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Ich habe die Turniere in Norditalien immer sehr gemocht: Gute Organisation, schöne Umgebung, nette Leute, angenehmes Wetter – was will man mehr? Nach einer 10-jährigen Pause freute ich mich daher über die Gelegenheit, mal wieder ein italienisches Turnier zu besuchen. Und das Open in Spilimbergo erfüllte alle oben genannten Kriterien aufs Beste. Auch die Spielbedingungen in der geräumigen Halle waren sehr angenehm.
Ein bisschen "Olympiade-Feeling"
Selten habe ich bei einem Open so viele nette Nebenveranstaltungen erlebt. Ein besonderes Vergnügen für Kinder und alle, die Lust hatten, war die riesige Schachtorte, die extra für dieses Turnier gebacken und bei einem abendlichen Simultan mit vier jungen italienischen Meistern in der Altstadt zur Schau gestellt wurde. Während die Randstücke an die Simultanteilnehmer und die Zuschauer verteilt wurden, spielten Marina Brunello (amtierende italienische Meisterin) und ihr Bruder Sabino (Mitglied der italienischen Nationalmannschaft) eine Partie Tortenschach.
Bei dem riesigen Tortentisch war es schwer, bis an die gegnerische Grundreihe zu reichen…
Dann schon lieber zu Fuß um die Torte herum!
Ein anderes Highlight war der Besuch von Anatoly Karpov, der eine Pressekonferenz und eine Simultanvorstellung gab.
Der Exweltmeister führte den ersten Zug diesmal nicht am ersten Brett aus, sondern zur Freude der dortigen Spieler an einem ausgelosten Brett im B-Turnier.
In den letzten zehn Jahren hat sich im italienischen Schach einiges getan, mit einer neuen Generation junger starker Spieler, von denen viele auch in Spilimbergo dabei waren. Neben den Geschwistern Brunello waren das zum Beispiel Luca Moroni (ital. Meister 2017), Pier Luigi Basso (Elo 2576), Lorenzo Lodici (ital. Meister 2018) und Francesco Sonis (U16-Europameister 2018).
Lorenzo Lodici, amtierender italienischer Meister
Pier Luigi Basso erzielte in den beiden letzten Spilimbergo-Turnieren zwei seiner GM-Normen
Aber auch die ältere Generation ist alles andere als abgemeldet. Die italienischen "Jungsenioren" in der Altersklasse Ü50 sind amtierende Europameister und Vize-Weltmeister!
Die ältere Garde wird angeführt vom langjährigen ital. Spitzenspieler Michele Godena
In den Kampf um die ersten Plätze konnte diesmal in Spilimbergo allerdings keiner der einheimischen Spieler eingreifen. Hier lieferten sich der weißrussische GM Vladislav Kovalev und Ivan Saric (Kroatien) ein enges Rennen, und schließlich gingen beide mit 7,5/9 punktgleich ins Ziel. Dritter mit 7 Punkten wurde der Österreicher Valentin Dragnev.
Links Dragnev – Kovalev, rechts Saric – Sardana
Der australische IM Rishi Sardana war der Pechvogel des Turniers. Nach 6 Runden lag er mit 5/6 bestens auf Normkurs, in der siebten Runde gegen Ivan Saric ereignete sich dann das Drama. Zunächst vergab er ein klar vorteilhaftes Endspiel und musste schließlich das Endspiel "Turm und Läufer gegen Turm" verteidigen. Das gelang ihm auch 52 Züge lang – um dann aufzugeben! Der Schiedsrichter glaubte zunächst, sich verhört zu haben. Beide Spieler hatten mitgeschrieben: Ob Sardana die Züge falsch gezählt oder ganz einfach die 50-Züge-Regel vergessen hatte, war nicht klar. Jedenfalls konnte sich der 22-jährige Australier in diesem Turnier nicht mehr berappeln: Er verlor auch in der achten Runde eine deutlich bessere Stellung und schließlich auch die letzte Partie.
Neben dem Masters-Turnier mit Elo >2000 gab es drei weitere Turniere in verschiedenen Ratinggruppen. Im B- und C-Turnier kamen auch viele Kinder zum Zug. Auch in der Jugendförderung ist der hiesige Verein "Le Due Torri" sehr engagiert und weit über die Region hinaus bekannt.
Schach ist für keinen zu hoch: Es ist alles eine Frage der Technik! Der 6-jährige Weißspieler, Simeon Niederfriniger, gewann den Pokal in der Altersklasse U8.
Spilimbergo hat eine sehr schöne Altstadt, die in den letzten Turniertagen von allerlei "seltsamen Gestalten" bevölkert wurde. Am Wochenende fand nämlich ein großes Mittelalterkulturfest mit vielen Ständen und künstlerischen Darbietungen statt.
Eine mittelalterliche Musikgruppe zieht durch die Altstadt.
Berühmt ist Spilimbergo auch als Stadt der Mosaike – in der hiesigen Mosaikschule kann man auch heute noch die alte Kunst des Mosaiklegens lernen. Die Schule mit ihren viel dort ausgestellten Kunstwerken ist außerdem jederzeit zu besichtigen. Und natürlich finden sich auch sonst an vielen Ecken der Stadt Mosaike.
In Spilimbergo sind auch (manche) Bäume und Hunde aus Mosaiken gefertigt.
Ein gewölbtes Schachbrett?! Wie das zugrunde liegende Bild von Victor Vaserely handelt es sich hier um eine optische Täuschung.
Die "Stadt des Mosaiks" ist auf dem besten Weg, sich auch als "Stadt des Schachs" einen Namen zu machen. Dem Organisationsteam rund um Andrea Bisaro war die gelungene Veranstaltung in diesem Jahr jedenfalls noch nicht genug: Für die nächsten Jahr sind weitere, noch größere Turniere geplant.