Starke Deutsche beim Xtracon Chessopen 2016 in Kopenhagen
Bereits zum 32. Mal wurde das Kopenhagen Chess-Open ausgetragen. Für mich war es die erste Teilnahme bei diesem Open und ich war begeistert. Bekannt geworden ist das Turnier unter dem Namen „Politiken-Cup“. Der bisherige Hauptsponsor „Politiken“ ist eine der größten dänischen Tageszeitungen. Aus dem Kreise eines früheren regelmäßigen Turnierteilnehmers ergab sich, dass man nun einen neuen Hauptsponsor fand. Dabei handelt es sich um die Firma Xtracon SA, ein dänischer IT-Dienstleister, welcher nicht nur als Sponsor und neuem Namensgeber des Turniers in Erscheinung tritt, sondern auch bei der technischen Ausstattung des Turniers behilflich war. Gemäß Begrüßungsansprache wurde eine Vereinbarung für zunächst drei Jahre geschlossen, womit auch für die beiden folgenden Jahre eine Ausrichtung des Turniers finanziell gesichert ist.
Skyline von Helsingor
Das Turnier existiert bereits seit dem Jahr 1979, als es mit 22 Teilnehmern startete, wie die erste Frage im Pub-Quiz offenbarte. Inzwischen hat sich das Turnier mit nahezu 400 Teilnehmern im Turnierkalender etabliert und gilt als eines der beliebtesten Schach-Open weltweit. Wurde es bis vor sechs oder sieben Jahren immer in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen an verschiedenen Orten ausgetragen, fand das Turnier inzwischen im rund 45 Kilometer nördlich gelegenen Helsingor ein „neues Zuhause“.
Blick von der Seeseite
Ausrichtungsort ist das im Jahre 1969 fertig gestellte Kultur- und Kongresszentrum „Konventum“. Eigentlich ist der Gebäudekomplex, in einer großen grünen Parkanlage gelegen, schon selbst ein architektonisches Kunstwerk nebst zahlreichen Skulpturen und Bildern, welche man überall, auch in den Nebengebäuden finden kann.
Treppenhaus im Konventum
Außen wurde von einigen GMs mehr oder weniger regelmäßig ein Bolzplatz zum Kicken genutzt. Neben einem großen Kongressraum, welcher den ersten 11 Brettern und ein paar Zuschauerreihen Platz bot, gibt es auch einen Kinosaal-ähnlichen Raum, in welchem noch viel mehr Zuschauer Platz fanden und in welchem eine Live-Kommentierung durch einen dänischen FM und einem prominenten Gast (dazu später mehr) sowie mehrere Abend-Events stattfanden. Anders als bei vielen anderen Open, gab es nicht einen zentralen großen Spielsaal sondern die rund 200 Bretter wurden auf rund ein Dutzend Räume im gesamten Gebäudekomplex verteilt. Oftmals fanden sich nur 5 oder 10 Bretter in einem Raum, sodass man in sehr ruhiger Atmosphäre Schach spielen konnte. Eigens für einen Blindschachspieler und einen Rollstuhlfahrer hatte man separate Räume mit nur je einem Brett eingerichtet und diesen Spielern feste Bretter zugeordnet.
Rasmus Svane im Feld
Das Konventum bot mit seinen rund 200 Hotelzimmern vielen der weiter angereisten auswärtigen Schachspieler eine ideale Unterkunft mit hervorragendem, reichhaltigem Frühstücksbuffet und leckerem, aber nicht unbedingt preiswertem, dafür übersichtlichem Abendbuffet. Anders als bei einzelnen anderen Open hatte man hier sehr viel Platz an den Brettern. Es gab überall Namensschilder, Werbeschilder des neuen Hauptsponsors und bis zum letzten Brett wurden mit Holzfiguren gespielt. Kostenlose Getränke (Kaffee, Tee, Wasser mit Eiswürfeln) waren für alle Spieler im ganzen Gebäudekomplex jederzeit kostenlos verfügbar. Löblich war auch, dass sämtliche Partien des Turniers innerhalb kürzester Zeit jeweils kurz nach Beendigung der Runde auf der Turnier-Internetseite abrufbar waren. Überhaupt war die Internetseite sehr gut gepflegt und enthielt viele aktuelle Informationen.
Rahmenprogramm
Besonders beeindruckt war ich von dem Rahmenprogramm. Positiv erinnerte ich mich diesbezüglich bereits an die Open in Gibraltar und Reykjavik, etwas weniger positiv an Wien. Aber beim Xtracon Chessopen war ich schlichtweg begeistert. An jedem Tag stellten die Organisatoren interessante Veranstaltungen auf die Beine. Es begann nach der ersten Runde eine Buchvorstellung von IM Silas Esben Lund zum Thema „Geheimnisse von vermeintlich schlechten Läufern“. Es folgte ein Abend mit der Lösung von Schachaufgaben und parallel eine Simultanveranstaltung mit dem jungen dänischen Großmeister Mads Andersen. Er spielte gegen 12 teilweise sehr starke Spieler mit ELO um 2000 und gab nur ein Remis ab. Der junge GM spielte relativ schnell und die Simultanveranstaltung war nach gut zwei Stunden beendet. Nach einem frühen Remis an einem Brett gewann der GM alle anderen Partien und erreichte bemerkenswert gute 11,5 Punkte.
Am nächsten Tag folgte eine Lehrstunde mit GM Mihail Marin und parallel ein Simultan mit IM Rasmus Svane.
Rasmus Svane beim Simultan
Rasmus am Brett seines Bruders
Dieser spielte gegen 9 Spieler – etwas langsamer als sein GM-Kollege am Vortag – und hatte deutlich mehr Mühe. Die Gegner nutzten die ihnen teilweise sehr lange Bedenkzeit gut aus und stellten den jungen deutschen IM, welcher beim nächsten FIDE-Kongress in Aserbaidschan im September den GM-Titel verliehen bekommt, vor einige Probleme. Bis auf die Partie gegen seinen jungen Bruder konnte Rasmus dann doch früher oder später alle Partien zu seinen Gunsten gestalten und das Simultan mit 8 Punkten aus 9 Partien auch erfolgreich nach gut 3 Stunden beenden.
Das Highlight der Turnierwoche begann dann mit der Anreise von Top-GM Boris Gelfand und seinem GM Kollegen und vielfachem Buchautor GM Jacob Aagard. Gelfand kommentierte die Top-Partien mit (es wurden nahezu 50 DGT-Bretter eingesetzt!), wollte sich dann aber schonen. Beim Pair-Blitz sprang dann der gerade von den schwedischen Meisterschaften angereiste Nils Grandelius ein und gewann das Event souverän mit GM Aagard. Die beiden hatten unter dem Team-Namen „Reserver vor Boris“ offenbar viel Spaß. Ebenfalls von den schwedischen Meisterschaften angereist war GM Jonny Hector.
Gute Laune bei Aagard und Grandelius
Am nächsten Tag waren die vielen Zuschauerreihen im Kommentatorenraum fast alle besetzt als die Lehrstunde mit Boris Gelfand stattfand (insgesamt wurden fast drei Stunden daraus). GM Jacob Aagard assistierte und moderierte und stellte viele Fragen an seinen Freund Boris Gelfand. Zu Beginn wurde ein neues Buch der beiden GMs, welches erst in einigen Wochen erscheint, vorgestellt (Dynamic Decision Making in Chess).
Anschließend wurden einige Stellungen aufgebaut und analysiert und Boris Gelfand stellte einzelne Partien seines erst wenige Tage vorher beendeten Wettkampfes gegen GM Ernesto Inarkiev vor. Der Abend war überaus interessant und unterhaltsam. Anschließend wurden die in der Teilnehmergebühr enthaltenen Bücher, welche noch nicht im Handel erhältlich sind, von beiden GMs fleißig signiert.
Boris Gelfand signiert sein Buch, Verleger Jacob Aagard schaut zu
Das sportliche Highlight – neben dem Open – folgte am nächsten Tag, als das Blitzturnier mit über 120 Teilnehmern in mehreren Qualifikationsgruppen startete. Danach wurden weitere Rundenturniere gespielt, wobei die jeweils zwei besten der beiden ersten Qualifikationsgruppen sich für das Halbfinale qualifizierten. Boris Gelfand spielte sehr souverän und gab in den Vorrunden lediglich gegen den stark aufspielenden IM Christian Jepson ein Remis ab.
GM Matthias Blübaum beim Blitzturnier
Blitzfinale GM Boris Gelfand gegen IM Christian Jepson
GM Gelfand gegen IM Svane in der Blitz-Finalrunde
Im Halbfinale gewann Gelfand souverän mit 2:0 gegen den jungen US-Amerikaner Daniel Naroditsky. Im Finale traf er erneut auf IM Jepson und gewann auch hier das Minimatch mit 2:0 und wurde souverän Sieger des Blitz-Events. Am folgenden Tag fand vormittags noch ein Kinderturnier und abends ein Pub-Quiz statt.
Besonders hervorgehoben werden noch der eigens eingerichtete große Schach-Laden mit unzähligen Büchern und DVDs sowie Material und Vor-Ort-Beratung durch Chessbase-Mitarbeiter Martin Fischer an mehreren Tagen.
Martin Fischer
Von einem der Sponsoren, der Firma Quality Chess gab es dann für jeden Turnierteilnehmer einen Gutschein. Man konnte sich im Schach-shop aus einer Buchauswahl ein Exemplar auswählen und auch die Zeitschrift New in chess war mit einem Stand vertreten und bot vergünstigte Abos und kostenlose Probe-/Mitnahmeexemplare an.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Veranstalter einerseits eine große Routine in der Organisation und Durchführung des Events entwickelt haben und andererseits mit einer sehr großen Portion Herzblut bei der Sache sind und sich wirklich viel haben einfallen lassen, das Turnier für die Teilnehmer besonders attraktiv zu gestalten.
Sightseeing: Kopenhagen und Helsingor
Da das Turnier in Helsingor stattfindet, die Zugfahrt bis Kopenhagen rund 40 Minuten dauert und Rundenbeginn bis auf den ersten und letzten Tag immer um 13 Uhr war, ist unter normalen Umständen ein Besuch Kopenhagens während des Turniers nicht möglich. Daher habe ich mich entschieden in der 5. Runde ein kampfloses bye (0 Punkte) zu nehmen. In Kopenhagen führte mich der Weg zur kleinen Meerjungfrau, welche von vielen – mit Bussen – im 10-Minutentakt gebrachten Touristen belagert wurde weiter zu einigen Kirchen, historischen Gebäuden und zentralen Plätzen in Kopenhagen.
Kopenhagen
Das Rathaus von Kopenhagen
Die berühmteste Dänin überhaupt
Bis nach Asien bekannt. Japanische Touristen drängeln sich vor der Kleinen Meerjungfrau
Viel mehr bestand die Möglichkeit vom Konventum einen Bus zum Stadtzentrum bzw. einen kleinen Fußmarsch (ca. 2,5 km) in Kauf zu nehmen und in Helsingor Sightseeing zu machen. Helsingor ist ein sehr schönes kleines gemütliches verschlafenes Städtchen. Früher als Fischerei und Werft- sowie Handelsstandort bekannt geworden, hat es sich inzwischen zu einem kulturellen Zentrum in Dänemark entwickelt. Helsingor ist heute weltweit als moderne Kulturstadt mit dem Beinamen „Home of Hamlet“ bekannt. Das berühmte Drama von William Shakespeare, dessen Handlung sich im Schloss Kronborg in Helsingor zuträgt führte dazu.
Bereits bei der Anreise bemerkte ich die Schönheit des Bahnhofes in Helsingor.
Der Bahnhof von Helsingor
Dieser wurde im Jahre 1891 erbaut und galt seinerzeit als der schönste Bahnhof des Landes. Verglichen mit dem Bahnhof in Kopenhagen bzw. einigen deutschen Bahnhöfen würde ich den Bahnhof Helsingor auch heute noch als den schönsten nennen. Am Bahnhofsvorplatz begrüßen Hamlet und seine Geliebte Ofelia alle Besucher der Stadt in Form von zwei Statuen.
Hamlet und Ofelia
Im Stadtkern befinden sich viele prächtige Steinhäuser wie u.a. auch das Rathaus der Stadt mit roten Sandsteinen. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch die Nikolaikirche, welche in 2009 ihr 450-jähriges Jubiläum feierte. Die ältesten Steine der Kirche stammen bereits aus dem 13. Jahrhundert. Kulturelles Zentrum ist der erst vor wenigen Jahren fertiggestellte „Kulturhaven bzw. Kulturvaerftet“. In einem modernen Gebäude befindet sich eine große Bibliothek und im hinteren Teil ein Werftmuseum. Vor dem Gebäude befindet sich außen auf der Pier die Skulptur „Han“. Die Figur aus glänzendem Stahl ist inzwischen ein Wahrzeichen von Helsingor geworden. „Han“ ist quasi der Bruder der „kleinen Meerjungfrau von Kopenhagen“.
"Han"
Nach ein paar Schritten gelangt man zum unterirdisch in einem ehemaligen Trockendock angelegten Schifffahrtsmuseum. Dieses ist seit Eröffnung in 2013 eines der national und international meist genannten Museen.
Exponate im Schifffahrtsmuseum
Werftarbeiter im Hafenbereich
Kunst am Fisch
Die Architektur des Museums ist preisgekrönt. Im Inneren befinden sich viele Exponate und Modelle sowie Animationen. In der Nähe befindet sich auch das bekannteste Wahrzeichens von Helsingor, die Kronburg. Diese war früher eine der größten Verteidigungsanlagen Nordeuropas. Die Burg, welche ganz im Zeichen von Hamlet steht, ist von einer großen Verteidigungsanlage umgeben. Sie ist im Jahr 2000 auf die UNESCU-Liste der Weltkulturerbe aufgenommen worden.
Das Wahrzeichen von Helsingor: Schloss Kronborg
Hamlets Schloss
Modell des Schlosses
Turnierverlauf und Abschneiden der deutschen Spieler
Der Turnierverlauf gestaltete sich recht spannend. Die Turnierfavoriten Laurent Fessinet und Julio E Granda Zungia strauchelten mehr oder weniger früh, während sich der junge ägyptische Großmeister Amin Bassem an der Tabellenspitze etablierte.
Klammheimlich gewann der junge deutsche Großmeister Matthias Bluebaum seine Partien und spielte sich nach und nach an die Tabellenspitze heran und konnte nach einem Schlussrundenremis gegen Amin Bassem dank besserer Zweitwertung nach seinem Überraschungssieg beim Grenke-Chessopen in Karlruhe Ostern 2016 mit dem Gewinn des Xtracon Opens einen weiteren großen Erfolg landen.
Deutsches Duell Blübaum gegen Svane
Rasmus Svane
Carlstedt und Blübaum
Insgesamt haben die 33 angetretenen deutschen Spieler beim Xtracon Open ganz gut abgeschnitten. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur die ganz jungen deutschen Spieler erfolgreich sind, denn IM Dr. Erik Zude startete stark in das Turnier und war nach Siegen über die GMs Mihail Marin und Hjorvar Steinn Gretarsson mit 5 aus 5 plötzlich in Runde 6 an Tisch eins gegen Gm Amin Bassem zu sehen. Leider verlor er diese Partie ganz unglücklich nach einem spannenden Springer-Endspiel und viel in der Tabelle zurück.
GM Bassem gegen IM Zude
Der junge GM Jan-Christian Schröder, welcher in den vergangenen Jahren beim Turnier in Helsingor GM-Normen erreichte, hatte mit Remisen gegen die Top-gesetzten GMs Laurent Fressinet, Alexei Shirov und Julio E Granda Zungia Achtungserfolge zu verzeichnen.
GM Schröder gegen GM Fressinet remis
GM Schröder remisiert mit Schwarz gegen GM Granda Zungia
Neben Matthias Bluebaum auf Platz 1 spielte sich IM Jonathan Carlstedt nach einer soliden Leistung nach Siegen gegen GM Jon Ludvig Hammer, Remis gegen GM Mathias Bluebaum und Schlussrundensieg gegen GM Andrey Vovk weit nach vorne in der Tabelle und landete am Schluss auf einem sehr guten vierten Platz.
GM Blübaum remisiert mit schwarz gegen GM Brunello
Die drei Erstplatzierten des Opens
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es eine ganz tolle Turnierwoche in Helsingor war. Ein super organisiertes Event mit abwechslungsreichem, unterhaltsamen Rahmenprogramm in einem sehr schönen Umfeld.
Weitere Informationen und Eindrücke sind auf der Turnierhomepage hier zu finden.
Das nächste Xtracon Chess Open findet vom 22.-30. Juli 2017 im Konventum in Helsingor statt!