ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Nachdruck aus Neues Deutschland
„Es ist nie zu spät, Schach zu lernen!“ -
Die Schauspielrerin und Schachlehrerin Helen Mira
Sie
trägt einen berühmten Namen - Helene Mira - , und sie ist obendrein auch noch
Berufskollegin der legendären, vor wenigen Monaten allerdings verstorbenen
Brigitte Mira aus Berlin. Und ähnlich wie die Fassbinder-Muse, die den
galoppierenden Jugendwahn wunderbar ad absurdum führte, beweist jetzt die Mira
aus Österreich, dass frau trotz eines zeitverzögerten Starts noch einmal richtig
weit nach vorne kommen kann. Die
Österreicherin Helene Misera, die auf der Bühne Helene Mira heißt, bastelt
nämlich erfolgreich an einer zweiten Karriere als Schachperformerin, obwohl sie
bereits ihren 50. Geburtstag gefeiert hat. Während die Topathleten auch auf dem
64-Felder-Court mehrheitlich immer jünger werden - aktueller Fall: das
norwegische Wunderkind Magnus Carlsen, der gerade mal 13 Lenze zählte, als er
zum Großmeister ausgerufen wurde - , zeigt die Spätberufene aus der
Alpenrepublik allen Grünschnäbeln keck den Mittelfinger und peilt ungerührt
einen Spitzenplatz in der nationalen Olympiaauswahl an. Gleichzeitig hat Helene
Mira, die bereits dem Titel "Internationale Meisterin der Frauen" (WIM)
geschafft hat - im schönen Bregenz eine "Schachwerkstatt" eröffnet; und wie es
zu diesem überraschenden Wechsel gekommen ist, weg von den Brettern, die für
viele die Welt bedeuten, und hin zu jenen Minibrettern, die auch eine Welt für
sich sein können, das hat sich der Autor Dr. René Gralla erzählen lassen.
Wir haben ja gar nicht gewusst, dass es in der Familie der großen Brigitte Mira, leider aber kürzlich von uns gegangenen, eine Schachspielerin gibt. Wie sind Sie mit Brigitte Mira verwandt?
Überhaupt nicht. Mein Geburtsname ist Misera ...
... der klingt nun seinerseits wirklich etwas deprimierend ...
... das finde ich persönlich überhaupt nicht. Allerdings könnte mein richtiger Familienname manche Theaterkritiker, die unbedingt originell sein möchten, indem sie ihre vermeintlichen Fremdsprachenkenntnisse beweisen - "Misera" gleich "die Unglückselige" - , zu Wortspielen verleiten. Das meinte jedenfalls mein erster Intendant - und der hat dann meinen Namen einfach auf "Mira" verkürzt.
Haben Sie Ihre Namensverwandte Brigitte Mira zu deren Lebzeiten jemals persönlich getroffen?
Leider nein.
Ihre Bühnenkarriere haben Sie am Volkstheater Wien begonnen, später sind Sie auch in Nürnberg und Klagenfurt aufgetreten. Ihre größten Erfolge?
Meine längste Zeit habe ich in Bregenz verbracht, am Theater für Vorarlberg. Zu meinen größten Erfolgen gehören die Elisabeth in "Maria Stuart" und Frau John in: "Ratten".
Vor zwei Jahren haben Sie nach eigenem Bekunden den Schauspielberuf aufgegeben. Warum?
Nach einem Direktionswechsel an dem Haus, wo ich 25 Jahre lang engagiert gewesen bin, wurde ich von der neuen Leitung hinaus gemobbt.
Kann das denn eigentlich funktionieren: von jenen Brettern, die doch die Welt bedeuten, ein Abschied für immer?
Das wird die Zukunft zeigen. Momentan nehme ich mir keine Zeit, darüber nachzudenken.
Jetzt führen Sie die "Bregenzer Schachwerkstatt". Was machen Sie da?
Helen Mira (re.) mit IM Eva Moser und Schülern
Das ist ein Trainingscenter für alle, die sich für Schach interessieren, die aber keine trockene Kost vorgesetzt bekommen wollen. Schach muss schließlich Spaß machen.
Was kosten die Kurse bei Ihnen?
Anfänger zahlen zwischen 50 und 80 Euro für zehn mal anderthalb Stunden; der Preis für Fortgeschrittene bewegt sich zwischen 80 und 120 Euro für zehn mal zweieinhalb Stunden.
Der Überlebenskampf ist hart in diesen globalisierten Zeiten. Was bringt es mir, da noch zusätzlich Schach zu lernen?
Schach fördert die geistige Beweglichkeit. Das Spiel bringt einen zur Ruhe, es macht Freude - und man gewinnt dadurch Freunde. Schach ist nämlich ein globales Spiel. An Schacholympiaden nehmen über 120 Nationen teil; das sind Menschen aller Rassen und Glaubensbekenntnisse, aus allen sozialen Schichten und jeden Alters.
Sie unterrichten in der "Schachwerkstatt" auch eine Frauengruppe ...
... und das freut mich besonders. Das sind Frauen zwischen 40 und 60 Jahren, die immer gedacht haben, Schach sei zu kompliziert für sie. Und die jetzt seit bereits anderthalb Jahren begeistert einmal in der Woche kommen. Überhaupt bin ich der Meinung, dass noch zu wenige Frauen Schach spielen, obwohl sie sicher nicht unbegabter sind als die Männer sind. Ich trainiere deshalb auch besonders gerne Mädchen, um ihnen das nötige Selbstbewusstsein zu geben.
Ihre "Schachwerkstatt" richtet sich also auch an Jugendliche?
Unbedingt. Schach ist eine exzellente Lebensschule: Die Kinder lernen, nach Verlusten wieder aufzustehen. Sie lernen, sich auf ihren jeweiligen Gegenüber einzustellen und ihn zu respektieren. Ihre Konzentrationsfähigkeit wird gestärkt - und dies alles auf spielerische Weise. Vom Vorschulalter an können Kinder deswegen schon an Schach herangeführt werden.
Wie kommt eigentlich eine Schauspielerin dazu, nach einem Karriereknick sich ausgerechnet dem Schach zuzuwenden?
Schach ist schon immer ein Teil meines Lebens gewesen. Aber in den Anfangsjahren meiner Schauspielerei hatte ich keine Zeit, mich auf das Schach zu konzentrieren; damals musste ich mir die Zeit dafür stehlen. Heute ist Schach eben mein Beruf geworden.
Tatsächlich? Schauspiel ist extrovertiert - gerade auf der Theaterbühne. Schachspiel ist introvertiert, hat etwas Eigenbrötlerisches. Noch einmal: Was fasziniert die Schauspielerin Helene Mira am Schach?
Die Schauspielerin fasziniert am Schach, das sie dabei quasi selbst Regie führt. Außerdem haben Schauspiel und Schach mehr gemeinsam, als man denkt. Schach ist ebenso wie Theater ein Zeichen für eine hoch entwickelte Kultur. Ein weiterer Punkt: Ein Schachspieler braucht die Kreativität und Neugier eines Schauspielers.
Ein Schauspieler möchte mit seiner Kunst aber möglichst viele Menschen ereichen. Als Schachspielerin können Sie aber nur wenige Menschen erreichen - nämlich jene Minderheit, denen die Regeln vertraut sind.
Im Zeitalter des Internets ist diese Minderheit schon ziemlich groß. Übrigens dürfen Sie die Anzahl der Leute, die eine schauspielerische Leistung in all ihren Feinheiten beurteilen können, auch nicht überschätzen.
Sie sind vergleichsweise spät im Schach erfolgreich geworden ...
... gelernt habe ich das Spiel als 17-jährige; Turnierschach habe ich erst mit 30 angefangen. Insofern ist meine schachliche Laufbahn nicht ganz typisch. Andererseits aber kennt Schach keine fixen Altersstrukturen.
Wollen Sie Großmeisterin werden?
Ich bin noch immer neugierig, wo meine Grenzen liegen. Und ich bin bereit, dafür auch etwas zu tun.
Die Großmeister heute werden immer jünger - während Spieler in reiferen Jahren als "altes Eisen" gelten. Frau Mira: Wollen Sie die biologischen Gesetze außer Kraft setzen?
Zunehmend gibt es Beispiele dafür, dass man bis ins hohe Alter erfolgreich in der Weltspitze Schach spielen kann; ich nenne bloß den 73-jährigen Viktor Kortschnoj. Ich denke, mit 50 Jahren lässt die körperliche Spannkraft zwar etwas nach, aber die bewusste Lust und Freude am Spiel gibt sehr viel Kraft. Außerdem wollen wir den Vorsprung an Erfahrung nicht ganz vergessen. Wenn die physischen Kräfte abnehmen, braucht es eben mehr Disziplin, bessere Vorbereitung und jugendlichen Siegeswillen, um das auszugleichen.
Sie, Frau Mira, sind damit Hoffnungsträgerin für ältere Menschen. Nach dem Motto: "Lasst Euch nicht bluffen, Ihr seid besser, als Ihr denkt!" Auf jeden Fall im Schach?!
Ja. Für mich ist es schon immer faszinierend gewesen zu sehen, wie ältere Menschen sich durch das Schach ihre geistige Fitness bewahrt haben. Jugend und Alter sind im Schach keine Gegensätze: Schach verbindet beide; und es gibt kaum eine andere Sportart, wo sich verschiedene Generationen sogar im selben Turnier aneinander messen können, ohne dass der Sieger von vornherein feststeht.
Wann ist es zu spät, Schach zu lernen?
Solange das Gedächtnis einigermaßen intakt ist – nie.
Interview: Dr. René Gralla/Hamburg
Beim Berliner Sommer 1995 gelang Helen Mira gegen den Großmeister Andrei Kovalov ein auch dramaturgisch sehr hübscher Sieg mit Hilfe eines tief in die schwarze Stellung hinein geschobener Bauernkeils:
Helen Mira gegen A. Kovalev, Berliner Sommer 1995...
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Kontakt zur "Bregenzer Schachwerkstatt":
Weiherstr. 2, 6900 Bregenz; Tel. 0043/664 396 7800; E-mail :
helene.mira@aon.at