Herzlichen Glückwunsch, Pia Cramling!

von André Schulz
24.04.2018 – Mit kleiner Verspätung, aber um so herzlicher gratulieren wir Pia Cramling zum Geburtstag. am 23.April wurde die schwedische Weltklassespielerin 55 Jahr alt, kaum zu glauben... (Foto: Anastasiya Karlovich)

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Kaum zu glauben, aber am 23. April feierte, nur zehn Tage nach Garry Kasparov, auch Pia Cramling ihren 55 Geburtstag.

Pia Cramling kam 1963 in Stockholm zur Welt. Sie hat einen vier Jahre älteren Bruder Dan Cramling, den sie sehr bewunderte und dem sie als Kind in allem, was er tat, nacheiferte. Da Dan Cramling Schach spielte, begann auch Pia mit dem Schachspiel. Ihr Bruder nahm sie erstmals zu seinem Verein, dem SK Passanten in Huddinge, mit, als Pia zehn Jahre alt war. Mit zwölf Jahren begann sie selber mit dem Turnierschach. Mit 15 Jahren wurde sie bereits in die schwedischen Frauen-Nationalmannschaft berufen und spielte 1978 in Buenos Aires ihre erste Schacholympiade mit. Dort holte Pia Cramling auf Anhieb 9 Punkte aus 11 Runden und war am vierten Brett die beste Spielerin ihres Teams. Damals wurde noch in Vorgruppen gespielt. Schweden erreichte das B-Finale und belegte dort am Ende den ersten Platz. In den folgenden Jahren nahm Pia Cramling mit der schwedischen Frauennationalmannschaft an sieben weiteren Schacholympiaden teil: 1982, 1984, 1988, 2004, 2008, 2014 und 2016. Zwischen den Jahren 1990 und 2000 gehörte Pia Cramling auch absolut zu den besten Spielern Schwedens und wurde viermal für Schacholympiaden in die absolute Auswahl Schwedens berufen: 1990, 1992, 1996 und 2000 spielte sie in der offenen Klasse der Schacholympiaden mit.

Bei ihren Schacholympiaden erzielte Pia Cramling ein Reihe hervorragender Einzelergebnisse. 1984 in Thessaloniki spielte Pia Cramling bereits an Brett 1 des schwedischen Frauenteams, holte das zweitbeste Einzelergebnis überhaupt an diesem Brett mit 11 aus 14 und war damit zum Beispiel besser als Maia Chiburdanidze. Die schwedische Mannschaft wurde Siebte. 1986 in Dubai nahm Schweden nicht teil. Bei der Schacholympiade 1988 war Pia Cramling schon beste Spielerin am 1. Brett mit 12,5 (!) aus 14. Bei der Schacholympiade 2014 war sie drittbeste Spielerin am 1. Brett. Auch bei den anderen Schacholympiaden erzielte sie im Frauenteam herausragende Ergebnisse.

Pia Cramling bei der Schacholympiade, Foto: Gerhard Hund

Aber selbst in der offenen Klasse konnte sie unter den Männern sehr gut mithalten. Bei der Schacholympiade in Manila 1992 erreichte Pia Cramling im (Männer-) Team Schwedens an Brett vier mit 7,5 aus 10 das viertbeste Einzelergebnis insgesamt an diesem Brett. Bei der Schacholympiade 1996 spielte Pia Cramling hinter dem früheren WM-Kandidaten und besten Spieler der schwedischen Schachgeschichte Ulf Andersson sogar am zweiten Brett und half mit ihren 5,5 aus 9 (Eloperfomance 2617) mit, das Turnier aus schwedischer Sicht mit einem ausgezeichneten elften Platz abzuschließen.

Im Frauenschach nahm Pia Cramling national und international  über Jahrzehnte eine herausragende Rolle ein. Als 18-Jährige setzte sie sich 1981 an die Spitze der schwedischen Frauenrangliste und führt diese seitdem an. Derzeit wird sie dort mit 2472 an Nummer Eins geführt. In der absoluten schwedischen Rangliste ist sie zur Zeit die Nummer 13.

In den 1980er Jahren befand sich das Frauen-Profischach noch im Entwicklungsstadium und es gab nur einige ganz wenige weibliche Schachprofis, zumeist im Osten Europas. Pia Cramling war in dieser Zeit die einzige Frau in Westeuropa, die überhaupt kontinuierlich und mit Erfolg an den von Männern dominierten Schachturnieren teilnahm. Pia Cramling spielte regelmäßig die schwedischen Landesmeisterschaften mit - 1987 wurde sie hinter Axel Ornstein Zweite -, nahm an zahlreichen Open teil und wurde auch zu geschlossenen Turnieren eingeladen, wo sie oft genug nominell bessere männliche Schachspieler besiegen konnte. Zu ihren Top-Ergebnissen gehören Remise gegen Spieler wie Anatoly Karpov, Pavel Eljanov, Joel Lautier, Michael Adams, Laurent Fressinet, Alexander Khalifman, Leonid Yudashin, Jonathan Speelman, Alexej Shirov und Siege gegen Viktor Bologan, Viktor Kortschnoj, Anthony Miles, Zurab Asmaiparashvili, Julio Granda Zuniga, Lajos Portisch, Ivan Sokolov, um nur einige ihrer Erfolge zu nennen.

In einem Interview erzählte Pia Cramling von ihrer ersten Begegnung mit ihrem Idol Viktor Kortschnoj. 1982, Pia Cramling war gerade 19 Jahre alt, traf sie beim Lloyds Bank Open auf den damals zweitbesten Spieler der Welt nach Anatoly Karpov. Ihr Respekt für den großen Vikor verflog jedoch bald nach Partiegewinn. Die Partie endete Remis, doch der große Meister hätte sie eigentlich verlieren müssen:

 

Die Schwedin war auch die erste Frau, die 1986/87 in der deutschen Bundesliga spielte, für Lasker Steglitz, nachdem sie zuvor schon für den SK Passanten in der höchsten schwedischen Spielklasse gespielt hatte. Später nahm sie für diverse Teams in Spanien, England und Frankreich an Mannschaftsmeisterschaften teil und gewann mit diesen zahlreiche Meisterschaften. Siebenmal gewann Pia Cramling mit SK Internet-CG Podgorica und mit CE Monte Carlo den Europa-Vereinspokal für Frauenmannschaften.

Im Januar 1984 nahm Pia Cramling mit Elo 2405 den ersten Platz in der Frauen-Eloliste ein, vor den drei sowjetisch-georgischen Weltmeisterinnen Maia Chiburdanidze, Nana Alexandria und Nona Gaprindashvili. Zu dieser Zeit war Pia Cramling wohl die beste Schachspielerin der Welt, hatte aber keine Gelegenheit, um die Frauen-Weltmeisterschaft mitzuspielen oder war bei den Qualifikationen nicht erfolgreich. Später kam sie bei der Frauen-K.o.-Weltmeisterschaft Frauen 2008 immerhin bis ins Halbfinale, ebenso bei der K.o.-Weltmeisterschaft 2015. 2003, nach einer zehnmonatigen Babypause, und 2010 wurde Pia Cramling Frauen-Europameisterin.

Einige Zeit lebte Pia Cramling mit ihrem Mann, dem spanischen Großmeister Juan Manuel Bellon Lopez, und ihrer 2002 geborenen Tochter Anna in Spanien. Inzwischen ist die Familie nach Schweden gezogen.

 

Pia Cramling, die abseits des Schachbrettes eher schüchtern und zurückhaltend ist, war in den 1980er Jahren eine Vorreiterin des Frauen-Profischachs und gehört auch heute noch, fast 40 Jahre später, zur absoluten Weltspitze. Und auch mit 55 Jahren hat sich die "Grande Dame" des Frauen-Profischachs ihren jugendlichen Charme bewahrt.

 

Interview nach dem ersten Tag der Blitz-WM 2017

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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