern.

Gesamt-Videolaufzeit: 05 Stunden 15 Minuten
Beispielvideo




Gewinnen mit Spanisch - Teil 3: Hauptvarianten



Die DVD wird beworben mit dem Rückentext: "Für viele fängt Spanisch erst nach den Zügen 3...a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8. c3 0-0 9.h3 an."! Das alleine ist zwar nicht Grund genug eine DVD ausschließlich dieser Variante zu widmen, aber der Umfang der Theorie macht es notwendig. Über die seltenen Abspiele der Hauptvariante kommt Bologan zur Stellung nach 9… Sa5 10. Lc2 c5 11. d4 Dc7 12. Sbd2 cxd4 13. cxd4, bei der er die schwarzen Antworten 13… Lb7, 13… Td8, 13… Ld7 und 13… Sc6 mit je einem Clip untersucht. Aber auch die anderen Springerzüge 9… Sb8 und 9… Sbd7 finden mit je vier Videoeinheiten den nötigen Raum (unterbrochen von 9… h6 mit einer Partie). Selten starten die Analysen vor dem dreizehnten Zug und Bologan gibt sich Mühe, die Feinheiten der unterschiedlichen Systeme herauszuarbeiten. Dennoch bleibt dem ambitionierten Spanisch-Jünger wohl mehrfaches Bearbeiten der Videos nicht erspart. Immerhin macht das multimediale Medium das angenehmer als das trockene Theoriebuch.

In den letzten drei Partien widmet sich Bologan der populären, aber zugleich auch sehr komplexen Zaitsev-Variante: 9… Lb7 10. d4 Te8 11. Sbd2 Lf8 12. a4. Die dort vorgestellten Analysen reichen tiefer in das Mittelspiel hinein, als die Varianten in den meisten vorigen Partien, was aber damit zu erklären ist, dass Bologan die Eröffnung erst nach dem 17. Zug betrachtet. Er gibt Einblicke in den gegenwärtigen Stand der Theorie, ohne das System vollständig behandeln zu können, was aber auch den Rahmen dieser DVD sprengen würde.

Gesamt-Videolaufzeit: 05 Stunden
Beispielvideo





Fazit: Die Spanische Eröffnung ist nicht nur das Aushängeschild der "Offenen Spiele" - sie ist auch ein Meilenstein zum Verständnis der Schachtheorie und der Behandlung einer Eröffnung bis hin zur Auswirkung auf das Endspiel. Dazu zählen "klassische" Elemente wie die rasche Figurenentwicklung, der Kampf um das Zentrum, die Eroberung von Raum oder das geschickte Manövrieren der Einheiten. Der Käufer erhält eine Video-Monographie zur Spanischen Partie aus der Sicht eines aktiven und erfolgreichen Protagonisten dieses Eröffnungssystems. Die Ideen der Eröffnung und die daraus resultierenden Mittelspielpläne können logisch erarbeitet werden. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der englischen Sprache, bei der sich Bologan Mühe gibt und meistens gut zu verstehen ist. Auf der ersten DVD wird ein Einblick in die selteneren Systeme und die Berliner Mauer gegeben, deren Verständnis Pflichtprogramm ist. Die zweite DVD zeigt verschiedene schwarze Systeme nach 3… a6 4. La4 auf, bevor sich Bologan in der Abschluss-DVD den Hauptvarianten widmet.

Die durchschnittliche Videodauer für einen einzelnen Clip liegt bei etwas über zehn Minuten, was in Bezug auf die Aufnahmefähigkeit angenehm zu Buche schlägt. Die weitestgehend objektive Herangehensweise wirkt wohltuend, wobei sich der Autor Mühe gibt, sich nicht im Untervariantennebel zu verlieren. Sein Hauptanliegen ist das Aufzeigen geeigneter Strategien, die bis weit ins Mittelspiel reichen und sogar das Endspiel im Blick haben. Zielgruppenempfehlung: Spieler, die sich die Spanische Partie und damit ein Stück Schach-"Kulturgut" erarbeiten möchten, finden eine solide aufbereitete Arbeit vor. Gefestigtes Grundverständnis für die Behandlung von Eröffnungen wird vorausgesetzt, weswegen eine Empfehlung für Spieler ab DWZ 1500 ausgesprochen wird.

Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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