Gibraltar: Eröffnungstrends (I)

von ChessBase
04.02.2019 – Beim ausgezeichnet besetzten Gibraltar Chess Festival wurden über 1000 Partien gespielt. Thorsten Cmiel hat sich angeschaut, welche Eröffnungen und Varianten dort "en vogue" waren, besonders bei den Profis, die Musterpartien heraus gepickt und kommentiert. Teil I:

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Eröffnungstrends 2019

Das erste größere Open-Turnier des Jahres ist traditionell das Gibraltar Masters. Das Turnier findet im "Caleta"-Hotel statt. Unter den knapp 250 Teilnehmern aus 58 Ländern befanden sich diesmal 95 Großmeister und 53 Internationale Meister. Die durchschnittliche Ratingzahl lag bei 2375 Punkten und zeigt die Relevanz des Turniers, das insofern nur von wenigen Open im Jahresverlauf übertrumpft wird. Zwar waren kurz zuvor einige starke Spieler in den Niederlanden engagiert, aber 14 der Teilnehmer wiesen Ratings von 2700 oder mehr auf. In Gibraltar ist die Sofia-Regel in Kraft: Remis vor dem dreißigsten Zug sind verboten. Diese Regel erhöht logischerweise die Relevanz der gespielten Partien. Jeder Spieler durfte in den Runden 1-7 ein "Bye" nehmen, wofür es einen halben Punkt gut geschrieben gab.

Etwas Statistik

Ist Schwarz das neue Weiß? Seit dem Weltmeisterschaftskampf in London stellt sich die Schachgemeinde die Frage, ob Weiß überhaupt noch einen Vorteil, den Anzugsvorteil, besitzt. Der Schwarzspieler ist schließlich durch seine Eröffnungswahl der erste Spieler, der die Geschehnisse wesentlich beeinflusst. Die Statistik für das Turnier in Gibraltar ist eindeutig: Weiß zu haben ist ein wesentlicher Vorteil. Vorausgesetzt natürlich, dass man seine Systeme gut beherrscht, also seine Hausaufgaben gemacht hat. In allen Runde erzielten die Weißspieler mehr Siege als die Nachziehenden. (Gesamt 1.000, 411 Siege Weiß, 297 Remis und 292 Siege Schwarz).

Der Eröffnungszug 1.e4 wurde in über 45 Prozent aller Partien im Masters gewählt. Es folgte der Damenbauernzug in etwa einem Drittel der Fälle. Wer sich für 2019 vorbereitet, der benötigt vor allem Eröffnungssysteme gegen die beiden Mittelbauernzüge. Mit weitem Abstand folgen 1.Sf3 (12%) und 1.c4 (9%).

Welche Eröffnungen liegen im Trend? Die Ins & Outs.

Im ChessBase Magazin 187 stellte Evgeny Postny eine Variante gegen in der Englischen Eröffnung vor, die zu Maxime Vachier-Lagraves Repertoire gehört. Der Franzose hatte sie auch in Gibraltar auf dem Brett.

Kiik gegen Vachier-Lagrave | Foto: John Saunders

 

ChessBase Magazin #187

Anand, So, Gelfand, Duda u.a. kommentieren die Partien des WM-Matches. Dazu die Schacholympiade mit vielen Video-Specials! Dazu jede Menge neue Ideen für Ihr Repertoire, z.B 1.e4 Sc6 oder eine ganz andere Interpretation des Londoner Systems!

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Gegen 1.c4 müssen vor allem Spieler, die Nimzoindisch im Repertoire haben, sich mit der Frage auseinander setzen, wie sie gegen das Mikenas-Flohr-System agieren wollen. 

In der Partie von David Howell und Hikaru Nakamura gelingt es Weiß - nach zwei interessanten Partien von Vincent Keymer zu dem Thema in Wijk aan Zee einige Tage zuvor - erneut nicht, in der Mikenas-Variante gegen das schwarze System mit 5...Se4 etwas Greifbares zu schaffen. Der Ball liegt zurzeit im Feld von Weiß.

 

Königsindisch-Spieler haben es an dieser Stelle einfacher. Sie fragen einfach die Weißspieler, ob nicht ein Übergang in Hauptvarianten eine Idee ist. 

Königsindisch-Revival?

Im Masters wurde doppelt so oft in der traditionellen Zugfolge Nimzoindisch angestrebt, also 1.d4 Sf6 2.c4 e6 gespielt im Vergleich zur Zugfolge 1.d4 Sf6 2.c4 g6, wobei Grünfeldindisch und Königsindisch danach etwa gleich häufig zum Einsatz kamen.

Drachenspezialist Gawain Jones fand auch im Königsinder "seine" Motive.

Jones fianchettiert gerne | Foto: John Saunders

 

 

 

Nimzoindisch gilt als die solidere und positionell gesündere Spielweise, aber die Ergebnisse in Gibraltar sprachen für den "Königsinder": In 69 Partien, über alle Zugfolgen erzielte Schwarz 54,3 Prozent der Punkte. Im "Nimzoinder" konnten die Weißen ihren Anzugsvorteil verteidigen. Zwei flotte Angriffspartien belegen das: Die jeweiligen Schwarzspieler wurden mit dem Rubinstein-System konfrontiert, spielten etwas nachlässig in der Eröffnung (frühes Schlagen auf c3) und gerieten in ein Feuerwerk ihrer Gegner.

 

 

 

Benoni und Wolgagambit wurden in Gibraltar eher selten gespielt.

Im Trompowski wurden nur von einem alten Recken dieser Spielweise, Großmeister Bellon Lopez, zwei Partien gespielt. Interessant war die Wahl des niederländischen Großmeisters Ernst Sipke, der eine alte Spielweise auspackte und seine Gegnerin damit schnell überspielte.

 

Triumphieren mit Trompowsky - Ein komplettes Weißrepertoire nach 1.d4 Sf6 2.Lg5

Nach 1.d4 Sf6 erscheint der Zug 2.Lg5 ebenso kühn wie exotisch. Kein anderes modernes Eröffnungssystem führt so schnell zu spannenden Positionen, verlässt so bald theoretische Pfade und setzt den Schwarzen dennoch unter massiven Druck.

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Trompowsky for the attacking player

Zapfen Sie Ihr Kreativzentrum an. Trompowsky (1.d4 Sf6 2.Lg5) ist eine Eröffnung außerhalb der konventionellen Schachweisheit. Stellen Sie Herausforderungen und zwingen Sie Ihren Gegner, frühzeitig Probleme zu lösen.

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Für Holländisch-Spieler war Gibraltar ein Desaster: In den neun gespielten Partien erzielte Weiß 8,5 Punkte.

 

"Londoner bis zur Bahre"

Vergleicht man die Anzahl der Partien im Londoner System im Masters mit der Zahl in den Amateur und Challenger-Turnieren, dann ist auffällig, dass diese einfach zu erlernende Eröffnung im Amateurbereich etwa fünfmal so wahrscheinlich ist. Wer also dem Trend aus dem Weg gehen will, den ein Internationaler Meister und Schachtrainer, dessen Namen ich nicht nennen darf, mit einer Prognose verband, "diese Variante werden Amateurspieler bis zur Bahre" ertragen müssen, der sollte auf einen hohen Profianteil bei seiner nächsten Turnierauswahl achten. Das Londoner System kann zu einem Caro-Kann werden. Der Schwarzspieler in einer Partie ist ein junger Inder, Prithu, der im letzten Jahr eine IM-Norm benötigte und stattdessen eine Großmeisternorm erzielte. Gegen das Londoner System musste er leiden.

 

 

 


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