Grand Swiss: Appetit auf mehr

von André Schulz
17.10.2019 – Gestern wurde beim FIDE chess.com Grand Swiss ein Ruhetag eingelegt. Heute geht es weiter. In den bisherigen sechs Runden gab es viele Geistesblitze. Hier eine kleine Auswahl. | Foto: John Saunders

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Beim FIDE chess.com Grand Swiss auf der Isle of Man ist fast die ganze Weltelite versammelt. Bislang sind sechs Runden gespielt. Die Halbzeit ist also bereits überschritten. Fünf Runden liegen noch vor den Spielern. Der Turniersieger qualifiziert sich für das kommende Kandidatenturnier. Fabiano Caruana und Wang Hao liegen mit 5 Punkten in Führung. Magnus Carlsen hat sich nach etwas verhaltenem Beginn jetzt in die unmittelbaren Verfolger eingereiht und wird am Kampf um den Turniersieg noch teilnehmen. Im Hinblick auf die Qualifikation zum Kandidatenturnier spielt er natürlich keine Rolle. Caruana übrigens auch nicht. 

Zu den Spielern, die in den vergangenen Jahren ja eigentlich "immer" um die Weltmeisterschaft mitgespielt haben, gehören Anand, Aronian, Grischuk oder auch Karjakin. 

Anand musste gleich in der ersten Runde eine Niederlage hinnehmen, hat sich wieder nach oben gekämpft und kommt auf 4 Punkte. Auch Karjakin hat 4 Punkte auf dem Konto, nach zwei Siegen und vier Remis. Einen Sieg mehr konnten Aronian und Grischuk verbuchen. Sie gehören mit ihren 4,5 Punkten wie Carlsen zu den unmittelbaren Verfolgern des Führungsduos.

Von den jungen Leuten ist Parham Maghsoodloo mit 4,5 Punkten am besten im Rennen. Bester Deutscher ist weiterhin Matthias Blübaum, auch nach seiner Niederlage gegen Nikita Vitiugov. Seine 3,5 Punkte sind für Platz 27 gut.

Matthias Blübaum | John Saunders

Mit der Punktzahl befindet sich der deutsche Nationalspieler in guter Gesellschaft und liegt nach Feinwertung zum Beispiel noch vor Wesley So oder Peter Svidler. Auch Vincent Keymer (3 P.) und Niclas Huschenbeth (2,5 P.) liegen in ihrer Eloleistung klar über Par.

Die besten Frauen im Feld kommen ebenfalls auf 2,5 Punkte. Harika Dronavalli hat von diesen die beste Feinwertung.

Nicht nur an den vorderen Brettern wird tolles Schach gespielt. Auch die Spieler aus der "zweiten" Reihe produzieren bisweilen Glanzpartien und hübsche Kombinationen. Hier folgen einige Appetithappen für die heutige 7. Runde.

Zum Auftakt Matt:

 

Mit g7-g5 hat sich Schwarz am Königsflügel geschwächt. Weiß möchte nun Mattsetzen. Das Angriffsfeld ist h7. Wo müssen die Figuren dann stehen? Richtig: Die Dame muss auf die h-Linie und wir brauchen einen Läufer auf e4. Der Rest ist nun einfach:

16.e5 dxe5 17.Dh5 Sc2 18.Sh4 Sxe1 19.Le4 Te8 20.Dxh7+ Kf8 21.Sf5 Lc8 22.Sh6 Dd7 23.d6 1-0

 

Im nächsten Beispiel sitzt Irina Bulmaga auf der richtigen Seite:

 

39... Tc1+ 40.Dxc1 d2+ 41.Dc2 d1D# 0-1

 

Kacper Piorun hatte gegen Anna Zatonskih keine Probleme:

 

Alle weißen Figuren stehen gut. Der Angriff kann beginnen:

31.Txf6 Dxf6 32.Sxe4 Dg7 33.Lg5 Tfe8 34.Lxf7+ Kh8 35.Dh4+ Dh7 36.Lf6# 1-0

 

In der 5. Runde kam Anna Zatonskih auch gegen Nihal Sarin böse unter die Räder:

 

Eine Stellung aus dem Damengambit. Weiß steht schon auf Gewinn, wie der junge indische Großmeister nachweist, und zwar so:

18.Lxd7 Dxd7 19.Se5 De6 [19...Dc8 20.Sxg6+-] 20.Sb5 Ld8 21.Sxf7 Dxe1 [21...Dxf7 22.Sd6+-] 22.Dxg6+ Kf8 23.Dh6+ Kg8 [23...Kxf7 24.Sd6++-] 24.Dh8+ Kxf7 25.Sd6+ 1-0

Schach kann so einfach sein.

Nihal Sarin | Foto: John Saunders

 

Schon in der 3. Runde hatte Nihal Sarin keine Angst vor Damen gezeigt und war gegen Vera Nebolsina zu einem schwungvollen Angriffsssieg gekommen - mit ezwas Hilfe seiner Gegnerin.


1.d4 Sf6 2.Lf4 g6 3.Sc3 d5 4.e3 Lg7 5.h4 h5 6.Sf3 0-0

[Firouzja spielte gegen Sarin 6...c6 7.Se5 Sfd7 8.Sd3 Sa6 9.Le2 Sc7 10.Dd2 Se6 11.Lh2 Da5 12.a3 Dd8 13.Lf3 a5 14.Se2 a4 15.Sef4 Sxf4 16.Lxf4 Sb6 17.Se5 Lf5 18.Le2 Sc8 19.c4 Sd6 20.cxd5 cxd5 21.Db4 0-0 22.0-0 usw. 1-0 (52) Nihal,S (2606) -Firouzja,A (2682) Xingtai 2019]

7.Se5 c6 8.Le2 Sfd7?!

[Erlaubt den nächsten Zug. 8...Sbd7!?]

9.g4 Sxe5 10.Lxe5 Lxg4?!

[Mehr Gegenspiel bot 10...Lxe5 11.dxe5 Db6]

11.Lxg4 hxg4 12.Dxg4 Sd7 13.f4

[h4-h5 ist schon eine tödliche Drohung, aber vielleicht war 13.Dg3!? doch genauer]

13...Dc8

[13...f6 14.h5 fxe5 15.De6+ Tf7 16.hxg6+-]

14.Dg3

[Der Damentausch nach 14.h5 Sxe5 ist natürlich nicht im Sinne von Weiß.]

14...f6

 

15.h5

Die kritische Stelle. Die richtige Verteidigung war 15...fxe5 16.h6 Lf6 17.dxe5 (17.Dxg6+ Kh8 18.dxe5 Tg8 19.Dh5 Sxe5 20.fxe5 Tg5=) 17...Kh7 18.Tg1 Tg8 19.exf6 Sxf6 20.0-0-0 De6 21.Df3=] 

Schwarz spielte aber 15...gxh5? 16.0-0-0 [Den Angriff auf der offenen g-Linie hält Schwarz nicht aus.] 16...fxe5 17.Tdg1 Tf7 18.dxe5 Sxe5 19.Txh5 Sg4 20.Dh4 e5 21.Txg4 Kf8 22.Txg7 Txg7 23.Th8+ Kf7 24.Dh5+ Ke7 25.Dxe5+ 1-0

 

Im folgenden Beispiel gibt es hübsche gemischte Motive. David Howell hat tief gerechnet:

 

Schwarz gewinnt mindestens eine Figur, mit: 25... Dh1+ 26.Ke2 Txe3+! 27.Kxe3

[27.fxe3 Dxg2+ 28.Kd3 Dxc2+ 29.Kxc2 Lg3. Die Pointe.]

27...Dxe1+ 28.Kf3 Ld6. Mit Figurengewinn, aber es ist noch nicht zu Ende... 

29.Dh7+ Gegenangriff!

29...Kf8 30.Dh8+ Ke7 31.Dxa8

Im Moment hat Weiß eine Qualität mehr, jedoch... 31...Dd1+ 32.Ke4 Dc2+ 33.Ke3 Lc5+ 34.Td4

[Oder 34.Kf3 Dxf2+ 35.Kg4 Dxg2+ 36.Kf5 (36.Kf4 g5+ 37.Kf5 Df3+ 38.Tf4 Dxf4#) 36...Df3+ 37.Tf4 g6#]

34...Dxb2 Jetzt ist es zu Ende 0-1

 

In Runde drei kam es zu einem chinesischen Duell in einer italienischen Partie:

 

Optisch steht Schwarz mit seinen Zentrumsbauern gar nicht so schlecht. Taktisch steht er auf Verlust. Die Angriffsmarken sind der Läufer auf c5 und der Turm auf f7 (plus Nebenmotive):

17.c4! Dd6

[17...Sxc4 18.Lxc4 Dxc4 19.Tc1 mit Figurengewinn.]

18.Sg5 Lf5

[18...Lxe2 19.Dxe2 Tc7 20.Se4 gewinnt eine Qualität für Weiß, war aber noch am besten für Schwarz.]

19.Sxf7 Kxf7 20.Ld3 e4

[20...Lxd3 21.Dxd3 Kg8 22.Tae1]

21.Sxc5 Dxc5

[21...exd3 22.Sxb7]

22.Dh5+ Kf6 23.Lxe4 [Mit hässlicher Fesselung des Lf5.] 

23...Sa4

Jetzt noch zwei kräftige Schläge: 24.b4! De5

[24...Dc8 25.Dh4+ Kf7 (oder 25...g5 26.Dh6+ Kf7 27.Dh5+ Lg6 28.Lxg6+ hxg6 29.Dh7+ Kf6 30.f4 g4 31.f5+-) 26.Lxf5 Dxf5 27.Dxd8+-]

25.f4! Dxe4 26.Tae1 [26... Dc6 27.Dg5+ Kf7 28.Te7+ Kf8 29.Dxg7#] 

1-0

 

Tamir Nabaty sprang Erwin l'Ami in der 5. Runde heftig an. Nach einer wilden Partie behielt der Israeli recht.

 

29. Sxf6 Txf6 30.Texe2 Fesselung!

 

In der 6. Runde lieferten sich Levon Aronian und Alexey Dreev eine spannende Schlacht:

Dreev und Aronian | Foto: John Saunders

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.g3 d5 4.exd5 exd5 5.Lg2 De7+ 6.Kf1 Sc6 7.d4 Dd8

[Bent Larsen spielte hier 1962 gegen Vasjukov 7...Sf6 verlor aber auch.]

8.c4! dxc4 9.d5 Sb4 10.Sc3 Sf6 11.Se5 Ld6 12.Sxc4 Lf5 13.Se3 Lg6 14.a3 Sd3 15.f4 0-0!?

[Schwarz gibt eine Figur, um auf der f-Linie zum Angriff zu kommen. 15...Dd7!?]

16.f5 c4 17.fxg6 fxg6 18.Lf3

[18.Sxc4 Sg4+ mit Gegenspiel.]

18...Sd7 19.Kg2 S7e5 20.Sxc4 Txf3 21.Sxe5

 

21... Tf2+? Der Mattangriff hat ein Loch.

[Hier war 21...Sxe5 22.Te1= angesagt.]

22.Kg1 Db6

[Das war die schwarze Idee, mit schrecklichen Abzugsdrohungen, aber...]

23.Le3! Der einzige Zug, aber ein guter. 23... Dxb2 [23...Dxe3 24.Dxd3 Db6 25.Sa4] 24.Sxd3 Tg2+ 25.Kf1 Tf8+ 26.Lf4 1-0

Heute geht es ab 16 Uhr auf der Isle of Man weiter, mit vielen weiteren großartigen Partien.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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