15.06.2018 – Nach drei Tagen Schnellschach folgen beim Turnier der Grand Chess Tour in Leuven zwei Tage Blitzschach, und in den ersten neun Runden des Blitzturniers dominierte Sergey Karjakin: Er verlor keine einzige Partie und setzte sich mit 6½ an die Spitze der Tabelle. Wesley So, der souveräne Gewinner des Schnellturniers, brach am Ende beim Blitzen ein, führt aber weiter in der Gesamtwertung. | Foto: Lennart Ootes, Turnierseite
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Erst Schnellschach, dann Blitz
Nach neun Runden Schnellschach standen in Leuven 18 Runden Blitzschach auf dem Programm. Die ersten neun Runden wurden am Freitag, den 15. Juni gespielt, die zweiten neun Runden folgen morgen, am Samstag, den 16. Juni. Turniersieger in Leuven ist, wer beim Schnell- und Blitzschach zusammen die meisten Punkte hat, wobei ein Sieg im Schnellschach mit zwei Punkten gewertet wird, ein Sieg im Blitzschach jedoch nur mit einem Punkt. Geblitzt wird mit einer Bedenkzeit von 5 Minuten plus 3 Sekunden "Delay" ab dem ersten Zug.
Wesley So hatte das Schnellturnier mit 14 von 18 möglichen Punkten gewonnen und startete deshalb mit 3 Punkten Vorsprung ins Blitzturnier. Hinter So folgten Levon Aronian und Maxime Vachier-Lagrave, die im Schnellschach 11 Punkte geholt hatten.
Hikaru Nakamura hatte nach dem Schnellturnier zwar unverblümt gesagt, dass So "nicht der beste Blitzer" im Feld sei, aber in der aktuellen Live-Blitz-Weltrangliste liegt So immerhin auf Platz 3, hinter Magnus Carlsen und Nakamura.
Wie gut So blitzen kann hatte er außerdem erst vor kurzem beim Norway Turnier in Stavanger bewiesen - beim Blitzturnier zum Auftakt ließ er die gesamte Weltelite hinter sich unter anderem Magnus Carlsen.
Allerdings fühlte sich mancher Beobachter auch an das Schnell- und Blitzschachturnier in Leuven 2017 erinnert. Auch dort war So mit 5 Siegen und 4 Remis im Schnellschach gestartet, aber wurde dann im Blitzturnier noch von Carlsen und Maxime Vachier-Lagrave eingeholt.
Einer der Favoriten im Blitzturnier war Alexander Grischuk - immerhin war er schon bereits drei Mal Blitzweltmeister. Und auch in Leuven spielte er stark und sorgte für unterhaltsame Momente. Zum Beispiel in seiner Partie gegen Fabiano Caruana in Runde 2:
Oder gegen Sergey Karjakin in Runde 5:
Mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr spielte Grischuk jetzt 37...Txf3, um dann nach 38.De8+ Kb7 39.Dd7+ Ka6 40.Dc8+ Db7 41.Dxe6+ Ka7 42.Sc6+
mit 42...Dxc6 43.Dxc6 Lxe3 die Dame zu opfern. Karjakin fand keine bessere Möglichkeit, als mit 44.Dc7+ Remis durch Dauerschach zu forcieren.
Aber natürlich lief auch für Grischuk auch nicht alles reibungslos. In Runde 7 hatte er Vishy Anand überspielt, aber fand den Gewinnweg nicht:
Hier spielte Grischuk 69...Df4+? und verpasste den Gewinn. Besser war 69...Dh4 70.De3 Dh1+ 71.Dg1 Dh6! z.B. 72.Ke2 Dh5+ 73.Ke3 Dg5+ 74.Ke2 Dg4+ 75.Kf1 De4 und jetzt hat Weiß wirklich keine Verteidigung mehr. In der Partie geschah 70.Df3 Dxd2 aber jetzt konnte sich Weiß mit 71.Df7+ ins Dauerschach retten. In der Partie spielte Anand allerdings - warum auch immer 71.Df8??. Doch noch während er den Zug ausführte, bot er Remis an, was Grischuk achselzuckend akzeptierte. ½–½
Am Ende einigten sich Alexander Grischuk und Vishy Anand auf Remis
Sergey Karjakin gilt als einer der besten und zähesten Verteidiger der Welt. Warum das so ist, zeigte er in Runde zwei gegen Hikaru Nakamura.
Was soll Schwarz ziehen? Der Bauer auf b7 ist angegriffen und nach dem natürlichen Zug 24...Tab8 hat Weiß eine überraschende taktische Möglichkeit: 25.h4! Dg4 (nach 25...Df6 folgt 26.Sh5) und jetzt 26.Dxc6! bxc6 27.Se7+ Kh8 28.Txf8+ Lg8 (der einzige Zug, um das Matt zu vermeiden. 29.Txb8 und Weiß steht auf Gewinn.
Karjakin hat all das gesehen und entschied sich für den paradoxen Zug 24...Tfb8! und rettete sich nach 57 Zügen ins Remis.
Tatsächlich verlor Karjakin nicht eine einzige Blitzpartie im ersten Teil des Turniers und liegt mit 6,5 aus 9 alleine in Führung. Einen Punkt dahinter folgt Levon Aronian mit 5,5 Punkten. Nakamura und Grischuk liegen mit 5 aus 9 in Lauerstellung.
So spielte zu Beginn des Blitzturniers gewohnt sicher und solide - in den ersten sieben Runden spielte er 6 Remis und gewann eine Partie. Aber dann brach er ein und verlor in den letzten beiden Runden gegen Shakhriyar Mamedyarov und Nakamura.
Wesley So
Damit verteidigte So zwar seine Führung in der Gesamtwertung, aber sein Vorsprung von drei Punkten ist auf anderthalb Punkte geschmolzen. Er führt in der Gesamtwertung mit 18 Punkten, dahinter folgen Karjakin und Aronian mit je 16½.
Blitzturnier - Stand nach 9 Runden
Endstand des Schnellturniers (mit Verdoppelung der Punkte)
Johannes FischerJohannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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