Sonne über Gibraltar
Jan Michael Sprenger ist einer der deutschen Teilnehmer beim Gibraltar Chess Festival. Der für die SF Berin in der Bundesliga spielen Großmeister liegt nach sechs Runden mit drei Punkten bei 50% - das bedeutet Platz 121 - und befindet sich in seiner Elo-Performance derzeit etwas unter seinem Soll. Seine zwei Niederlagen kassierte er allerdings gegen sehr starke Großmeister, Gawain Jones und Maxim Matlakov. Heute Nachmittag spielt er gegen Natalia Zhukova.
Nach einem schnellen Remis in Runde sechs fand Dr. Sprenger, der als Professor für Philosophie an der Universität von Turin lehrt, Zeit seine Eindrücke vom Turnier im Caleta Hotel zu schildern:
Das jährlich im Januar stattfindende offene Turnier in Gibraltar gehört zu den stärksten seiner Zunft. Allein die Preisgelder für die bestplatzierten Frauen betragen 50,000 Pfund; der erste Preis in der Gesamtwertung ist mit 25,000 Pfund dotiert. Solche Beträge locken trotz der für 2700er-Spieler spärlichen Konditionen ein Feld an, das das Gibraltar Masters seit Jahr und Tag zu einem der stärksten Open des Jahres macht. Zudem zahlreiche Talente und ambitionierte Amateure, die einmal mit Vachier-Lagrave, Aronian und So (die ersten drei der diesjährigen Setzliste) die Klingen kreuzen wollen.
Anders als zum Beispiel eine Einzel-Europameisterschaft, der Europapokal oder eine Olympiade findet das Turnier zudem nicht in einer Mehrzweckhalle oder einem umfunktionierten Ballsall statt. Im Hotel Caleta, direkt unter dem steil abfallenden Felsen von Gibraltar gelegen, sind die Spieler auf zwei Ebenen verteilt. Im nüchtern-hellen Saal in der Beletage sitzt man recht eng beeinander, überblickt dafür aber das Mittelmeer und die Costa del Sol. Im unteren Saal ist das Licht etwas schummriger, aber das Ambiente mit der Dekoration im maurischen Stil wirkt stilvoller. Zudem spielt man hier anders als an den Livebrettern mit schweren Holzfiguren, bei denen sich ein langer Damenzug von a1 nach h8 auch rein körperlich als Kraftzug erweist. Auf ebener Erde befindet sich die Bar, zugleich Analyseraum, an der man nach getaner Arbeit bei einem Drink entspannen, die eigene Partie betrachten oder sich an eines der beiden Klaviere setzen kann. Alles in allem atmet das Turnier etwas von der Grandeur vergangener Zeiten, in denen Schach in erster Linie eine Betätigung für Gentlemen mit Hang zum Müßiggang war.
Das Caleta liegt allerdings etwas außerhalb des Zentrums, was für die meisten Teilnehmer eine Anreise mit dem Bus oder Auto bedeutet---für manche auch aus Spanien. Einfacher und nicht viel teurer ist es sich eine Wohnung in Gibraltar zu mieten. Am Ufer überwiegen gesichtslose Hochhäuser und Apartmentkomplexe, aber im Inneren der alten Stadtmauern befindet sich eine schmucke kleine Innenstadt, in der sich spanische Cafés, indische Takeaways und britische Pubs mit Fish & Chips begegnen. Zudem fällt die sehr präsente jüdische Gemeinde auf. Oberhalb der Main Street liegen die verwinkelten Gassen einer typischen Mittelmeerkleinstadt, und noch weiter oben befindet sich das Naturschutzgebiet des Rock of Gibraltar: eine Oase der Ruhe, bemerkenswert nicht nur wegen der berühmten Makakenaffen, sondern auch wegen der von Olivenhainen geprägten mediterranen Vegetation, der zahlreichen militärischen Denkmäler und dem spektakulären Blick, der von der Costa del Sol über die geschäftigen Häfen der Bucht von Gibraltar bis zum Atlasgebirge auf der marokkanischen Seite schweift. Bei 15 bis 20 Grad tagsüber ist Gibraltar somit nicht nur ein Schachturnier der Spitzenklasse, sondern auch eine willkommene Abwechslung zum winterkalten und -grauen Deutschland.
Jan Michael Sprenger
Acht Spieler in Führung
Nach sechs Runden liegen acht Spieler mit fünf Punkten gleichauf in Führung. David Navara, der sich gestern ein "bye" gönnte, eine Pause, für die man einen halben Punkt erhält, führt die Spitzengruppe mit der besten Zweitwertung an. Mit Levon Aronian und Hikaru Nakamura befinden sich zwei weitere Topfavoriten an der Tabellenspitze.
Levon Aronian hat nach einem Sieg über Nigel Short einen Sprung nach vorne gemacht.
Short gegen Aronian | Foto: John Saunders
Der Spanisch-Experte überraschte seinen Gegner mit der Sizilianischen Najdorf-Variante und war nach einer zahmen Reaktion von Short bald Chef auf den schwarzen Feldern.
Mit 26...Db6 kratze Schwarz hier an der weißen Position am Damenflügel. Ein paar Züge später drang die schwarze Dame sehr hässlich auf f2 ein.
Eine kraftvolle Partie lieferte auch Hikaru Nakamura gegen Eduardo Iturrizaga. Der US-Großmeister hatte auf a1 eine Qualität geopfert und ging dann gegen seinen unterentwickelten Gegner zum Angriff über.
Mit 26.Df6 stellte Weiß eindeutige Drohungen auf. Die Partie war wenige Züge später beendet.
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Zu den Spielern in der Spitzengruppe gehört auch Nils Grandelius. Dem schwedische Nationalspieler gelang ein Big Point über den Mitfavoriten Wesley So.
Wilde Partie | Foto: John Saunders
In einer wilden Partie mit entgegen gesetzten Rochaden stand nach 25 Zügen diese Position auf dem Brett.
Nun ging es weiter mit 25...Lc5 26.Txa1 Lxd4 27.Lxd4 Txc4 und Schwarz war mit einem Mehrbauern und besserer Position aus den Verwicklungen gekommen.
Rasmus Svane wieder vorne dabei
Rasmus Svane hat sich von seiner Niederlage gegen Arkadij Naiditsch gut erholt und sich mit zwei Siegen in den folgenden Runden wieder nach oben gearbeitet. Mit 4,5 Punkten liegt er in Sichtweite der Tabellenspitze. Alexander Donchenko hat einen halben Punkt weniger, nach seiner Doppelnulle gegen die beiden jungen Damen Sarasadat Khademalsharie und in der nächsten Runde gegen Lei Tingjie.
Einen halben Punkt hinter der Spitzengruppe befindet sich auch Mariya Muzychuk, die gestern Hrant Melkumyan besiegen konnte.
Muyzchuk gegen Melkumyan | Foto: John Saunders
Dennes Abel gelang in der 6. Runde ein schöner Sieg über Daniele Vocaturo.
Mit 31.b5! brachte Weiß sich hier in Vorteil. Schwarz kann wegen 32. Tc7 nicht auf b5 nehmen. Der Italiener wehrte sich noch lange, aber vergeblich. Dennes Abel kommt auf vier Punkte und liegt mit über 2600 Perfomance deutlich über der statistischen Erwartung.
Ergebnisse der 6. Runde
...
Partien
Stand
1 |
6 |
GM |
Navara David |
|
2738 |
5,0 |
2941 |
1,00 |
10 |
10,0 |
2 |
20 |
GM |
Grandelius Nils |
|
2682 |
5,0 |
2848 |
1,20 |
10 |
12,0 |
3 |
11 |
GM |
Artemiev Vladislav |
|
2709 |
5,0 |
2845 |
0,98 |
10 |
9,8 |
4 |
2 |
GM |
Aronian Levon |
|
2767 |
5,0 |
2797 |
0,25 |
10 |
2,5 |
5 |
9 |
GM |
Le Quang Liem |
|
2714 |
5,0 |
2791 |
0,52 |
10 |
5,2 |
6 |
17 |
GM |
Saric Ivan |
|
2690 |
5,0 |
2789 |
0,65 |
10 |
6,5 |
7 |
18 |
GM |
Adhiban B. |
|
2689 |
5,0 |
2752 |
0,41 |
10 |
4,1 |
8 |
5 |
GM |
Nakamura Hikaru |
|
2749 |
5,0 |
2751 |
0,11 |
10 |
1,1 |
9 |
7 |
GM |
Naiditsch Arkadij |
|
2734 |
4,5 |
2780 |
0,31 |
10 |
3,1 |
10 |
62 |
GM |
Muzychuk Mariya |
|
2540 |
4,5 |
2766 |
1,80 |
10 |
18,0 |
11 |
26 |
GM |
Edouard Romain |
|
2643 |
4,5 |
2763 |
0,73 |
10 |
7,3 |
12 |
55 |
GM |
Lalith Babu M R |
|
2547 |
4,5 |
2759 |
1,69 |
10 |
16,9 |
13 |
8 |
GM |
Vitiugov Nikita |
|
2720 |
4,5 |
2741 |
0,13 |
10 |
1,3 |
14 |
38 |
GM |
Papp Gabor |
|
2603 |
4,5 |
2739 |
0,85 |
10 |
8,5 |
15 |
13 |
GM |
Adams Michael |
|
2701 |
4,5 |
2725 |
0,22 |
10 |
2,2 |
16 |
40 |
GM |
Svane Rasmus |
|
2594 |
4,5 |
2719 |
1,00 |
10 |
10,0 |
17 |
60 |
GM |
Werle Jan |
|
2541 |
4,5 |
2715 |
1,39 |
10 |
13,9 |
18 |
12 |
GM |
Mamedov Rauf |
|
2703 |
4,5 |
2710 |
0,07 |
10 |
0,7 |
19 |
1 |
GM |
Vachier-Lagrave Maxime |
|
2780 |
4,5 |
2701 |
-0,19 |
10 |
-1,9 |
20 |
35 |
GM |
Jumabayev Rinat |
|
2604 |
4,5 |
2697 |
0,72 |
10 |
7,2 |
250 Spieler
Battle of the Sexes
im Rahmenprogramm des Turniers wurde am Abend auch wieder die bei den Spielern so beliebte kommunikative "Battle of the Sexes" ausgetragen, eine Beratungspartie, Frauen gegen Männer. Die Frauen gewannen mit 2:1.
Battle of the sexes | Foto: Niki Riga
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