Helmut Pfleger wird 70
Geboren wurde Helmut Pfleger in Teplitz-Schönau, im Sudetenland, allerdings
dort eher zufällig und durch die äußeren Umstände bestimmt. Eigentlich lebte die
Familie in Berlin, doch die andauernden Bombardements der Alliierten auf die
deutsche Hauptstadt veranlassten seine Mutter, zur Geburt ihres Kindes einen
sicheren Ort außerhalb der Reichweite der Bomber aufzusuchen. Helmut Pfleger
kam am 6. August 1943 zur Welt. Die Familie zog im folgenden Jahr 1944 nach Geyer, weil der Vater
hier als Chemiker zu arbeiten hatte. Zum Ende des Krieges flohen Pflegers
schließlich nach Bamberg und wurden dort heimisch. Sein Vater Robert Pfleger
übte nun in Bamberg und in Erlangen als Professor eine Lehrtätigkeit an der
Universität aus und begann mit dem Aufbau einer Arzneimittelfabrik, der Dr. R.
Pfleger GmbH, die nach dem Tod des Firmengründers, 1970, durch testamentarische
Verfügung in den Besitz der Robert-Pfleger-Stiftung überging und damit heute dem
Staat Bayern gehört.
Das Familienleben der Pflegers war wenig intakt. Die Eltern hatten häufig
Streit und so flüchteten die Mitglieder der Familie in Aktivitäten außerhalb des
Familienlebens. Der Vater konzentrierte sich auf seinen Beruf, Helmut besuchte
Vereine und ging zu den Pfadfindern. Und er begann, ebenso wie sein Bruder
Horst, Schach zu spielen. Die Kinder lernten es von ihrem Vater, der selber
regelmäßig einen Schachverein besuchte. Helmut entwickelte beim Schach großen
Ehrgeiz, wohl auch, um hier endlich die ersehnte Anerkennung durch den Vater zu finden. Er wurde erst Bayrischer Jugendmeister,
dann Deutscher Jugendmeister. 1963 wurde er geteilter Erster bei der Deutschen
Meisterschaft, verlor aber den Stichkampf gegen Wolfgang Unzicker. 1964 folgte
die Berufung in die Nationalmannschaft, wo Pfleger als 21-Jähriger bei bei der
Schacholympiade in Tel Aviv die deutschen Farben zusammen mit Wolfgang Unzicker,
Klaus Darga, Lothar Schmid und Dieter Mohrlok vertrat und mit der Mannschaft die
Bronzemedaille gewann. Auch in Bamberg spielte Pfleger zusammen mit Lothar Schmid in
einer Mannschaft. Mit dem Karl-May-Verleger verband ihn fortan eine enge
Freundschaft.
Keiner der deutschen Top-Spieler war Berufsschachspieler, denn bis in die 1970er
Jahre galt Schach nicht als Beruf. So begann auch Helmut Pfleger neben dem
Schach eine Berufsausbildung und studierte Medizin. Von 1971
bis 1976 absolvierte er in der Inneren Abteilung in München-Perlach sein Praktikum. Nebenher
studierte er, auch aus Eigeninteresse, noch Psychoanalyse und Psychologie und
eröffnete 1983
eine Psychoanalytische und Psychotherapeutische Praxis, die er
bis 2010 betrieb.
Pflegers Schach-TV-Karriere begann 1977, als der NDR eine wöchentliche Schach-Sendung mit
Karpow produzierte. Der Weltmeister spielte eine Partie gegen das TV-Publikum.
Pfleger war bald Dauergast im Fernsehen und übernahm schließlich die Moderation der
Schachsendungen im NDR. 1978 produzierte der Sender zusammen mit der BBC eine
Reihe von Beiträgen während der Schach-WM in Baguio City und fand dafür bis zu
eine Million Zuschauer. Schach wurde fester Bestandteil im dritten Programm.
Bei den großen Matches und Turnieren gab es regelmäßig Schachsendungen und
Helmut Pfleger wurde zum "Anchorman" der deutschen TV-Schach-Berichterstattung.
Ihm selber, der von Kindheit an unter einem Minderwertigkeitskomplex litt,
bedeutete dieser Zuwachs an Popularität sehr viel, mehr als seine
internationale Karriere als Spieler. Diese beendete Pfleger 1985, nachdem er
noch bei der Mannschaftsweltmeisterschaft in Luzern für Deutschland gespielt
hatte.
1983 wechselte Pfleger zum WDR, wo er mit dem Redakteur Claus Spahn und
Vlastimil Hort die Sendung Schach der Großmeister moderierte und kommentierte.
Die Sendung wurde einmal im Jahr produziert und wandte sich auch an das "breite"
Nichtfachpublikum. Für seine Art der Kommentierung, bei der Pfleger oft
Geschichten und Anekdoten aus der Schachgeschichte einfließen ließ, wurde er von
der Fachpresse und dem Fachpublikum regelmäßig kritisiert.
Claus Spahn, Helmut Pfleger, Vlastimil Hort im WDR
Allerdings ließ sich
dabei der Neid auf den, der hier stellvertretend das Schach im Fernsehen vertrat,
gelegentlich nur schwer übertünchen. Mancher, der sich sonst sicher nicht dafür
interessiert hätte, kam jedoch durch Pfleger und seine Art der Darstellung zum
Schach. So entdeckte der
Fußballspieler und spätere Trainer Felix Magath, kürzlich auch schon 60 Jahre
alt geworden, seine Liebe zum Schach, als er
wegen einer Verletzung lange ans Bett gefesselt war, "Schach der Großmeister"
sah und nun selber mit dem Schach begann. Als Manager des HSV rüstete er später
den Hamburger Schachklub in der Anfangszeit der Schachdatenbanken mit Computern
aus.
Nebenbei hinterließ die Sendereihe des WDR einen Zitatenschatz, aus dem die
folgende Sequenz die vielleicht berühmteste ist. Ungefähr so:
Hort: "Waisst Duu, Chelmut, diesärr Zuug, ärrr ist nicht möglich."
Pfleger: "Was, wieso nicht?"
Hort: "Äs isst wägen Rägel. Waiß ist gar nicht am Zug!"
Helmut Pfleger beim Simultan
Im Laufe der Zeit wanderte die Sendung jedoch von der "Prime Time" auf immer
unattraktivere Sendeplätze und verhungerte schließlich irgendwo im Nachtprogramm
- kein Einzelschicksal für eine unkonventionelle Sendung in deutschen
TV-Behörden. Nachdem der zuständige Redakteur Claus Spahn den Sender verlassen hatte war
Schluss.
Vladimir Kramnik, Helmut Pfleger
Aber nicht nur im Fernsehen war und ist Pfleger präsent. Er pflegt
Schachspalten in verschiedenen Zeitungen, darunter dem deutschen Ärzteblatt, der
Welt und vor allem der Zeit. In seinen Kolumnen verbindet er Schachgeschichten
und Anekdoten mit kniffligen Aufgaben. Sein Vorbild war dabei der Hamburger
Schriftsteller Martin Beheim-Schwarzbach, der in seinem "Knaurs Schachbuch" auf
unterhaltsame Weise große Schachpartien der Geschichte
präsentiert hatte. Auch dafür wurde Pfleger von manchem "Kollegen", der nicht
verstand, dass Schach nicht nur durch das Turnierschach repräsentiert wird,
sondern erst durch seine Vielzahl von unterschiedlichen Erscheinungsformen zur Schachkultur
aufsteigt,
angegriffen. Besonders in der Zeitkolumne würdigte Pfleger regelmäßig
Initiativen im deutschen Schachleben und nennt die Namen von zumeist wenig
bekannten Schachfreunden, die in ihrem Umfeld einen oftmals lebenslangen Dienst
am Schach leisten. Seine Zeit-Kolumnen erscheinen regelmäßig auch in Buchform.
Als Live-Kommentator hat Dr. Helmut Pfleger viele Jahre hinter dem Vorhang
der Dortmunder Schachbühne gewirkt, zuletzt trat er noch bei der
Weltmeisterschaft 2008 in Bonn in Erscheinung. Inzwischen fühlt er sich jedoch
selber als "zu weit weg" vom aktuellen Spitzenschach und hat das Interesse an
Live-Kommentierungen verloren.
Großmeister zum Anfassen
Soweit man das von außen beurteilen kann, führt Helmut Pfleger ein Leben als
Asket. Er ist Vegetarier und fährt als Anhänger grüner Lebensphilosophie lieber
mit dem
Fahrrad als mit dem Auto. Seine besondere Liebe gehört - neben dem
Schach - dem Fußball. In einer Altherrenmannschaft tritt er regelmäßig gegen den
Ball, ist hier aber im Gegensatz zum Schach eher als Verteidiger aktiv.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
André Schulz
TV-Interview mit Bayern Alpha...
Pfleger-Fans können seinen einzigartigen Kommentierungsstil übrigens auf
seinen drei DVDs zu den schönsten Partien der Schachgeschichte genießen.
Im
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