Grand Prix in der Templerkirche

von ChessBase
30.08.2013 – Das letzte Turnier der aktuellen Grand-Prix-Serie findet ab 21. September in der Nähe von Paris statt - in einer ehemaligen Kirche des Templerordens. Topalov hat sich bereits für das Kandidatenturnier qualifiziert. Grischuk und Caruana könnten Mamedyarov noch vom zweiten Qualifikationsplatz verdrängen. Pressechefin Alina L'Ami gibt im Vorbericht einen Überblick über die Qualifikation. Übersicht...

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“Auch wenn nicht alle Künstler Schachspieler sind, so sind doch alle Schachspieler Künstler”

Gibt es bei all den Dingen, die man weiß, den wieder und wieder erzählten Geschichten oder den allgegenwärtigen Klischees irgendetwas, das über die bekannteste Stadt der Welt noch nicht gesagt, nicht gehört, nicht erwähnt oder nicht gesehen wurde?! Bis ich eine klare Antwort auf diese Frage geben kann: Willkommen in einer Stadt mit überwältigender Ausstrahlung, einer Stadt, die wie keine andere ist, ein Gigant, den man nicht vermeiden oder ignorieren kann, das Epizentrum von Phantasien und Träumen, ein Ort, der immer Verführung ausstrahlt, immer gleich und doch stets verschieden – willkommen in Paris!

Mit ihren beiden Silben steht die französische Metropole für Dinge, die an jedem anderen Winkel der Erde Neid erwecken könnten: ein herausragendes Kulturdenkmal, eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, die Quintessenz der Eleganz und Raffinesse, die Hauptstadt des phantastischen Essens und des eleganten Shoppings, der Ort, an dem man sich hoffnungslos verliebt… Paris ist immer eine gute Idee.

Mit seinem Charakter voller Charme, mit seinem einzigartigen je ne sais quoi hat Paris seit Jahrhunden die einflussreichsten Künstler, Schriftsteller, Denker und Architekten dazu verlockt, die Stadt zu ihrer Heimat zu machen und...’Parisophiles’ zu werden. Können wir dann wirklich immer noch so tun, als seien wir überrascht, dass eines der wichtigsten Kapitel unserer Schachgeschichte hier, in Paris, geschrieben wurde?!

1924, genauer gesagt, am 20. Juli, war die Stadt stummer Zeuge der Geburt einer Organisation, die im Laufe etwas Besonderes für uns alle geworden ist: der FIDE. Interessant ist der französische Name, der fast ein ganzes Jahrhundert lang unverändert geblieben ist: Fédération Internationale des Échecs, auf Deutsch Weltschachverband. Die Wurzeln der FIDE reichen ins 18. und 19. Jahrhundert zurück, höchstwahrscheinlich bis ins Café de la Régence, dem Herzen der Schachwelt, das damals eigentlich nur in der französischen Hauptstadt schlagen konnte. Denn wenn Künstler in Europa keine andere Heimat haben, dann würde ich es wagen, mir die Freiheit zu ein paar weiteren Spekulationen zu nehmen: Die Samen des Schachs hätten keinen fruchtbareren Boden finden können als den in der Stadt an der Seine.

Aber das Akronym “FIDE” ist nicht der einzige französische Ausdruck, der sich gehalten hat. Ein anderer, unter Schachspielern häufig gebrauchter Begriff, stammt aus der gleichen großartigen Stadt: Grand Prix! Obwohl diese beiden Worte vor allem mit der Formel 1oder Kampfsport wie K-1 in Verbindung gebracht werden, so ist Schach doch ebenso kämpferisch; schließlich sind alle Schachspieler letztendlich auf den ‘Kill’ aus, oder?

Der hübsche Titel “Grand Prix” steht heute für eines der wichtigsten Turniere der heutigen Schachwelt: den Weltmeisterschaftszyklus! Für die Uneingeweihten möchte ich kurz erklären, worum es hierbei eigentlich geht:

• Das Ereignis, das die größte und die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist natürlich der Wettkampf um den höchsten Titel: die Weltmeisterschaft. Wie wir alle wissen, wird dieser Wettkampf dieses Jahr in Indien ausgetragen, und zwar zwischen Carlsen und Anand. Aber wie sind die beiden dorthin gekommen? Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Die FIDE verfiel auf einen ausgeklügelten und praktikablen Plan, um den stärksten Spielern der Welt eine faire Chance zu geben, um die Weltmeisterschaft zu spielen. Allerdings muss man sich, wenn man eine Chance haben will, den Weltmeister herauszufordern, qualifizieren – und zwar für das:

• Kandidatenturnier, ein doppelrundiges Turnier mit acht Teilnehmern, dessen Sieger gegen Carlsen oder Anand um den Weltmeistertitel spielen wird; wer aber hat das Recht, an diesem Spitzenturnier teilzunehmen? Es gibt fünf Möglichkeiten, sich für das Kandidatenturnier zu qualifizieren:

1. Ein Platz geht an den Verlierer des Wettkampfs in Chennai
2. Ein weiterer Platz ist einem Spieler aus dem Land zugesagt, das das Kandidatenturnier ausrichtet
3. Zwei Spieler sind durch ihre Ratingzahlen qualifiziert: Aronian und Kramnik
4. Zwei Spieler qualifizieren sich über den World Cup in Tromsø, nämlich die beiden Finalisten
5. Zwei Plätze gehen an die Spieler, die im oben erwähnten Grand Prix am besten abschneiden

Damit kommen wir den Dingen allmählich näher…es gibt sechs Grand Prix Turniere, die in den Jahren 2012 und 2013 gespielt werden, und die stärksten Schachspieler der Welt haben die Möglichkeit, in jeweils vieren dieser Turniere an den Start zu gehen. Das ist auch der Grund, warum die Großmeister London, Taschkent, Zug, Saloniki und Beijing bereist haben, die Städte, in denen die ersten fünf Grand Prix Turniere ausgetragen wurden. Am Ende des Wettbewerbs werden zwei Spieler zu den Gesamtsiegern erklärt, und qualifizieren sich damit für das Kandidatenturnier. Ermittelt werden die Gesamtsieger mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems, von dem Sie wahrscheinlich schon gehört haben:

• Das schlechteste Ergebnis aus den vier Turnieren, an denen ein Spieler teilnimmt, wird gestrichen, um die Folgen einer untypischen Formschwäche zu minimieren;

• Für jede Platzierung in der Schlusstabelle des jeweiligen Turniers erhält der Spieler eine bestimmte Anzahl von Punkten: 170 Punkte für den alleinigen ersten Platz; 140 für den geteilten ersten Platz, usw.;

• Kurz gesagt: Die beiden Spieler, die auf die höchste Punktzahl aus den besten drei ihrer vier Turniere kommen, qualifizieren sich für das Kandidatenturnier.

Damit kommen wir zum wichtigsten Punkt der Liste: dem letzten Turnier des Zyklus, dem entscheidenden sechsten Grand Prix! Meiner Ansicht nach ist es kein Zufall, dass dieses wichtige Turnier da stattfindet, wo alles vor langer Zeit einmal angefangen hat: in Paris! Ein Ort, der mehr Optimismus und Hoffnung verströmt, als dieses Gelobte Land der Künstler in uns allen kann ich mir nicht vorstellen; zudem schließt das den Kreis, der mit der Gründung der FIDE begonnen hat und mit diesem letzten Grand Prix endet…

So sehr wir uns nach Perfektion sehnen, so hat doch jedes System seine Mängel und nichts ist vollkommen. Ich werde jetzt versuchen, möglichen Argumenten zuvor zu kommen, die manche von Ihnen gegen die Realisierbarkeit des Grand Prix’ vorbringen könnten sowie auch möglichen Einwänden, dass nicht alle Spieler, die am Grand Prix teilnehmen, die gleichen Chancen haben. Doch lassen Sie uns vorher noch einen Blick darauf werfen, was uns in Paris erwartet und welche Teilnehmer des Pariser Turniers sich überhaupt noch für das Kandidatenturnier qualifizieren können:

Name
London
Tashkent
Zug/Swiz.
Thessaloniki
Beijing
Paris
Points
Topalov
140
170
45
100
 
410
Mamedyarov
140
80
20
170
 
390
Grischuk
90
85
140
 
230
Caruana
80
100
125
 
225

Da sich alles um die zwei Qualifikationsplätze dreht, habe ich einfach nur die Spieler aufgelistet, die sich tatsächlich noch qualifizieren können.
Wie bereits erwähnt, können die ausgewählten Teilnehmer in vier Grand Prix Turnieren an den Start gehen. Wie man sieht, haben Topalov und Mamedyarov bereits vier Turniere gespielt. Ein Blick auf die Reihe mit der Gesamtpunkzahl ganz rechts verrät, dass Topalov mit seinen 410 Punkten bereits sicher qualifiziert ist, wohingegen Mamedyarov das Geschehen in Paris sicher aufmerksam verfolgen wird. Denn tatsächlich besteht die Gefahr, dass er den zweiten Platz doch noch an einen anderen Spieler abtreten muss, da sowohl Grischuk als auch Caruana die von ihm vorgelegten 390 Punkte noch ganz knapp übertreffen könnten!

Allerdings nur unter einer Bedingung: entweder Grischuk oder Caruana werden alleiniger Erster, denn nur so bekommen sie die nötigen 170 Punkte. In der Tabelle oben habe ich die schlechtesten Ergebnisse von Grischuk und Caruana bereits entfernt, und wenn sie zu den rot markierten Zahlen 170 hinzufügen, dann sehen Sie, dass Mamedyarov noch nicht aus dem Schneider ist.

Natürlich kann man sich fragen, ob es nicht besser ist, im letzten Grand Prix der Serie zu starten, um die Situation überblicken zu können, ein klares Turnierziel vor Augen zu haben und alles geben zu können, um das Turnier zu gewinnen oder auf Sicherheit zu spielen, um das bereits Erreichte nicht mehr aus Spiel zu setzen? Und was ist mit den anderen Spielern? Könnte es nicht sein, dass sie nicht mehr motiviert sind, da sie keine Chance mehr haben, sich zu qualifizieren?
Ich habe noch nie von einer Medaille mit nur einer Seite gehört; außerdem gibt es Perfektion nur auf den Blättern der Mathematiker. Der wirkliche Reiz eines solches Turniers wie diesem in Paris liegt genau in seinen ‘Mängeln’. Genau dieser ‘Vorteil’ eines klar umrissenen Ziels kann man auch als eine zusätzliche Last begreifen, die auf den Schultern von Grischuk und Caruana ruht. Und was die so genannten unmotivierten Spieler betrifft, ist dieses Turnier für sie nicht eine Möglichkeit, völlig frei aufzuspielen, einfach nur Schach zu spielen und …Preise zu gewinnen?!

Ich fürchte, ich werde diese Fragen nicht letztendlich beantworten können, aber das kommende Grand Prix Turnier in Paris wird diese Dinge klären und unsere Geduld und unsere Sehnsucht nach Drama befriedigen. Deshalb und egal, wie man die Dinge sieht, würde ich auf ein sehr interessantes, aufregendes und mit Sicherheit nicht langweiliges Turnier wetten!
Und noch ein letzter Farbtupfer für Sie: Elegant bis ins Mark verblüfft mich Paris immer wieder durch seine beneidenswerte Nonchalance, mit der die Stadt einen gerade durch ihre fehlende Perfektion von ihrer Perfektion überzeugt! Warum akzeptieren wir dann unsere Schwächen nicht auf die gleiche souveräne Weise wie Paris es tut?! Voltaire hat es noch besser ausgedrückt: “Das Perfekte ist das Feind des Guten”.

Ein Turnier ist ein wenig so wie das wahre Leben; die Regeln sind immer fair, aber der Zufall und das Unvorhergesehene kann uns unterschiedliche Rollen zuteilen; es hängt mithin von jedem von uns ab, unsere Karten so gut zu spielen, wie wir können.

Start- und Preisgeldliste

No.
Player
Nat.
Rating
w-rnk
1
Caruana, Fabiano
ITA
2796
3
2
Grischuk, Alexander
RUS
2785
4
3
Nakamura, Hikaru
USA
2772
9
4
Gelfand, Boris
ISR
2764
11
5
Dominguez, Leinier
CUB
2757
12
6
Ponomariov, Ruslan
UKR
2756
13
7
Wang, Hao
CHN
2747
14
8
Giri, Anish
NED
2737
20
9
Ivanchuk, Vassily
UKR
2731
22
10
Bacrot, Etienne
FRA
2714
31
11
Fressinet, Laurent
FRA
2708
37
12
Tomashevsky, Evgeny
RUS
2706
40
 
No.
Prize
GP Pts
1
25,000
120+50
2
22,500
110+30
3
20,000
100+10
4
17,500
90
5
15,000
80
6
13,000
70
7
12,000
60
8
11,000
50
9
10,000
40
10
9,000
30
11
8,000
20
12
7,000
10

 

Grand Prix-Serie - Ergebnisse und Punkte

Name  CTY 2012 2013             Worst Best
    London Tashkent Zug Thessaloniki Beijing Paris 2012 2013 Result 3 Res.
    20 Sep - 4 Oct 21 Nov - 5 Dec 17Apr-01May 21 May -04 Jun 3 - 17 Jul 18 Sep - 02 Oct London Tashkent Zug Thessaloniki Beijing Paris    
Topalov, Veselin  BUL  2752   2771 2793 2767   140 170 45 100   45 410
Mamedyarov, Shakriyar AZE  2729 2764 2766 2761   140 80 20 170   20 390
Grischuk, Alexander RUS  2754   2779 2780 X 90   85 140   0 315
Caruana, Fabiano ITA   2786 2772 2774 X   80 100 125   0 305
Morozevich, Alexander RUS    2748 2758 2760 2736     140 75 25 65   25 280
Karjakin, Sergey  RUS    2775 2786 2776 X   140 50 65   0 255
Wang, Hao CHN 2742 2737 2752 X 70 140   30   0 240
Ponomariov, Ruslan UKR   2741 2733 2742 X   50 100 85   0 235
Leko, Peter HUN 2737 2732 2744 2737   80 50 50 100   50 230
Dominguez Perez, Leinier CUB 2725 2726 2723 X 35 20   170   0 225
Nakamura, Hikaru  USA  2783   2767 2775 X 15 140 60   0 215
Kamsky, Gata USA    2762 2741 2741 2763     10 75 125 10   10 210
Gelfand, Boris ISR 2738 2751 2773 X 140 30   30   0 200
Kasimdzhanov, Rustam UZB 2684 2696 2709 2699   35 80 20 70   20 185
Giri, Anish NLD 2730   2727 2734 X 15 50 65   0 130
Svidler, Peter RUS    2747 2769 X   50   45   0 95
Ivanchuk, Vassily UKR 2769   2755 2733 X 55   10 30   0 95
Wang,Yue CHN     2705         65   0 65
Adams, Michael ENG 2722     55     0 55
Bacrot, Etienne FRA     2725       25   0 25
Radjabov, Teimour  AZE      2793     X   20     0 20
                   
    2738,8 2747,1 2755,6 2752,9 2751,4   870 870 870 870 870 0    
    12 12 12 12 12 12                

 

Der Spielort:

Die Chapelle de la Villedieu (Foto: Wikipedia) wurde 1180 vom Orden der Tempelritter erbaut. Sie ist die erste Station auf der Route von Paris nach Chartres auf der Pilgerstrecke des Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Galizien, wo gemäß der Legende die Gebeine des Apostels Jakobus begraben sind.

Hier wird in Kürze Schach gespielt

 

Offizielles Hotel: Pullman Versailles in Paris

Spielort: Chapelle de la Villedieu

Organisation: FIDE zusammen mit FFE (Präsident - Diego Salazar und Executive Director - Laurent Verat)

Schiedsrichter: IA Luarent Freyd

Zweiter Schiedsrichter:  Anastasia Sorokina

Chef des Schiedsgerichts: Israel Gelfer

Pressechef: Alina l'Ami

Offizielle Seite...

 

Von Alina L'Ami (Pressechef)

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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