Hermann Helms: Der freundliche "Dean of American Chess"

von Johannes Fischer
08.01.2020 – Hermann Helms war ein starker Spieler, aber hat sich vor allem als Journalist, Organisator und Förderer des Schachs verdient gemacht. Er hat mit Pillsbury in einer Mannschaft gespielt, gegen Marshall gewonnen, die New Yorker Turniere 1924 und 1927 mitorganisiert, das American Chess Bulletin gegründet, zahllose Kolumnen geschrieben und Bobby Fischer zum Eintritt in die Schachwelt verholfen. Geboren wurde Helms vor 150 Jahren, am 5. Januar 1870 in New York. | Foto: Fabian Bachrach, Chess Life

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Hermann Helms: Spieler, Journalist, Organisator

Den Großteil seiner Kindheit hat Helms allerdings nicht in New York, sondern in Hamburg und in Halifax, in Kanada, verbracht, wo er auch das Schachspielen lernte. Mit 17 kehrte Helms jedoch nach New York zurück und hier begann seine eigentliche Schachkarriere. Er spielte im Brooklyn Chess Club zusammen mit Harry Nelson Pillsbury in einer Mannschaft, 1906 und 1925 gewann Helms die Meisterschaft des Staates New York. Fünf Mal wurde er in eine US-Mannschaft berufen, um in Kabelwettkämpfen gegen England anzutreten.

Helms war ein starker und gefährlicher Spieler mit einer Neigung zu scharfen taktischen Angriffen. Seine berühmteste Partie ist der folgende Angriffssieg.

 

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Tatsächlich konnte Helms jedem gefährlich werden. Auch in der folgenden wüsten Partie gegen Frank Marshall, später einer der besten Spieler der Welt, erwischte es Weiß am Königsflügel auf den weißen Feldern.

 

Doch Helms hat das amerikanische Schach weniger als Spieler, sondern vor allem als Journalist und Organisator geprägt. 1904 gründete Helms das American Chess Bulletin, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1963 als Redakteur und Herausgeber leitete.

Hermann Helms 1904 | Foto: Wiener Schachzeitung

Außerdem arbeitete Helms mehr als 50 Jahre als Schachreporter für die New York Times und schrieb über ein halbes Jahrhundert Schachkolumnen für den Brooklyn Daily Eagle, von 1893 bis 1955 als die Zeitung ihr Erscheinen einstellte. Auch die New York World und die New York Post versorgte Helms jahrelang mit Schachkolumnen. In ihrem berühmten Buch The Bobby Fischer I Knew and Other Stories rühmen Arnold Denker und Larry Parr Helms sogar als "den wichtigsten Journalisten in der Geschichte des amerikanischen Schachs". (Arnold Denker, Larry Parr, The Bobby Fischer I knew and other Stories, Hypermodern Press, San Francisco 1995, S. 392).

Helms war zudem Mitorganisator der New Yorker Turniere 1924 und 1927, die durch die Bücher, die Aljechin darüber geschrieben hat, zu den berühmtesten Turnieren der Schachgeschichte zählen. Herausgeber dieser beiden legendären Turnierbücher war Helms.

Aber wie Denker schreibt, war

"Hermanns größter Stolz seine Arbeit als Impresario, der Simultantourneen für Aljechin, Jose Capablanca, Emanuel Lasker, Geza Maroczy und Frank Marshall organisiert hat. Er war die treibende Kraft hinter zwei der eindrucksvollsten Simultanveranstaltungen, die ich je erlebt habe, Simultanvorstellungen von Capablanca und Aljechin, die 1931 bzw. 1932 in ... New York ... gegen 200 Leute, die in 50 Vier-Mann-Teams aufgeteilt waren, angetreten sind". (The Bobby Fischer I Knew, S. 328).

Denker schildert Helms als einen überaus freundlichen Menschen mit einnehmendem Wesen.

"Hermann Helms war ein perfekter Gentleman. Er war vielleicht der freundlichste und rücksichtsvollste Mensch, dem ich je begegnet bin. He glaubte an, und, was noch unendlich viel wichtiger ist, lebte auch die alten Tugenden von Anstand und harter Arbeit, Bescheidenheit und Aufrichtigkeit. Niemand war anständiger oder hatte ein freundlicheres Lächeln als er." (The Bobby Fischer I Knew, S. 332).

Dieses Engagement und diese Freundlichkeit verhalfen Bobby Fischer zu seinem Eintritt in die Schachszene New Yorks. Auf der Suche nach passenden Gegnern und Spielpartnern für ihren siebenjährigen Sohn, dessen Schachleidenschaft immer größer wurde, hatte sich Fischers Mutter Regina im November 1950 per Postkarte an den Brooklyn Eagle gewandt, damals eine der auflagenstärksten Zeitungen in Brooklyn. Doch in der Redaktion der Zeitung wusste man mit der Karte Regina Fischers wenig anzufangen und leitete sie deshalb mit einiger Verspätung an Helms weiter. Der nahm sich die Zeit für eine freundliche Antwort und lud Regina und ihren Sohn zu einer Simultanveranstaltung ein, die der amerikanische Meister Max Pavey am Mittwoch, den 17. Januar, in der Brooklyn Public Library, Grand Army Plaza, um 20 Uhr, geben würde.

Hermann Helms' Schreiben an Regina Fischer

Regina und Bobby Fischer folgten der Einladung von Helms und gingen zum Simultan. Dort wurde, wie Fischers Biograph Frank Brady berichtet, Carmine Nigro, der Vorsitzende des Schachclubs Brooklyn, auf Bobby aufmerksam:

"Nigro, ein kleiner, kahler Mann Anfang vierzig, beobachtete die Partie Pavey-Fischer mit scharfem Blick. Bobbys Art zu spielen gefiel ihm. Bobby machte zwar keine brillanten, aber für einen Anfänger bemerkenswert vernünftige Züge. Völlig konzentriert schien Bobby alles um sich herum zu vergessen. Nach Ende der Partie sprach Nigro ... Regina und Bobby an. Er stellte sich als der neu gewählte Vorsitzende des Schachclubs Brooklyn vor und lud Bobby ein, doch einmal an einem Dienstag- oder Freitagabend vorbeizuschauen. Nein, der Junge würde keine Mitgliedsbeiträge zahlen müssen, beruhigte Nigro Regina. Schon am nächsten [Freitag] begleitete Regina Bobby in die alte Musikakademie Brooklyns, wo der Club sich traf." (Frank Brady, Bobby Fischer: Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende, Riva Verlag 2016).

Wie Fischer 1972 Weltmeister wurde, erlebte Helms zwar nicht mehr, aber den Aufstieg Fischers in die Weltspitze konnte er noch verfolgen. Wie Denker berichtet, nahm Helms bis ins hohe Alter zuverlässig jeden Freitag an den Blitzturnieren des Marshall Chess Clubs in New York teil und war auch mit über 80 Jahren noch ein gefährlicher Gegner.

1943 hatte ihm der US-Schachverband den Ehrentitel Dean of American Chess verliehen, 45 Jahre später, 1988, wurde Helms in die United States Chess Hall of Fame aufgenommen.

Hermann Helms starb einen Tag nach seinem 93. Geburtstag, am 6. Januar 1963.


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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