Ein Turnier für das Guiness Buch der Rekorde: Das Aeroflot Open 2007
Von Misha Savinov
Großmeister Evgeny Alekseev, der Gewinner des Superfinales der Russischen Meisterschaft
belegte beim Aeroflot Open 2007 einen klaren ersten Platz - übrigens das erste
Mal in der Geschichte des Turniers, dass jemand dieses Doppel gelang. Zwischendurch
gewann Evgeny auch noch die Blitzmeisterschaft von St. Petersburg und damit
gelang ihm beim Aeroflot Open der Hattrick. Eine gute Leistung! Alekseev ist
ein sehr vielseitiger Spieler. Sein Vorbild ist Capablanca - einfaches, aber
sehr gesundes, positionelles Schach verbunden mit kleinen Kombinationen. Die
Gegenwart des erfahrenen Igor Khenkin, der Evgeny in diesem Turnier unterstützte,
fügte dem noch eine feine Komponente Psychologie hinzu, was zu einer Reihe wertvoller
Siege führte.
Evgeny Tomashevsky, ein weiterer viel versprechender russischer Spieler, landete
auf dem zweiten Platz, wobei er den denkbar geringsten Vorsprung auf Dmitry
Jakovenko hatte - ein einziger Punkt bei der kombinierten Wertung der Elo-Zahlen
ihrer Gegner! Tomashevsky ist ebenfalls ein positioneller Spieler, aber auf
etwas originellere Weise. Dem Großmeister aus Saratov mangelt es vielleicht
an hochklassiger Eröffnungsvorbereitung, aber er ist ein raffinierter Stratege
und seine Umklammerung ist tödlich.
Jakovenko entwickelt ein Keres-Syndrom - seit kurzem wird er in jedem wichtigen
Turnier Zweiter. Das Superfinale, Pamplona, Wijk aan Zee B und jetzt Aeroflot
- wirklich eine imposante Serie! Wetten Sie beim bevorstehenden Poikovsky nicht
auf den Falschen.
Die Chinesen Wang Yue und Ni Hua gehörten mit ihren Siegen in der Schlussrunde
etwas überraschend zu der Gruppe von Spielern, die auf dem geteilten zweiten
Platz landeten. Ich gebe zu, dass ich mir ihre Partien nicht sehr gründlich
angeschaut habe und deshalb nichts über ihre Spielerpersönlichkeiten sagen kann.
Alles in allem prägten die chinesischen Teilnehmer das diesjährige Aeroflot
Open maßgeblich und es ist kein Wunder, dass zwei von ihnen am Ende an der Spitze
landeten.
Die Sieger der Vorjahre, Baadur Jobava und Emil Sutovsky, kämpften in ihrer
Schlussrundenbegegnung bis zur Erschöpfung gegeneinander, bis sie sich schließlich
auf Remis einigten, was ihnen den geteilten 6. bis 9. Platz brachte, gleichauf
mit Zoltan Almasi und Sergey Volkov. Jobava führte das gesamte Turnier hindurch
ein recht entspanntes Leben. Wer jedoch meint, dies hat ihn daran gehindert,
ein besseres Ergebnis zu erzielen, dem möchte ich entgegen halten, dass die
Leute ihre Energie aus unterschiedlichen Quellen schöpfen und es uns nicht ansteht,
hier ein Urteil zu fällen.
Emil Sutovsky erholte sich nach zwei Niederlagen in der zweiten und dritten
Runde glänzend, indem er vier Partien nacheinander gewann, dann jedoch einen
Gewinn in der achten Runde übersah, in der ihm eine brillante positionelle Partie
gegen Wang Yue gelang.
Vladimir Akopian war die ganze Zeit nahe an den Führenden dran, aber eine Niederlage
gegen Jakovenko warf ihn aus dem Wettbewerb. Krishnan Sasikiran, ein anderer
Elo-Favorit, verlor viele Wertungspunkte und kam nicht ins Preisgeld - kein
ungewöhnliches Schicksal für Elo-Favoriten bei den Aeroflot Open.
Der Linares-Mann, Paco Vallejo, begann mit 0/2, rettete aber am Ende das Turnier
und landete bei +2, genau wie Alexander Khalifman und die Turnierüberraschung
Stanislav Novikov. Letztgenannter erzielte nur einen halben Punkt aus den drei
letzten Runden. Zufälligerweise begann der Niedergang, als Novikovs Partien
nicht auf der offiziellen Seite übertragen wurden.
Zwei wichtige Schlussfolgerungen kann ich aus dem Aeroflot Open 2007 ziehen.
Erstens verbessert sich die finanzielle Situation der Schachspieler deutlich,
da viele von ihnen ein Turnier mit einem Siegpreis von 30.000,- US-Dollar auslassen
können. Es gab weniger Spitzen- oder Beinahspitzenspieler als 2004 oder 2005.
Liegt das am Online Poker? Ich bezweifle es.
Zweitens machen sich die Investitionen des Russischen Schachverbands schneller
als erwartet bemerkbar. Ildar Khairullin und Ian Nepomniachtchi, beide 16 Jahre
alt, fühlten sich zwischen den Großmeistern mit 2550-2700 Elo zuhause und drei
weitere Teilnehmer des kürzlich beendeten Superfinales gewannen einfach das
Turnier. Beachten Sie, dass Alekseev in der letzten Runde den olympischen Meister
Gabriel Sargissian geschlagen hat. Eine Mannschaft für das nächste internationale
Turnier auszuwählen wird nicht so automatisch vonstatten gehen können wie zuvor.
Und schließlich ist das Aeroflot Open immer noch der weltbeste Pool für junge
aufstrebende Spieler, die die gesamte Karriereleiter vom C- bis zum A1-Turnier
in ein paar Jahren erklimmen können. Die Chinesen begreifen das besser als jedes
andere Land und schickten eine der größten Delegationen. Ich bin überrascht,
dass keine Amerikaner am Turnier teilnahmen (außer Alexander Ivanov). Im Aeroflot
zu spielen half sowohl Aronian als auch Carlsen (wenngleich auch nicht finanziell)
und man sollte eine solche Trainingsgelegenheit nicht versäumen. Auch nicht,
wenn man Hikaru heißt!
Das Izmailovo Hotel bot eine breite Auswahl an Möglichkeiten zur Zerstreuung
und alle Spieler, mit denen ich redete, waren mit ihrem Aufenthalt in Moskau
und ihrem gesellschaftlichen Leben beim Turnier ziemlich zufrieden. Zwei nationale
Sportkanäle sendeten täglich Turnierneuigkeiten im Fernsehen und machten am
letzten Tag ein Interview mit dem Turniersieger. Türkische, indische und israelische
Journalisten waren sehr aktiv im Pressezentrum und überschwemmten ihre Webseiten
mit den aktuellsten Nachrichten.
Die Zuschauer kamen unaufhörlich, um die Partien im Spielsaal und auf den Bildschirmen
zu verfolgen (obwohl manche dann doch lieber Blitzpartien im Analyseraum spielten).
Alles war so wie es im einen Turnier für das Guiness Buch der Rekorde sein sollte.
Fußball-, Basketball-, Tennisduelle - das ist kurzfristige, kommerziell gut
verwertbare, konzentrierte Aufregung. Schach Open gleichen eher Musikfestivals.
Geld ist zwar auch im Spiel, aber an allererster Stelle steht immer noch die
Atmosphäre. Die Leute treffen sich, reden, gehen miteinander aus und genießen
das Leben. Das ist unbezahlbar. Schach ist in diesem Fall nur ein Vorwand. Kommen
Sie und überzeugen sich selbst.
Analyse in guter Gesellschaft: Lahno, Nepomniachtchi, Mamedov
Yussupov und Wang Hao
Azmai und Gijssen
GM Sedlak spielt mit Freunden Zeitvorgabepartien im Hotelsaal
Ein Flakon mit stark riechender Flüssigkeit: Wang Yues Luftfrischmacher
Ilya Nyzhnyk (links) spielte mit jedem Blitz
Sutovsky verpasste in der 8. Runde ein Gewinn
Runde 8 ist im Gang
Alisa Galliamova erforscht die 'Geheimnisse des schachlichen Denkens'
Tomashevsky gegen Jakovenko in Runde 9: ein schnelles Remis, was Tomashevsky
sehr erleichtert haben dürfte - ihr individuelles Ergebnis lautet 0-4
Miss Lahno
Minasian und Novikov - jeder der beiden könnte nach Dortmund fahren, falls sie
ihre Partie in der 9. Runde gewinnen
Gabriel Sargissian hatte ebenfalls eine günstige Farbverteilung beim Tiebreak,
aber verlor genau wie Minasian in der letzten Runde
Evgeny Alekseev möchte nicht prüfen, wie gut Aronians Sekundant mit aktuellen
Modevarianten vertraut ist
Große Namen mit +2: Paco Vallejo und Alexander Khalifman
'Faust' und Soda
Warten auf Mr. Alekseev
Andrzej Filipowicz, Bulat Asanov und Lev Psakhis im Pressezentrum
Drei Aeroflot-Gewinner: 2005, 2006 und 2007
Vorbereitungen auf ein Interview
Zuschauer jeden Alters und jeder Spielstärke
Yury Dokhoyan studiert die neuesten Partien seiner augenblicklichen Schüler,
der Kosintseva-Schwestern
Maria Fominykh - Rauf Mamedov; Zeitvorteil: 5 zu 1
Bulletpartien sind ziemlich populär
Wang Yue knetet Stanislav Novikov
Baadur Jobava: Nicht neidisch auf den neuen Sieger!
Die Schlussfeier
Die Preisgeldwarteschlange
Vugar Gashimov beeindruckt Paco Vallejo
Gashimov-Petrosian: eine Schlagzahl von drei Zügen pro Sekunde